Das Verhältnis zwischen Graffiti-Künstlern und der Bahn gleicht einer ständigen Jagd. Die einen jagen die Waggons, um sie zu besprayen, die anderen jagen die Sprayer, um sie daran zu hindern. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kennen dieses Spielchen nur allzu gut. Aber Sprayer können die Berliner Öffis auch ohne Dose nerven – wie die Toy Crew nun zeigt.
In ihrem YouTube-Video “Bankraub” gehen die Künstler gegen die neueste Maßnahme der BVG vor: Das Unternehmen hatte vor einigen Wochen an der U-Bahn-Station Kottbusser Tor die Wartesitze für die Fahrgäste abmontiert. Der Verdacht der Künstler: Die BVG will damit Dealer, Obdachlose und andere Menschen, die täglich am Kotti abhängen, vertreiben. Das “bloße Verweilen, ohne Absicht, die Fahrt anzutreten” ist immerhin laut Hausordnung verboten. Die Maßnahme trifft aber auch Rentner, Behinderte und andere Fahrgäste, die auf die Sitzmöglichkeiten angewiesen sind, wenn sie auf die nächste Bahn warten.
Die Toy Crew erklärte in ihrem Video also, dass das bloße Verweilen ab sofort erwünscht sei. Dafür besorgten sich die Künstler einen BVG-Generalschlüssel (der in der Berliner Graffiti-Szene seit Jahren wie die Dose zur Ausrüstung gehört) und klauten Holzstühle aus Bahnsteig-Büros. Anschließend ketteten sie diese dorthin, wo die BVG die Sitzbänke abmontiert hatte. Dem BVG-Sicherheitsteam gefiel das gar nicht, wie das Video zeigt. Sie vertrieben die Leute, die sich schon dankbar auf den Stühlen niedergelassen hatten. Dann knackten sie die Kette und trugen die Stühle weg.
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Alleine der Gedanke an die Toy Crew dürfte der BVG wohl einige Schweißperlen auf die Windschutzscheibe treiben: Die Kunsttruppe spritzte schon ihre U-Bahnhöfe bunter, flutete Waggons mit Herbstlaub oder hängte Blumenkästen an die S-Bahn. Von dem Video will das Unternehmen aber bisher nichts gewusst haben. “Dazu kann ich nichts sagen, ich habe das nicht gesehen”, sagt die BVG-Pressesprecherin Petra Reetz auf Nachfrage von VICE. Dass die Bänke abmontiert wurden, habe einen plausiblen Grund: “Die alten Holzbänke waren hinüber und die Verkehrssicherheit war nicht mehr gegeben”, sagt Reetz, die sich gegen Vorwürfe wehrt, dass so Obdachlose verscheucht werden sollen. “Wir sind eines der wenigen Verkehrsunternehmen deutschlandweit, das zwei Kältebahnhöfe jede Nacht für Obdachlose zur Verfügung stellt”, erklärt Reetz. Der “Anti-Verweil-Passus” in der Hausordnung sei nur der Versuch, gegen Drogendealer vorzugehen.
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Die BVG hatte erst letzte Woche wegen dieses Passus in der Hausordnung eine Schlappe vor Gericht hinnehmen müssen. Ein schwer beladener Mann – und offensichtlich kein Dealer – hatte sich im vergangenen Jahr kurz am Alexanderplatz ausgeruht, drei Minuten später versuchte ihn die BVG-Sicherheit zu verscheuchen. Anschließend kassierte er wegen eines Witzes sogar einen Platzverweis samt Strafbefehl über 600 Euro. Der Mann widersprach vor Gericht – und bekam Recht.
Damit in Zukunft die Fahrgäste wieder sitzend auf die U8 am Kotti warten können, muss die Toy Crew nicht nochmal kommen. “Die neuen Metallsitze, die auch schon an anderen U-Bahnhöfen stehen, sind bestellt, aber kommen erst Anfang April”, sagt Pressesprecherin Petra Reetz. Bis dahin fällt der Toy Crew vielleicht wieder etwas ein.
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