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Musik

Auf Konzerten knutscht man nicht!

Ihr würdet euch an einer Bushaltestelle auch nicht fingern, warum sollte es auf einem Konzert anders sein?

Foto: Sibilla Calzolari

Grundsätzlich liebe ich es wirklich, auf Konzerte zu gehen. Ein guter Gig, sei es von einer Band, die ich kenne, oder einer, die ich zum ersten Mal sehe, lässt mich mit einem wirklich guten Gefühl zurück—wenn mir denn nichts das Erlebnis ruiniert. Genauer gesagt, wenn mir zwei Dinge nicht das Erlebnis ruinieren, die sich feucht und schleimig zueinanderfinden.

Wenn ich zu einer Show gehe, dann tue ich dies, um eine Band spielen zu sehen. Natürlich trinke ich auch was und unterhalte mich mit Bekannten oder Unbekannten, aber letztendlich will ich wirklich die Band sehen weil, naja, das ist einfach der Grund, warum ich überhaupt hier bin. Stell dir also meinen Schrecken—oder genauer gesagt: mein blankes Entsetzen—vor, als ich letztens bei einem Konzert stehe und mir das Pärchen vor meiner Nase auffällt (wenn es denn möglich gewesen wäre, dass es mir nicht auffällt), das miteinander rummacht wie ein paar verknallte Teenager, die Minuten zuvor das erste Mal gevögelt haben. Vielleicht hatten sie das auch—ich habe nicht nachgefragt—aber sie sahen beide aus, als wären sie schon in ihren 30ern und es demnach eigentlich besser wissen sollten.

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Plötzlich war ich total eingenommen von ihrem sinnlichen Tanz, dem Zeitlupen-Twerking, dem Aneinanderreiben und –drücken ihrer Hüften und Hintern. Die Darbietung war alles andere als synchron mit den funkelnden, schwermütigen und verträumten Songs der Band, aber so sehr ich es auch wollte, ich konnte einfach nicht aufhören, ihnen zuzuschauen. Es gab Rückenkraulen und Ohrenknabbern, zärtlichen Zungenkontakt an diversen Körperstellen. An einem Zeitpunkt zog der Typ an der Gürtelschlaufe des Mädchens (oder übte vielleicht Druck auf einen bestimmten Punkt an ihrem Körper aus), wodurch ihr Bein irgendwie anfing, hoch und runter zu zappeln—ähnlich wie die Beine von Hunden zucken, wenn man sie an der richtigen Stelle krault.

Ich mag es wirklich, verliebte Pärchen zu sehen, egal ob alt oder jung. Ich finde es süß, wenn ein verheiratetes Paar zusammen zu einem Konzert geht. Es gibt aber Grenzen, liebe Leute! Ich möchte euch nicht dabei zuschauen müssen, wie ihr die Dinge nachspielt, die ihr macht, wenn ihr beide nackt seid und euch in der Privatsphäre eurer heimischen vier Wände befindet—und ich glaube auch, ich spreche hier nicht nur für mich.

Öffentliche Zuneigungsbekundungen können in fast jeder Situation zu viel sein. Wenn es sich aber um einen engen öffentlichen Ort handelt, für den Menschen Geld bezahlt haben, um dort sein zu können, und ihr dann vor versammelter Mannschaft teelöffelweise Speichel (und vielleicht auch andere Körperflüssigkeiten) austauscht, dann ist das wirklich nicht cool. Glaubt mir, niemand sollte mitansehen müssen, wie die Hand deines Freundes in deiner Hose verschwindet und sich an deiner schwitzigen Arschfalte in Richtung, was auch immer für feuchtes Unheil da unten wartet, vorbeischiebt. Und genauso wenig sollte man sich mitansehen müssen, wie ihr auf kuriose Weise nachspielt, wie er dich das letzte mal von hinten gevögelt hat. Es ist nicht nur widerlich, sondern auch einfach lahm. Aus unerfindlichen Gründen geschieht es jedoch immer wieder. Besagte Nacht war nicht das erste Mal, dass mir egoistische, aufgegeilte Vollidioten eine großartige Band versaut haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich jetzt jedes Mal, wenn ich die Band höre, an diese Situation denken muss.

Es ist gegenüber allen Umstehenden extrem unhöflich und rücksichtslos, sich auf einem Konzert zungentief in einer anderen Person zu verlieren. Noch schlimmer ist es, wenn das an einem kleinen Konzertort passiert, wo euch wahrscheinlich sogar die Band dabei zuschauen kann; aber auch wenn ihr in einer riesigen Arena steht und Miley Cyrus auf einem riesigen Hotdog über euch schwebt, tut es trotzdem nicht. Ihr würdet euch an einer Bushaltestelle auch nicht fingern, warum sollte es auf einem Konzert anders sein? Es ist ein öffentlicher Raum. Rumfummeln ist etwas Privates. So schwierig ist die Unterscheidung doch nicht. Vielleicht sollten diese Menschen aus dem Laden geschmissen werden, sobald sie die Grenzen allgemeinen Anstands so überschreiten, dass ihre Zuneigungsbekundungen den Konzertgenuss der anderen beeinträchtigen. Es gab in London mal diesen großartigen Laden mit dem Namen The Luminaire, in dem die Zuschauer für das Reden bei Konzerten abgemahnt wurden (und sie, wenn das nicht half, vor die Tür gesetzt wurden), vielleicht lässt sich also diese Regelung auch für übertriebenes Rumfummeln etablieren.

Dazu kommt—und dieser Punkt scheint mir fast schon zu dämlich, um ihn hier noch mal extra anzuführen—, dass es etwas anderes ist, Bands live zu sehen, als sich Zuhause eine Platte anzuhören. Es ist eine interaktive Erfahrung. Sie laufen rum und unterhalten sich und machen interessante und aufregende Sachen. Manchmal erzählen sie kleine Geschichten vor den Songs, manchmal springen sie durch die Gegend und eigentlich immer interagieren sie mit dem Publikum. Die Art, wie die Songs auf der Bühne aufgeführt werden, verleiht ihnen noch eine besondere persönliche Note und eine weitere Bedeutungsebene. Wenn du deine Augen aber geschlossen hast und sich deine Zunge und deine Finger irgendwo befinden, wo sie nicht hingehören, dann verpasst du das alles. Ganz abgesehen davon, dass du allen um euch herum, die komplette Erfahrung versaust. Wenn ich zusehen will, wie Leute miteinander rummachen, dann gibt es auch dafür ausgewiesene Orte, die ich aufsuchen kann. Alternativ habe ich auch immer meinen Laptop und dort sind sie in der Regel nackt und sehen besser aus.

Wenn ich aber auf einem Konzert bin, dann will ich mir Bands anschauen. Ich habe mir in diesem Fall dann tatsächlich diesen speziellen Zeitpunkt dafür ausgesucht und besuche dafür einen Ort, der nur zu diesem Zweck existiert. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ihr hier seid. Sonst hättet ihr euch wohl keine Karten geholt und wärt auch gar nicht erst hier. Und wenn ihr einfach nur die Zeit während der Supportband totschlagen wollt, die ihr nicht mögt, dann solltet ihr bedenken, dass auch andere Leute anwesend sind, denen die Band vielleicht gefällt. Versaut es ihnen also nicht. Wenn ihr es wirklich nicht aushalten könnt und euch genau in diesem Moment ein Anflug von unkontrollierbarer Geilheit überkommt, dann geht auf die verdammten Toiletten. Dort könnt ihr eure Körpersäfte ungestört und nach Belieben fließen lassen. Ansonsten zeigt euch etwas respektvoller den Umstehenden, der Band und vor allem euch selbst gegenüber. Man weiß es ja nie, aber vielleicht gefällt euch die Band ja doch, wenn ihr ihr nur etwas Aufmerksamkeit schenkt.