Von der wohltuenden Kraft einer guten chinesischen Suppe

„Hast du deine Suppe schon gegessen?” – diese Frage höre ich von meiner Mutter, seitdem ich alt genug bin, einen Löffel zu halten. Das Gleiche gilt wahrscheinlich für viele, viele andere asiatische Mütter.

Als Kind hasste ich es, dieses Gebräu zu trinken, für das sie stundenlang Gemüse geschnitten, gewürzt und gekocht hatte. Die mit Liebe zubereitete Brühe aus Lotuswurzeln mit Erdnüssen oder die Apfel-Birnen-Kräuter-Suppe landete oft im nächstbesten Blumentopf, wenn keiner hingeguckt hat.

Videos by VICE

Was mein mäkeliges jüngeres Ich jedoch nicht erkannt hat: In der chinesischen Küche ist eine Suppe noch so viel mehr als nur eine Schüssel mit Flüssigkeit. Egal ob Hühner-Ginseng-Suppe gegen Asthma oder eine wohltuende Suppe aus Brunnenkresse (sai yeung choi tong) oder Suppen aus seltenen essbaren Vogelnestern, die das Hautbild verbessern sollen – chinesische Köche nutzen Suppen seit Jahrhunderten als Medizin.

„Suppe spielt eine große Rolle in der chinesischen Küche und Kultur. Sie wird nicht nur wegen des Geschmacks, sondern auch wegen der Nährstoffe und ihren gesundheitsfördernden Eigenschaften gegessen”, erklärt David James Lee, der traditionelle chinesische Medizin in der englischen Grafschaft Derbyshire praktiziert. „Die Kombination aus natürlichen Zutaten und chinesischen Kräutern sollte nicht nur vorbeugend wirkend, sondern auch die Gesundheit und das Wohlbefinden direkt beeinflussen. Sie gilt bei vielen als wirksame Medizin.”

Frische Zutaten für eine Suppe – zu Besuch in der Küche des Sichuan Folk in London

Traditionell werden chinesische Suppen mit frischem Gemüse, magerem Fleisch und Fisch gemacht und dann mit Ingwer- oder Ginsengwurzeln gewürzt. Manchmal verwendet man auch ungewöhnlichere Zutaten, wie zum Beispiel chinesische Morcheln oder chinesische Yamswurzel. Einige Suppen sollen entschlackend wirken, andere den Blutdruck senken oder den Organen gut tun. Mit der richtigen Suppe soll man auch das innere Gleichgewicht von Yin und Yang wiederherstellen können.

„Yin und Yang sind die Grundlage der chinesischen Medizin. Das heißt, sobald der Körper irgendwie krank ist, gibt es ein Ungleichgewicht der beiden im Körper”, erklärt Dr. Ji Sang, Spezialist für chinesische Pflanzenheilkunde im Chinese Medical Centre in London. „Bei chinesischen Kräuterheilkunde geht es immer um das Wiederherstellen des Gleichgewichts zwischen Yin und Yang, wenn es dem Körper nicht gut geht.”

Die Suppen aus der asiatischen Küche haben entweder eine wärmende oder eine kühlende Wirkung. Je nach Leiden bekommt der Patient (oder eine heranwachsende Tochter mit Suppenphobie) eine bestimmte Suppe „verschrieben”.

„Mit Suppen und Brühen kann man den ganzen Körper behandeln, nicht nur Symptome”, meint Sang weiter.

Stundenlang bereiten die Köche im Sichuan Folg die Knochen- und Gemüsebrühen vor

Um herauszufinden, wie diese Suppen gekocht werden, besuche ich Chao Zhang, den Besitzer der Restaurants Xi’an Impression und Sichuan Folk in London. Beide Läden servieren speziell die Küche der Shaanxi-Provinz, darunter auch verschiedene Suppen.

„Viele Suppen auf unserer Karte beginnen mit einer frischem Brühe, entweder mit Huhn, Schwein oder Gemüse als Grundlage”, erklärt Zhang. „Unsere Köche kommen Stunden vorher zur Arbeit, um alles vorzubereiten, denn wir benutzen viel Knochen- oder Gemüsebrühe als Grundlage für unsere Suppen, Saucen und andere Gerichte.”

Indem man die Brühe langsam kocht, können sich die Aromen wunderbar entfalten und das Ganze kann gut durchziehen. Zhang zeigt mir die Küche des Sichuan Folk, die Köche bereiten gerade eine Schweinebrühe zu und eine traditionelle scharf-saure Suppe. Mit Löffeln bewaffnet schwelgen wir in Erinnerungen an unsere Mütter, die uns zur Suppe zwingen wollten.

Suppe mit zartem Schweinefleisch und Gemüse

„Meine Mutter hat mich auch immer gedrängt, viel Suppe zu essen”, lacht er. „Als Kind liebte ich Suppen mit Ei und Tomate, Algen, Lamm und sogar Innereien.”

Seine Schweinesuppe hat eine himmlische Konsistenz. Dieses Mal brauche ich keine mahnende Mutter, um wirklich auch den letzten Schluck dieser wärmenden Suppe aufzuschlürfen.