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Ein Vergewaltigungsphantom geht in Berlin um

Ein Pickup-Artist veranstaltet vielleicht in diesem Moment ein Vergewaltigungsseminar.

Manche heterosexuelle Männer scheinen ein großes Problem damit zu haben, beim anderen Geschlecht anzukommen. Und natürlich ist es legitim, dass sie versuchen, das zu ändern. Jetzt fallen einem da mehrere Optionen ein, die realistisch wären, um dieses Ziel zu erreichen. Sich einfach mal zu entspannen, könnte eine davon sein. Und weniger Pornos. Aber für einige Männer ist das keine Lösung. Sie geben lieber eine Menge Geld aus, um sich von einer Art Motivationstrainer erklären zu lassen, was Frauen wirklich wollen (Erniedrigung) und wann „Nein" eigentlich „Ja" bedeutet (fast immer). Willkommen in der Welt der Pickup Artists.

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Einige besonders schmierige (und das ist eine Leistung) PUA-Coaches versammeln sich unter dem Dach der amerikanischen Firma „Real Social Dynamics" (RSD). Laut eigener Aussage die größte „Date Coaching"-Agentur der Welt. Wenn man sich durch die Website des Unternehmens klickt und meterlange Texte liest, in denen es darum geht, das „innere Tier" endlich zu befreien und nie mehr „nur ein guter Freund" zu sein und weitere Webseiten-Dezimeter durch die Geschichte der Kurse scrollt und zehn mal hintereinander rausfindet, warum es vollkommen gerechtfertigt ist, eine Menge Geld für dieses lebensverändernde Angebot zu zahlen, kommt man endlich zum eben jenem. Zum Beispiel 269 US-Dollar für einen Kurs namens „The Jeffy Show", in der ein nippelgepiercter Vokuhilaträger männlichen Jungfrauen zu erklären scheint, wie das jetzt so alles funktioniert mit den Frauen. Ich meine, ich habe nur eine vage Vorstellung, wie es läuft in der heterosexuellen Welt, aber bin mir sicher: nicht so.

Besonders interessant an diesem Geschäftsmodell ist der finanzielle Aspekt. Das Ziel der Pickup Artists ist es nicht so sehr, ihren jungfräulichen Jünger eine Beziehung zu verschaffen. Sondern es geht ausschließlich um Sex. Um immer besser im Abschleppen zu werden, muss man aber auch immer mehr Kurse kaufen. Und so ist eine Art Sex-Scientology entstanden, bei der es darum geht, unwissenschaftliche und menschenverachtende Theorien zu lernen, um irgendwann genau so zu werden wie die gegelten Coaches.

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Das alles bedeutet aber auch, dass die Opfer der PUAs nicht nur Frauen sind, sondern auch möglicherweise einfach schüchterne Typen, die nicht nur sehr viel Geld für Seminare, CDs und Bootcamps ausgeben, sondern am Ende als gehirngewaschene, frauenverachtende Zombies durch die Gegend laufen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass diese Männer jemals eine normale Beziehung führen können, in denen sie ihre Partnerin als Menschen und nicht als „Target" sehen. Und das alles verfestigt wieder nur eine Vergewaltigungskultur und ein Frauenbild, das vermutlich schon in den 50ern antiquiert war.

Unangenehme Dinge haben es ja oft an sich, dass sie gerne schnell noch unangenehmer werden. Deswegen gibt es auch Julien Blanc, einen der prominentesten RSD-Coaches. Blanc hat nicht nur den Hashtag #ChokingGirlsAroundTheWorld geschaffen, mit dem er seine Techniken bewirbt, die anscheinend daraus bestehen, auf wildfremde Frauen auf der Straße zuzugehen und sie so lange zu würgen, bis sie aufhören sich zu wehren. Es existiert ein Video von ihm, in dem er von seinen ​Erfahrungen in Tokio berichtet, wo er den Kopf von Frauen in seinen Schritt gedrückt und dabei Pikachu gerufen hat.

Weil—um es in seinen eigenen Worten auszudrücken—„als weißer Mann in Japan kannst du machen, was du willst." Japaner sehen das etwas anderes und haben neben UK, Kanada und Brasilen Petitionen gestartet, um ihm in Zukunft die Einreise zu verbieten. In Australien war das erfolgreich und ​Blanc musste das Land verlassen, bevor er all seine Seminare abhalten konnte. In einem anderen Video erzählte er begeistert davon, wie er mit einer Frau geschlafen hat, ​obwohl sie das nicht wollte. Dieses Video wurde mittlerweile wohl gelöscht, davon distanziert oder gar dafür entschuldigt hat sich niemand, weder RSD noch Blanc.

An diesem Wochenende soll jetzt ein Seminar von RSD in Berlin stattfinden. Zumindest konnte man einen Kurs für geschlagene 2000 US-Dollar auf der Website des Unternehmens buchen. Seminarleiter ist vermutlich nicht Blanc sondern einer seiner Kollegen namens Ozzie, Autor von The physical Game—Wie man Frauen physisch führt und ins Bett kriegt. Ob dieses „Bootcamp" stattfindet, weiß niemand so genau und auch nicht wo. Mehrere ​Gruppen mobilisieren gerade dagegen und es gibt eine ​Petition, die direkt an Hotelbetreiber gerichtet ist und verhindern soll, dass einem Vergewaltiger eine Plattform in Deutschland geboten wird. Sollte das Seminar tatsächlich heute stattfinden, ist es vermutlich schwer, es noch zu verhindern. Besser sieht es für kommende Seminare aus, zum Beispiel für die in München vom 11.-13. Dezember und im März oder die Seminare, die in Frankfurt ebenfalls im März und in Hamburg im Mai stattfinden sollen.