Seit dem Wochenende sind die Early Adopter ganz aus dem Häuschen: Vero, so heißt der neue Stern am Social-Media-Himmel, schickt sich an, alles besser zu machen als die anderen und soll vor allem Instagram Konkurrenz machen. Motherboard hat sich angemeldet und getestet, ob es hält, was es verspricht.
Auf den ersten Blick ergibt sich ein bunt zusammen gewürfelter Feed: Menschen empfehlen Filme (Black Panther) oder posten Bilder (Sonnenauf- und -untergänge). Im Suchtab empfiehlt Vero seinen Usern außerdem einige Accounts. Darunter sind die britische GQ, Regisseur Zack Snyder und diverse Namen – ausschließlich von Männern – die nicht allen deutschen Nutzern ein Begriff sein dürften: Fotograf Clay Enos und die Schauspieler Max Joseph und Ray Fisher. Die meisten von ihnen haben allerdings schon Tage oder Wochen keinen Post mehr veröffentlicht.
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Keine Klarnamen, keine Nutzernamen: So funktioniert die Anmeldung
Die Anmeldung erfolgt über die eigene Telefonnummer, die auch bestätigt werden muss. Einen individuellen Nutzernamen gibt es nicht. Außerdem besteht Vero nicht auf Klarnamen – wer nicht den Namen aus seinem Ausweis einträgt, muss anders als bei Facebook also keine Sperrung befürchten.
Mit vielen neuen Anmeldungen hat man allerdings offenbar nicht gerechnet. Seit Sonntag sind sämtliche Inhalte nur schwer erreichbar: “Unsere Server sind gerade außergewöhnlich überlastet. Wir arbeiten daran, unsere Services schnellstmöglich wieder zur Verfügung gesehen” entschuldigt sich Vero für Fehlermeldungen und lange Ladezeiten. Ein erster Test der App, die es für Android und iOS gibt, wird also zur Geduldsprobe.

Endlich Transparenz im Newsfeed: Chronologie hat ihren Preis
Für die erste Million Nutzer ist Vero kostenlos. Alle, die sich danach anmelden, müssen eine bislang nicht benannte jährliche Gebühr zahlen. Dafür soll die Plattform werbefrei bleiben und sich über Nutzerbeiträge finanzieren. Deshalb wirbt man mit dem Slogan “True Social” – also “echt sozial”.
Außerdem verzichtet Vero auf die Vorsortierung von Postings und zeigt sämtliche Inhalte in chronologischer Abfolge an. Wer zuletzt postet, wird also zuerst angezeigt. Damit unterscheidet sich vero deutlich vonFacebook und Instagram, deren Algorithmus undurchschaubar bleibt.
Die Wiedergeburt von Googles Circles: Je enger die Freundschaft, desto mehr Posts sehen die Nutzer
Vero verspricht eine bessere Einteilung des individuellen Netzwerks in verschiedene Beziehungskategorien oder “loops”: Bekannter, Freund oder enger Freund. Den letzten drei Kategorien kann jeweils ein eigenes Profilbild zugeordnet werden. Was innovativ klingt, ist allerdings nur eine Abwandlung der Circles bei Google+. Das ist dieses soziale Netzwerk von Google, das häufiger für tot erklärt wird als Dschihadisten-Rapper Dennis Cuspert. Die Kategorien sollen dazu anregen, sich “natürlicher” zu verhalten, heißt es im Vero-”Manifest”.
Bevor ein Post veröffentlicht wird, muss jeweils festgelegt werden, für welches Publikum der Post bestimmt ist. Die Auswahl erfolgt graduell von engen Freunden bis hin zu Followern. Wer etwas mit seinen Bekannten teilen möchte, muss es also immer auch mit Freunden und engen Freunden teilen.
Wie bei Tumblr, nur strukturierter: Collections sorgen für Ordnung
Wer etwas seinen Freunden etwas mitteilen möchte, kann einen Post in seinen “Collections” veröffentlichen. In diesen Sammlungen werden, ähnlich wie bei Tumblr, verschiedene Postingkategorien erfasst: Bilder, Texte, Musik- oder Video-Posts, Links oder Bücher. Allerdings kann der Newsfeed nicht nach Collections sortiert werden, die jeweilige Collection wird aber unter allen Posts angezeigt.
Wie Instagram und Twitter setzt auch Vero auf Hashtags. Beim Versuch, sich die Posts unter den von Vero vorgeschlagenen “beliebten Hashtags” anzusehen, wurden jedoch in den meisten Fällen keinerlei Ergebnisse angezeigt. Klappte es dann doch, wurde sichtbar, dass viele Posts einfach alle beliebten Hashtags – von #NowPlaying, über #photography bis #BORGLIFE – versammeln. Das macht es sehr schwierig, bestimmte Inhalte überhaupt erst zu finden.
Privatsphäre als Feature? Das macht Vero mit deinen Daten
Dass zur Anmeldung eine Telefonnummer statt zum Beispiel einer Mail-Adresse benötigt wird, begründet Vero damit, dass diese schlechter zu fälschen sei als eine Mail-Adresse. Ist der Zugriff auf das Telefonbuch erst einmal erlaubt, erhält der Nutzer Benachrichtigungen, sobald sich ein Kontakt anmeldet. Wer also nicht wissen will, ob der Ex-Freund oder die Kollegen sich gerade angemeldet haben, sollte entweder die Benachrichtigungen ausstellen oder auf die Anmeldung verzichten.
Ändert sich die Telefonnummer eines Nutzers, trackt Vero das nach eigenen Angaben nicht. Die Telefonnummer wird nur bei der ersten Anmeldung angegeben, danach erfolgt das Login über die Mail-Adresse. Erhobene Daten sollen insgesamt nur dazu genutzt werden, die Plattform zu verbessern.
Vero gibt an, dass verschiedene Verschlüsselungstechnologien eingesetzt werden, um Nutzerdaten vor unerlaubten Zugriffen zu schützen. Welche Daten allerdings auf welche Weise verschlüsselt werden, beantwortete Vero auf Anfrage von Motherboard bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht.
Fazit: Wer Entschleunigung mag, wird Vero lieben
Vero wird bereits seit Sommer 2015 entwickelt. Um als echter Konkurrent am Markt überhaupt bestehen zu können, gilt es allerdings noch einige Probleme zu lösen. Ob die Geduld der Nutzerschaft bis dahin vorhält, bleibt ungewiss.
Gegenüber Instagram hat Vero aber Vorteile vorzuweisen: Neben Bildern, für die es auch bei Vero die üblichen Bearbeitungs- und Filterfunktionen gibt, können auch andere Inhalte gepostet werden. Und der eine oder andere User dürfte sich eine Rückkehr zu chronologischen Feeds auf Social Networks herbeisehnen. Spätestens, wenn nach Silvester auch drei Tage später noch die Neujahrsgrüße ganz oben im Feed angezeigt werden. Wie bei allen anderen Netzwerken auch gilt aber: Wenn die Userbase nicht groß genug wird, setzt es sich nicht durch.
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