Wenn man sich dazu entschließt, vegan oder vegetarisch zu leben, dann fangen die praktischen Probleme bald so richtig an. Die Einkaufsroutinen funktionieren nicht mehr, Lebensmittel sind oft nicht vegetarisch oder vegan, auch wenn sie so aussehen. Dabei gibt es drei Probleme.
Manchmal verstecken sich tierische Zusatzstoffe hinter kryptischen Bezeichnungen, ein anderes Mal erwartet ein Neu-Vegetarier dort keine Tiere oder es werden Tierprodukte im Verlauf der Herstellung verwendet – dann besteht keine gesetzliche Pflicht, das auch auf die Verpackung zu schreiben. Beispiele gibt es viele – hinter “E120” verstecken sich tote Läuse, für Wein wird Gelatine zur Klärung verwendet (mehr dazu hier), das muss aber nicht aus dem Etikett stehen. Oder kürzlich: Lidl hatte vor einer Weile eine Aktion, bei der sie eine Frischkäse-Schnecke verkauften, die Schweinefett enthielt – was man bei einem Gebäck mit Käsefüllung so erst mal nicht erwartet. Die einen mögen das belächeln und denken, es wäre überzogen, so genau zu sein. Die anderen finden das nur konsequent, das muss jeder für sich alleine entscheiden.
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Für diese Probleme gibt es jetzt vermehrt elektronische Lösungen. Peta 2, die Jugendorganisation von Peta, bietet eine App an, die gewissermaßen eine elektronische, umfassende Einkaufsliste ist. Die ist dabei sehr konsequent: keine Läuse im Essen und auch keinen Honig. Die App eignet sich gut, um den Einkauf vorzubereiten. Einen anderen Weg geht CodeCheck. Mit der App lassen sich Kaufentscheidungen direkt vor Ort überprüfen.
Die App gibt es schon eine Weile, sie scannt den EAN-Code und zeigt die Inhaltsstoffe. Die Suche nach versteckten Tiere ist eine neue, aber nicht die einzige Funktion. Allerdings ist die App in der Vergangenheit schon kritisiert worden, die Quellen seien nicht transparent und auch nicht aktuell. Und es gibt ein weiteres Problem: Tiere in der Herstellung, die ja nicht ausgewiesen werden müssen, werden nicht erkannt. Die App kann nur die Inhaltsstoffe anzeigen, die nach dem Gesetz ausgewiesen werden müssen.
Trotzdem: Die beiden Apps sind eine gute Hilfe, gerade auch für “Anfänger” und gerade auch in Kombination.
Wir haben mit Franziska Grammes von CodeCheck gesprochen, um uns die App erklären zu lassen. Und sorry für das lange Intro, das ist alles nicht so einfach.
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MUNCHIES: Hi Franziska. Wie funktioniert die App?
Franziska Grammes: Mit CodeCheck muss man keine Zutatenliste mehr studieren oder komplizierte Bezeichnungen auswendig lernen – man erfährt alles Wichtige mit einem Scan des Barcodes. Das Ganze funktioniert wie eine Art Übersetzungssystem für Inhaltsstoffe. Bei “Gelatine” ist es leichter – doch wer kann schon was mit kryptischen Bezeichnungen wie Caprylyl Glycol, Acrylates Crosspolymer oder E120 anfangen? Mit CodeCheck erfährt man innerhalb von Sekunden, dass dahinter Palmöl, Mikroplastik oder eben echtes Karmin stecken. Gelatine und echtes Karmin sind Stoffe, die für Vegetarier absolut ungeeignet sind, denn dahinter stecken zermahlene Knochen oder zerquetschte Schildläuse.
Aus welchen Quellen speist sich die App?
CodeCheck funktioniert zum Teil nach dem Wiki-Prinzip: Das heißt, auf der einen Seite gibt die CodeCheck-Community die Angaben, die hinten auf einem Produkt aufgedruckt sind, in unsere Datenbank ein. Werden diese Daten gespeichert, werden sie auf der anderen Seite durch einen Algorithmus mit den Informationen aus der Expertendatenbank abgeglichen und verlinkt. Zu den Experten zählen unter anderem die Verbraucherzentrale Hamburg, die Europäische Kommission, Greenpeace oder der WWF (Schweiz).
Als Beispiel: Wenn Gummibärchen E120 oder Cornflakes Gelatine erhalten, erscheint eine Einschätzung, dass dieses Lebensmittel für Vegetarier nicht geeignet ist. Die Bewertung setzt sich zum Teil aus Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg, zum Teil aus Einschätzungen der wissenschaftlichen Abteilung von CodeCheck zusammen.
Wie stellt ihr sicher, dass die Quellen immer auf dem neuesten Stand sind?
Die Einschätzungen zu Inhaltsstoffen werden von unserer wissenschaftlichen Abteilung stets auf den aktuellen Stand gebracht. Außerdem helfen uns auch die Experten selbst. Die Institutionen und Organisationen haben natürlich auch ein Interesse daran, ihre Daten in unserer App aktuell zu halten und verfügbar zu machen. Zum einen erreichen sie so eine große und junge Zielgruppe, zum anderen haben User die passenden Einschätzungen stets mobil verfügbar.
CodeCheck wurde in der Vergangenheit ein “lockerer” Umgang mit Quellen nachgesagt. Ist das hier auch zu befürchten?
Absolut nicht. Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren Datenquellen und bringen Bewertungen basierend auf deren Einschätzungen oder aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen stets auf den neuesten Stand. Deswegen arbeiten wir mit vielen großen Organisationen auch schon seit Jahren zusammen. Transparenz ist dabei oberstes Gebot: Wir listen unter jedem Inhaltsstoff auf, auf welche Quelle wir uns bei unserer Bewertung beziehen und aus welchem Jahr die Einschätzung stammt.
Sollte man sich nur auf die App verlassen?
Ja, aber nicht blind. Aufgrund des userbasierten Wiki-Systems und der hohen Produktanzahl in unserer Datenbank sind wir natürlich nicht komplett fehlerfrei. Manchmal vertippen sich Leute bei der Eingabe von Inhaltsstoffen oder Produkte bekommen eine neue Rezeptur, behalten aber die gleiche EAN-Nummer. Die Community und auch das CodeCheck-Team selbst arbeiten jedoch ständig an der Verbesserung solcher Fehler. Wir entwickeln derzeit auch eine automatisierte Erkennung von Inhaltsstofflisten, um Fehlerquellen immer weiter zu minimieren. Zur Kontrolle können User die Ergebnisse in der App jedoch auch stets kurz mit den Angaben auf der Rückseite der Verpackung abgleichen und uns bei Fehlern informieren oder direkt selbst verbessern.
Kann die App Alternativen zu Fleisch bieten?
Klar, unter jedem gescannten Produkt erscheinen Alternativvorschläge mit besseren Inhaltsstoffen.
Für manche Veganer geht es schon zu weit, wenn Honig benutzt wird, anderen ist das egal: Ist die App personalisierbar?
Momentan noch nicht, aber in sehr naher Zukunft schon. Diesbezüglich wird es bald größere Veränderungen bei uns geben.
Vielen Dank für das Gespräch.