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Jeden Tag 4/20

Ist Berlins Bürgermeister wirklich gegen Coffeeshops?

Michael Müller hat sich gegen die Cannabis-Freigabe ausgesprochen. Aber wie ernst meint er das?

Da würde ein Spliff doch eigentlich gut reinpassen: Berlins Regierender Michael Müller. Foto: imago/Gerhard Leber

Berlins neuer Bürgermeister Michael Müller hat sich heute gegen eine regulierte Cannabis-Abgabe ausgesprochen. Anders als sein gesundheitspolitischer Sprecher in der SPD-Fraktion, Thomas Isenberg, hält Müller nichts von der Idee, wenigstens probeweise ein oder zwei Hanfblüten-Fachgeschäfte zu eröffnen.

Müller kann gar nicht anders, denn trotz so einiger Vorstöße der SPD in jüngster Zeit ist die Beschlusslage bei den Sozialdemokraten noch eindeutig. Mit Ausnahme einiger Landesverbände wie Bayern oder Bremen sind die Bundespartei, die Landesverbände und weit über die Hälfte der SPD-Anhänger immer noch gegen eine Re-Legalisierung. Ganz im Gegenteil, deren Reihen sind mit echten Drogenkriegern gespickt: Die SPD-Innenminister in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind schlimmer als so mancher CDU-Stratege, Reinhold Gall lässt trotz Grünem Koalitionspartner kleine Kiffer jagen, Ralf Jäger verbietet dem Münsteraner Polizeipräsidenten die Teilnahme an einer prohibitionskritischen Veranstaltung in Berlin, und in Hamburg scheint die SPD auch keine richtige Lust zu haben, das von den Grünen vorgeschlagene Cannabis-Modellprojekt in die Tat umzusetzen. Last but least not heißt Müllers Koalitionspartner in Berlin CDU—und sein Innenminister Frank Henkel ist seit der Einführung des Belagerungszustands im Görlitzer Parks in Kifferkreisen nur noch als „Haschgift-Henkel" bekannt.

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Es ist noch nicht alles verloren

Nein, Michael Müller kann sich gar nicht für Coffeeshops aussprechen, ohne Ärger mit der CDU und der eigenen Basis zu bekommen. Aber es ist nicht so, als bewege sich in der SPD gar nichts: Cannabis ist dort seit einer Weile ganz groß im Kommen. Der Berliner Kreisverband Mitte hat sich bereits für eine Kehrtwende in Sachen Cannabis stark gemacht und im kommenden Jahr will die Berliner SPD auf Landesebene abstimmen lassen, ob man sich nicht doch mit der Coffeeshop-Idee anfreunden könnte. Selbst auf Bundesebene hat die SPD-Fraktion jetzt eine Arbeitsgruppe gegründet, deren Positionspapier „Von Repression zur Regulierung" aufhorchen lässt. Im Arbeitskreis der SPD-Bundestagsfraktion scheint man sich einig zu sein, jetzt muss es nur noch dem Rest der Genossen schonend beigebracht werden.

Die SPD scheint genau zu wissen, dass Gras im kommenden Berliner Landtags-Wahlkampf eine Rolle spielen wird. Mal sehen, wie der regierende Bürgermeister über Coffeeshops denkt, wenn die SPD umgeschwenkt ist. Eine Hintertür ist ihm mit dem Satz „Er sei offen dafür, sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen" allemal geblieben. Vielleicht hat er auch die mittlerweile unhaltbare Einstiegsdrogen-Theorie nur deshalb wieder ausgegraben, um sich später überzeugen zu lassen. Dass Cannabis keine Einstiegsdroge für andere Drogen ist, kann man mittlerweile sogar auf drugcom.de, einer Seite unserer ansonsten repressionsgläubigen Drogenbeauftragten, erfahren.

Wahrscheinlich wird es ähnlich wie einst beim Nato-Doppelbeschluss, der Abschaffung des §218 oder der Homoehe: Weiß man die Mehrheit der Wähler hinter sich, kann man die Haltung wechseln. Vor allen Dingen, wenn der Koalitionspartner nicht mehr CDU heißen sollte, könnte sich Müller durchaus untreu werden, wenn es in ein oder zwei Jahren wieder um Gras geht.

Derzeit ist es sowieso eine Diskussion um Kaisers Bart, denn der Coffeeshop-Antrag aus Friedrichshain/Kreuzberg wird wohl in den nächsten Tagen vom CDU-geführten Bundesgesundheitsministerium abgelehnt, denn die Entscheidungsfrist der Bundesopiumstelle von drei Monaten ist vergangenen Montag abgelaufen.