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“Versaute Klassenfahrt” und “Sex-Lehrerin”: Wie Medien über Missbrauch durch Frauen reden

“Ein Hammer-Body. Tolle Augen. Ein Bikini, der alle Blicke auf sich zieht! Welcher Schüler würde beim Anblick einer solchen Lehrerin nicht auf verbotene Gedanken kommen?” Die US-amerikanische Lehrerin, von der in diesem Bild-Artikel die Rede ist, missbrauchte einen minderjährigen Schüler innerhalb von drei Monaten mindestens 30 Mal. Die Bild-Zeitung sah das anders: Bei einer attraktiven Lehrerin könne sich doch jeder Schüler über so einen Missbrauch glücklich schätzen.

Screenshot: Bild.de
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Der Missbrauch von minderjährigen Schülern durch Lehrerinnen wird in deutschen Boulevardzeitungen häufig verharmlost. “So versaut war die Klassenfahrt wirklich“, betitelt zum Beispiel die Morgenpost Sachsen den Missbrauch einer britischen Lehrerin an ihrem minderjährigen Schüler. Die beiden sollen bei einer Klassenfahrt mehrfach ungeschützten Sex gehabt haben, unter anderem auf der Flugzeugtoilette. “Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein”, schreibt der Münchner Merkur über den gleichen Vorfall. Als “verbotenes Paar” bezeichnet der Berliner Kurier eine Lehrerin aus Texas und ihren missbrauchten Schüler – als handle es sich um eine verruchte, leidenschaftliche Liebesgeschichte.

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Man stelle sich das Ganze mit umgekehrten Geschlechterrollen vor: Wenn ein Lehrer eine Schülerin missbraucht hätte, würde dieselbe Wortwahl (versaute Klassenfahrt, verbotenes Paar) für Empörung sorgen. Missbrauch durch Frauen wird in den Medien oft nicht als solcher wahrgenommen. Immer wieder schreiben Zeitungen in diesen Fällen von “Verführung“, “Liebe”, “Beziehung”, “Amour Fou” oder “Techtelmechtel“. Der Sex von Frauen mit Minderjährigen wird oft als einvernehmlich dargestellt. Der Missbrauch wird als “Sex”, spezielle “Kurvendiskussionen” oder sogar “Nachhilfe-Stunden der ganz besonderen Art” bezeichnet, die Täterin ist eine “Sex-Lehrerin”.

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Knapp sieben Prozent der Täter von sexuellem Missbrauch sind Frauen, so das Ergebnis des Abschlussbericht der Missbrauchsbeauftragten, für den über 2.400 Opfer befragt wurden. Dazu kommen sechs Fälle, in denen der Missbrauch von Männern und Frauen gemeinsam verübt wurde. Allerdings dürfte die Dunkelziffer der Täterinnen deutlich höher sein. Zum einen, weil es dazu in Deutschland wenig Forschung gibt. Und zum anderen, weil es für die Opfer schwer ist, über den Missbrauch zu sprechen, weil sie oft nicht als Opfer wahrgenommen werden. Und das liegt eben auch an der Form der medialen Berichterstattung.

Das sagt auch der Schweizer Philipp Gurt in einem Interview mit dem WDR. Er wurde im Kinderheim jahrelang missbraucht. Eine Erzieherin vergewaltigte ihn als kleinen Jungen. “Es ist einfach schwierig für einen Mann zu sagen, man ist von einer Frau oder von Frauen missbraucht worden. Es ist einfach so, in der Männerphantasie ist das Bild, die Lehrerin verführt den 12-Jährigen. Das gibt es auch in jedem billigen Streifen.”

Fest steht: Frauen missbrauchen häufiger männliche Opfer als weibliche. Bei den männlichen Opfern wird häufig davon ausgegangen, dass sie sich wehren könnten, wenn sie nur wollten. Dabei wird aber vor allem emotionale Abhängigkeit unterschätzt. Der ehemalige Berliner Zuhälter Andreas Marquardt schreibt in seinem Buch Härte – Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt über den Missbrauch durch seine Mutter, nachdem er jahrzehntelang nicht darüber gesprochen hatte. Als er elf Jahre alt war, schlief sie täglich mit ihm. “Dein Schwanz gehört mir”, habe sie ihm gesagt. Jahrelang habe er dabei gedacht, selbst irgendwie mitverantwortlich zu sein für seinen Missbrauch; schließlich habe er die Erektion ja auch genossen. Die Opfer können durch einen solchen Missbrauch schwer traumarisiert werden. So sagte ein 15-jähriger Schüler aus Großbritannien, der von seiner Lehrerin mehr als 50 Mal missbraucht wurde, die Vorfälle hätten bei ihm “tiefe Narben hinterlassen”.

Mit heißen Kurvendiskussionen oder versauten Klassenfahrten hat das Ganze also wenig zu tun. Medien sollten aufhören, Artikel über Missbrauch zu verbreiten, als würde es sich dabei um Pornos handeln. Und Konsumenten sollten aufhören, sie so oft anzuklicken, als wären sie welche.

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