Von Bushido-TV bis PA Sports’ Putzfrauen-Angst: Ein Rückblick auf 30 Tage Deutschrap-Wahnsinn

Neues Runde, neues Glück! Willkommen auf dem Rummelplatz des Rap-Zirkus, wo Rapper durch brennende Reifen oder über Stöckchen springen, Nieten und Hauptgewinne im Sekundentakt verteilt werden und der Zuschauer noch was bekommt für sein Geld. Hier gibt unser Autor Juri Sternburg regelmäßig den Parklotsen auf dem Autoscooter und versucht, die Ereignisse zu ordnen, bevor es zum Massencrash kommt.

PA Sports gegen die Ungerechtigkeiten der Welt

PA Sports ist bekanntermaßen sehr daran gelegen die Probleme dieser Welt per Videobotschaft zu lösen. Wer erinnert sich nicht an seinen Lösungsvorschlag, als sich Tausende Kommentatoren im Internet über die schwere Verletzung des Rappers Dr. Knarf lustig machten: “In den Arschlöchern der Hurentöchter, die euch großgezogen haben, sollen Propangasflaschen explodieren. Inshallah kriegt ihr alle Aids!”

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Antisemitismus im Rap ist für den Rapper zwar kein Problem (“Das gibt es nicht!”), wie er in der WDR-Doku “Die dunkle Seite des deutschen Rap” klarstellte, aber es gibt ja auch noch ganz andere Probleme. Feminismus und Gleichberechtigung zum Beispiel. Der gute PA findet es sehr ungerecht, dass Frauen sich dauernd über Belästigungen von Männern beschweren, er aber “jeden Tag” die Putzfrau in der Umkleide seines Fitnessstudios ertragen müsse.

https://www.youtube.com/watch?v=yWv3WReT1-I

Und während ich mich noch fragte, warum die Putzfrau ausgerechnet jedes Mal, wenn PA sich nackig macht, putzen muss und wieso es für einige Männer so schwer zu begreifen ist, dass Frauen strukturell unterdrückt und benachteiligt werden, und die Suche des vermeintlich starken Geschlechts nach eigenen Problemchen ziemlich lächerlich wirkt, streamte PA Sports fröhlich weiter. Und veröffentlichte kurzerhand und unbeabsichtigt die Aufnahme eines nackten Kunden im Fitnessstudio, der sich im Hintergrund gerade umzog. Auf dass die Putzfrauen dieser Welt sich endlich zu Hause aufgeilen können und nicht mehr in die Umkleide schleichen müssen, wenn sie sich an männlichen Genitalien erfreuen möchten. Inshallah sind damit alle Probleme dieser Welt gelöst.

Mein Lieblingskommentar im Netz zum Gym-Gate: “Alles halb so wild, solange die Putzfrau nicht aus Israel kommt!”

Kool Savas und seine Untertanen

Seine Durchlaucht, King von und zu Rap, Kool Savas hat uns vergangenen Monat mit so vielen Weisheiten überschüttet, dass wir ihm gleich mehrere Absätze widmen müssen. Aber der Reihe nach. Als König des Sprechgesangs ist es natürlich die Aufgabe des Monarchen, seine Untertanen geistig zu fordern. Dass dies am besten über Gleichnisse und Metaphern funktioniert, wussten schon die alten Griechen. (Platon, Sokrates, Aristoteles – nicht etwa Costa Cordalis). Der gute Savas also möchte das Volk derzeit unbedingt von der “Arschdusche” überzeugen. Und veröffentlichte dazu folgenden Vergleich:

Erst einmal: Wir sind total bei dir, Savas. Diese Duschen sind wirklich sehr reinlich. Aber einige Fragen drängen sich doch auf: Wer isst einen Teller voll Nutella? Wieso vergleicht Savas Nahrung, die man in seinen Mund tut, mit ehemaliger Nahrung, die aus dem Hintern rauskommt? Und vor allem: Warum ist ihm das so wichtig? Hat er eventuell in eine Arschduschen-Firma investiert? Wir sind gespannt.


Noisey-Video: Zu Besuch bei Deutschlands einzigem Grillz-Hersteller


Apropos Investitionen: Kürzlich erfreuten Savas & Sido sämtliche Fans von abstrusen Kombos mit der Veröffentlichung des Videos zu “Hodln” (Das ist kein Schreibfehler, der Song heißt so). In diesem Bitcoin-Song berichten die versammelten Rapper (von Basti Trailerpark über Felix Krull bis zu Yassin), wie sie voll stylish Kohle scheffeln. Mit Kryptogeld. Und wie sie dann jeden Morgen die Kurse checken. Das hat ungefähr so viel Style, Swag und Ironie wie ein Date von Carsten Maschmeyer und Veronica Ferres.

Kool Savas also, der Realkeeper überhaupt, der “Ich beschwer mich, dass auf dem splash!-Zeltplatz auch Techno läuft”-Rapper, holt sich irgendeinen Bitcoin-Guru ins Video und rappt über Aktienkurse. That’s HipHop, Bro! Bald dann bitte einen Song darüber, dass man sein Merchandise voll günstig in Sri Lanka herstellen kann oder einen spontanen Freestyle über die Vorzüge von Rentenversicherungen.

Und weil man sein Volk nicht nur intellektuell fordern und ihnen Anlegetipps geben sollte, sondern sie auch mit harter Hand erziehen muss, hat Savas noch mal kurz verkündet, dass es ihm reicht. Laut KKS würden immer mehr Menschen in Berlin “Kotte” statt “Kotti” sagen. (Für alle Menschen, die nicht das Glück hatten, in Kreuzberg geboren worden zu sein: Das Kottbusser Tor ist gemeint.) So geht’s natürlich nicht. Ich bin übrigens am (nicht etwa auf dem) Kotti geboren und aufgewachsen. Und niemand, wirklich absolut niemand hat jemals “Kotte” gesagt. Zumindest bisher, denn seit Veröffentlichung des “Kotte”-Gates ist es der neueste Trend, sich absichtlich am “Kotte” zu verabreden. Danke dafür, Savas. Und google doch mal “Streisand-Effekt”.

Mein Lieblingskommentar im Netz zum Kotte-Fall: “Früher hätte es geheißen: Ich hab mich mit Henning und Anna lieber NICHT AM KOTTI getroffen, sonst hätte ich diesen Tweet mit meinem Handy nicht machen können!”

Kollegah & Farid Bang gegen den Rest

Es gibt wahrscheinlich nichts, was zu diesem Thema noch nicht gesagt wurde. Deswegen fasse ich mich lieber kurz. Der Echo ist bekanntlich tot. Jede Mutti aus Wuppertal kennt inzwischen Kollegah und Farid Bang. Die beiden haben nun eine Einladung ins KZ Auschwitz angenommen und einen todlangweiligen Song veröffentlicht, in dem sie noch mal kurz das Echo-Thema benutzen, um zu zeigen, was für unglaubliche Querdenker sie sind. Die einzig wirklich gute Line auf dem Track kommt dann auch von Summer Cem und hat Gott sei Dank endlich mal nichts mit dem Echo zu tun. “Ich könnt auch in ‘ner Favela in Brasilien enden / Und fick ohne Kondom weil ich Familienmensch bin”.



Ansonsten bleibt noch zu sagen: Der Echo ist nicht der verfluchte Pulitzer, sondern ein beschissener Kommerzpreis, den niemand geil findet. Man kann jetzt also damit aufhören, den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören, weil ein Vollhonk wie Kollegah Profit durch Tabubruch machen möchte. That’s all, folks!

Mein Lieblingskommentar im Netz zum Echo-Debakel: “Kollegah größter Lellek dieser Erde”

Bushido und die Talkshowmaster des Landes

Bushido is back! Nicht etwa musikalisch oder auf seinem Grundstück in Kleinmachnow, sondern in den Fernsehstudios der Nation. Warum das so ist, bleibt ein Rätsel. Dort, wo eigentlich Wolfgang Bosbach seine dezente Ski-Bräune präsentiert, sitzt in letzter Zeit also wieder Sonny Black. Erst besuchte er Serdar Somuncu in seiner Fernsehsendung, nun Maischberger. Konnte man sich die Somuncu-Show aufgrund der absoluten Unfähigkeit des Gastgebers ein Gespräch zu leiten, leider keine drei Minuten anschauen, hielt ich es bei Maischberger etwas länger aus. Während irgendwelche uninteressanten Menschen und ein alter, weißer ZDF-Mann namens Peter Hahne ewig darüber diskutierten, warum Peter Hahne nicht “Zigeunerschnitzel” sagen darf, ob Peter Hahne das N-Wort aus Pippi Langstrumpf streichen würde und wieso Peter Hahne eigentlich der wichtigste Peter auf diesem Planeten ist, schien Bushido gedanklich bereits beim Beobachten des eigenen Aquariums zu sein. Konnte man ihm nicht verübeln. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden dann irgendwelche uralten Bushido-Lines herausgekramt, um zu demonstrieren, wie verwerflich derartige Texte sind. Bushido hörte sich alles an und verkündet dann, dass er die Zeile “Du wirst in Berlin in den Arsch gefickt wie Wowereit” gerne zurücknehmen würde, wenn der ehemalige Bürgermeister erklärt, dass er gar keinen Analverkehr hat. Hätten wir das auch geklärt. Bleibt festzustellen, dass die ganze Diskussion ziemlich schwach und überflüssig war. Warum der “Ziegenficker” von Böhmermann Kunst ist, aber Bushidos “Deine Mutter ist ‘ne Hure, weil sie Hefeweizen tankt” nicht, konnte auch nicht geklärt werden. Schade!

Mein Lieblingskommentar im Netz zum Maischberger-Auftritt: “Wo hat Bushido seinen Pulli gekauft?”

Dinge, über die ich diesen Monat lieber nicht rede

Ali As’ Version von Falcos “Jeanny” (What the Fuck?!). Die Auszeit von Sierra Kid. Alles, was mit Animus zu tun hat. Kanye West und seine wahnsinnigen und überflüssigen Promo-Versuche. Heinz Rudolf Kunze und seine Aussage “Von der ganzen Rapmusik (…) wird nichts übrig bleiben.” Diese grauenhaften Balenciaga-Sneaker. Sechs Jahre Haft für Hamad 45. Die lyrische Qualität des Yung Hurn-Albums.

Dinge, auf die ich diesen Monat gerne hinweise

Schwesta Ewas Single “Geständnis”. Starker Track, interessantes Thema, überzeugende Attitude. Die Angry German EP von Die Achse aka Farhot & Bazzazian. Und natürlich Seebach! Grüße gehen raus an Seebach!

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