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Mein #Twitterbeef mit einem schwulen CDUler

Stefan Kaufmann ist Bundestagsabgeordneter der CDU, schwul und mag es nicht, wenn man zu sehr auf der homophoben Position seiner Partei bezüglich des neuen Bildungsplans in Baden-Württemberg rumhackt.

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2015 soll in Baden-Württemberg bekanntlich ein neuer Bildungsplan eingeführt werden. Unter Federführung der rot-grünen Landesregierung wurde Ende letzten Jahres ein Arbeitspapier veröffentlicht. Wohlgemerkt ein Arbeitspapier. Keine endgültige Version. Darin geht es um fünf Leitprinzipien, die Schülern vermittelt werden sollen. Gleichzeitig dann aber auch noch das hier: „Die Kinder und Jugendlichen müssen in der Lage sein, ihre eigenen Wertvorstellungen und Haltungen zu reflektieren und weiter zu entwickeln, (…) aber auch Empathie für andere entwickeln zu können (…). Das macht es auch erforderlich (…) Differenzen zwischen Geschlechtern, sexuellen Identitäten und sexuellen Orientierungen wahrzunehmen und sich für Gleichheit und Gerechtigkeit einsetzen zu können.“ So weit so unspektakulär, right? Faktisch heißt das für dieses Papier, dass hinter jedem Leitprinzip in einigen Zeilen erörtert wird, welche Rolle sexuelle Vielfalt dabei haben kann oder könnte.

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Jetzt wären wir ja nicht in Deutschland, wenn sich nicht auch jemand finden würde, der sich darüber aufregt. In diesem Fall ist das Gabriel Stängle, ein Realschullehrer, der auf openpetition.org eine Petition startete, um den Plan zu verhindern bzw. ihn stark zu überarbeiten, um eben zu verhindern, dass „unsere Kinder“ alle schwul oder lesbisch werden. Weil es ja bekanntlich so ist, dass jeder sofort homosexuell wird, sobald er rausfindet, dass Lebensentwürfe außerhalb der guten alten Heterosexualität existieren. Hinter ihm sammelte sich schnell eine Bewegung aus deutschen und baden-würtembergischen Wutbürgern, die Angst haben, dass die angeblich allmächtige Velvet Mafia ihre Kinder zu Proseccotrinkenden Modedesignern machen will.

Die CDU hat scheinbar seit längerem um eine Positionierung gerungen und die Stuttgarter Kreisverband hat sich nun darauf geeignet, das Arbeitspapier abzulehnen, bzw. eine Überarbeitung zu fordern.

Jetzt ist der CDU-Vorsitzende Stuttgarts, Stefan Kaufmann, allerdings in einer etwas komplizierten Situation. Er ist nämlich schwul. Man könnte natürlich sagen „Selbst Schuld, wenn man in die Partei eintritt, der Homophobie sozusagen ins Grundsatzprogramm geschrieben wurde.“ Zur Verteidigung muss man allerdings erwähnen, dass er sich tatsächlich auch für Toleranz und Behandlung von LGBT-Themen im Unterricht eingesetzt hat. Sein Stellvertreter, Carl-Christian Hausmann sieht das ganze aber wieder sehr anders. Er ist Mitglied der Vereinigungskirche (oder auch Mun-Bewegung) der Kritiker vorwerfen ein theokratischen Staatsmodell anzustreben und die dafür bekannt ist regelmäßig Massenhochzeiten durchzuführen. Hausmann ist auf Veranstaltungen der Bildungsplangegner aufgetreten und stand für sein Anliegen mit Vertretern der Neuen Rechten, wie Matthias von Gersdorf und religiösen Fundamentalisten wie Gabriele Kuby auf der Bühne.

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Jetzt muss man dazu sagen, das ich grundsätzlich kein Interesse habe, mich mit Leuten zu unterhalten, die davon ausgehen, dass Homosexualität ansteckend ist oder die denken, dass die Selbstmordrate bei LGBTs so hoch ist, weil das in ihrer Natur liegt und nicht, weil sie diskriminiert werden. Been there, done that. Danke, nein.

Und Twitter ist im Normalfall auch nicht grade meine Baustelle. Klar, meine etwas über 100 Follower, die zu einem großen Teil aus Spamaccounts, Malerbekleidungsanbietern und Jalousien-Verkäufern bestehen (true story), warten mit Sicherheit täglich auf meine getwitterten Weisheitsperlen. Aber wie dem auch sei, trotzdem habe ich gestern einen Artikel aus der Stuttgarter Zeitung geretweetet, der ursprünglich von Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) kam:

RT @spektrallinie: Danke für nichts, @stefankaufmann! #idpet #homophobie #CDU http://t.co/MlF8u0dulA

— stefan lauer (@batepsycho) March 12, 2014

Woraufhin sich Kaufmann einschaltete:

@batepsycho @spektrallinie Stehe nach wie vor dazu, Thema im Bildungsplan aufzunehmen. Über das Wie müssen wir diskutieren. #idpet

— Stefan Kaufmann (@StefanKaufmann) March 12, 2014

Ab jetzt entwickelt sich das ganze schnell zu einem politischen Tennisspiel auf meiner Wall. Ich bin ein bisschen aufgeregt, weil tatsächlich ein Bundestagsabgeordneter sich erbarmt, mir, dem kleinen schwulen potentiellen Wähler zu antworten.

@StefanKaufmann Ist "das Wie zu diskutieren" wert sich gemein zu machen mit Kräften, die uns für gefährliche Pädophile halten? @batepsycho

— Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) March 12, 2014

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Jetzt ist Stefan Kaufmann aber ein bisschen beleidigt! Und er wendet die klassische Gegenfragenstrategie an, und wiederholt einfach Jans Frage. Smart.

@spektrallinie @batepsycho Das müssen Sie mir erklären! Mit wem mache ich mich gemein? Differenzierung tut auf allen Seiten Not!

— Stefan Kaufmann (@StefanKaufmann) March 12, 2014

Ich beeile mich extrem, um in dieser Konversation nicht zum fünften Rad am Wagen zu werden, und nur rumzustehen, während die großen Jungs sich unterhalten und haue deswegen den hier raus:

.@StefanKaufmann @spektrallinie u. a. mit Vertretern der afd, Gabriele Kuby, ihrem eigenen Stellvertreter etc pp. sprich: Reaktionäre.

— stefan lauer (@batepsycho) March 12, 2014

Dann wieder Jan mit der zugegebermaßen durchdachteren Argumentation:

@StefanKaufmann Sie wissen doch genauso wie ich auf welcher Veranstaltung ihr Vertreter Hausmann gesprochen hat 1/3 @batepsycho

— Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) March 12, 2014

@StefanKaufmann Außerdem nimmt die Position des Kreisvorstandes zum Bildungsplan die Argumentationslinien der Hetzer auf 2/3 @batepsycho

— Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) March 12, 2014

@StefanKaufmann wie zB: das "gegen die Bürger"-Mantra. Das ist gefährlich & stellt Parteistrategie vor Minderheitenschutz 3/3 @batepsycho

— Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) March 12, 2014

Natürlich ist eine Diskussion mit einem Politiker keine Diskussion mit einem Politiker, wenn der Politiker keinen Seitenhieb auf den politischen Gegner austeilt, auch wenn dieser Seitenhieb überhaupt nicht mit dem eigentlichen Thema in Zusammenhang steht:

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@spektrallinie @batepsycho Selbst Kretschmann sieht inzwischen ein, dass er die Menschen auch bei diesem Thema mitnehmen muss.

— Stefan Kaufmann (@StefanKaufmann) March 12, 2014

 Uh, ich werde wieder beachtet. Aber mein Argument zählt nicht. Komplett egal, mit wem Hausmann abhängt. Parteidisziplin ist halt immer das Zauberwort:

@spektrallinie @batepsycho Das ist vergossene Milch. Es ging um Position des CDU-Kreisvorst. Die ist ausgewogen und im Geiste der Toleranz.

— Stefan Kaufmann (@StefanKaufmann) March 12, 2014

Recht hat er, der Jan. Aber noch sind wir hier unter uns:

@StefanKaufmann Und darauf politisch hinzuwirken funktioniert auch ohne dass evangelikale Hetzer einen als Verbündeten sehen @batepsycho

— Jan Schnorrenberg (@spektrallinie) March 12, 2014

Ich kann das natürlich auch nicht auf mir sitzen lassen. Ich begreife langsam dieses Twitter und kontere auf Kaufmann:

@StefanKaufmann @spektrallinie sich mit solchen leuten gemein zu machen. ist keine "vergossene milch" sondern zeigt wes geistes kind man ist

— stefan lauer (@batepsycho) March 12, 2014

Bisher war es ja sehr schön zu sehen, wie sich Kaufmann versucht hat aalglatt aus der Affäre zu ziehen. Rhetorische Fragen, Ausweichmanöver, Seitenhiebe. Und natürlich nicht die Hände schmutzig machen. Immer schön über der Gürtellinie bleiben und Kritik teflonhaft abperlen lassen. Nur leider funktioniert das auf Twitter nur bedingt. Den irgendwann kommen die hässlichen Dinge zum Vorschein, über die man nicht sprechen will. Die personifizierte „vergossene Milch“ sozusagen:

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@StefanKaufmann @batepsycho @spektrallinie Was haben die Schwulen eigendlich davon, wenn deren Lebensentwurf bei anderen propagiert wird?

— Tomte Tummetot (@Tomte_Tummetot) March 12, 2014

@spektrallinie Ihr könnt doch tun und lassen was ihr wollt - aber lasst die Kinder anderer Leute in Ruhe. @StefanKaufmann @batepsycho

— Tomte Tummetot (@Tomte_Tummetot) March 12, 2014

@batepsycho Ja, stimmts etwa nicht? Ich wirke doch auch nicht auf die Erziehung deiner Kinder ein. @StefanKaufmann @spektrallinie

— Tomte Tummetot (@Tomte_Tummetot) March 12, 2014

@batepsycho … die nicht vorhandenen Kinder auf Grund deiner Erkrankung… @StefanKaufmann @spektrallinie

— Tomte Tummetot (@Tomte_Tummetot) March 12, 2014

@spektrallinie Wenn wir das Ganze evolutionistisch betrachten, dann kann mans nicht anders sehen-oder? @batepsycho @StefanKaufmann

— Tomte Tummetot (@Tomte_Tummetot) March 12, 2014

q.e.d. @StefanKaufmann @Tomte_Tummetot @spektrallinie

— stefan lauer (@batepsycho) March 12, 2014

Da nach der „vergossenen Milch“ Schweigen im Walde Kaufmann herrschte, habe ich ihn noch einmal per Email um Stellungnahme gebeten. Hier könnt ihr das Interview lesen.