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IRL, URL, AFK—Das ‚De:Bug‘-Magazin macht dicht

Am Dienstag meldete das Magazin ‚De:Bug‘ die Einstellung des Heftes nach bisher 180 Ausgaben. Wir sprachen mit ‚De:Bug‘-Urgestein Sascha Kösch über Hintergründe und Perspektiven.

Foto oben: Screenshot De-bug.de | Foto unten: © Sascha Kösch

Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen unser Medienkonsum. Am Dienstag meldete das Magazin De:Bug die voraussichtliche Einstellung des Heftes nach bisher 180 Ausgaben. Wir sprachen mit De:Bug-Urgestein Bleed alias Sascha Kösch über die Hintergründe und Perspektive des Magazins.

„Willst Du eine Zeitung kaufen?" Diese Frage steht am Anfang eines Abschiedsbriefes. Formuliert wurde sie am Dienstagabend von De:Bug-Mitbegründer, Mitherausgeber, Redakteur und Autor Sascha Kösch auf der Webseite des Magazins für „Elektronische Lebensaspekte". Willst Du eine Zeitung kaufen? Gute Frage! Wer hat das Geld und den unternehmerischen Mut, ein Blatt zu übernehmen, das 180 Ausgaben lang als Speerspitze deutscher Musik-, Netz- und Nerdkultur galt, das schon länger mit einer schwierigen Situation konfrontiert war und dessen Leserschaft so spitz aufgestellt ist, dass sich das Magazin nur mit drastischen Eingriffen für ein breites Publikum inhaltlich öffnen ließe.

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Die Frage geht aber noch weiter, auf der rhetorischen Ebene: Willst Du etwas kaufen? Ist Dir Kultur etwas wert? Bist Du bereit, heutzutage für Musikjournalismus und Netzpolitik zu bezahlen? Eine Frage als Aufforderung, aber auch als zweifelnde Bestandsaufnahme am Medienkonsum unserer Zeit. Dabei ging De:Bug—im Gegensatz zu eigentlich allen Printtiteln am Markt—so weit, ihre Ausgaben im Nachhinein zugänglich zu machen: als PDF, kostenfrei, zeitlich unbegrenzt und für alle.

De:Bug wollte immer alles vereinen: Musik, Technik, Netz, Selbstbeherrschung", erklärte Kösch im weiteren Verlauf der öffentlichen Stellungnahme. „Wir wollten die Schnittstelle zum Glück sein. Das Glück aber liegt am Ende wohl nicht unbedingt zwischen gedruckten Seiten." Nach sechzehn Jahren und bisher 180 Ausgaben soll mit Heft #181 Schluss sein. Fiele De:Bug tatsächlich weg, bliebe eine klaffende Lücke in der deutschsprachigen Presselandschaft. Clubmusik gehörte immer dazu, klar. Aber wenige andere Medien berichteten regelmäßig so klug, selbstverständlich und inspirierend von LEDs, Internetzensur, Filesharing, Genderfragen, Musiktechnik—also über den gesamten Themenmix unseres popkulturellen Alltags. IRLURL und AFK—also der reelle Alltag wie auch die digitale Welt gehörten für De:Bug ganz selbstverständlich zusammen.

Die gesamte Stellungnahme zur Einstellung von De:Bug kannst du hier nachlesen. Reaktionen zur Magazin-Einstellung gibt es hier. Im Folgenden sprachen wir mit Sascha Kösch zu den Hintergründen und der Perspektive von De:Bug.

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Heute selbst unter Druck: das De:Bug-Magazin (Abb.: De:Bug #140, März 2010 | Weitere Ausgaben)

THUMP: Sascha, die De:Bug hätte in den frühen Tagen noch Buzz heißen sollen. Auf eurer Webseite findet sich derzeit ein polemischer Text zum baldigen Deutschlandstart von Buzzfeed. Und nun soll De:Bug eingestellt werden. O Tempora, o mores, möchte ich fast sagen. Oder: Ironie des Schicksals? Das Internet, das in De:Bug stets eine zentrale Rolle spielte, macht das Heft, oder wenigstens die Medienlandschaft kaputt?

Interview Sascha Koesch De:Bug

Sascha Kösch: Klingt vielleicht etwas irre. Ja. Aber nein, nein, nein, das Internet hat uns definitiv nicht kaputt bekommen. Wir lieben dieses gelbe Scheißding. Die Geschichte ist viel komplexer und gleichzeitig viel einfacher. Klar, es driften viele Anzeigenvolumen von Print ins Netz, darunter leiden eigentlich alle Zeitungen und Magazine, bei uns ist das auch schmerzlich spürbar. Obendrein drehen sich gleichzeitig die Anzeigen im Printmarkt—es ist schon müßig über Anzeigen reden zu müssen, so ist das im Print, die tragen sich alle vor allem über Anzeigen—immer mehr in Richtung Masse. Klein aber fein denkt keiner mehr. Und wir sind nun mal so klein, auch wenn es uns an überdrehtem Weltherrschaftswahn nie gemangelt hat. Eigentlich hatten wir De:Bug von Anfang an als Retroding auf Papier gestartet. Das konnte man früher auch deutlich sehen. Papier, wie altmodisch. Wie gut aber auch. Auch deshalb waren wir Anfangs eine Zeitung, kein Magazin.

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Wann hat sich abgezeichnet, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Magazins nicht mehr gegeben war?
Das letzte Jahr sind unsere Reserven schon Stück für Stück dahingeschmolzen und wir haben so als Eisbären auf der letzten Scholle um jeden Fisch gekämpft. Wir waren fast immer ein Magazin, das eher von Monat zu Monat gelebt hat. Auch finanziell. Auch das ein Grund, dass wir nie wirklich in den Ausbau anderer Dinge investieren können. Einer GmbH leiht man auch ungern Geld, da fehlen dann die ‚Sicherheiten'. Und selbst die tollste Idee lässt sich mit einer Crew, die ihre Kraft für das Magazin aufreibt, nicht noch nebenher stemmen.

Auf eurer Webseite fragt ihr: Willst du eine Zeitung kaufen? Läge—die Historie und thematische Ausrichtung des Magazins gegeben—nicht eine Crowdfunding-Kampagne nahe?
Klar. Wir haben schon öfter über Crowdfunding nachgedacht. Nur ist ein Magazin ja auch etwas, das man relativ stabil planen muss, und nicht ein Projekt, das einmal läuft. Da ist Crowdfunding nicht so wirklich die passende Methode. Wie oft kann man wirklich hingehen und sagen: jetzt aber, jetzt seid ihr gefragt, bitte bitte helft uns. Das erzeugt auch innerlich das Gefühl, dass man ständig betteln muss.

Ihr habt euch 2004 schon einmal neu erfunden: vom Zeitungs- ins Magazinformat. Ist für eure Longform-Texte nicht genug Platz im Internet, wenn Print schon nicht mehr recht will? Stichwort: Paywall?
Ich glaube, lange Texte im Netz sind gar nicht so schlimm. Nicht ohne Grund ist Longform ja auch ein Internet-Begriff. Lange Texte sind immer eine frage der Präsentation. Komplizierter wird es bei Specials, mehreren Texten rings um ein Thema, die auf Papier so gut durchzublättern und zu genießen sind, sich im Netz dann eher als vereinzelte Dinge verlieren können. Da ist eine Tablet-Variante sicher besser um die Dinge, die nicht auseinander driften sollen, zusammenzuhalten. Das Netz ist ja auch sehr punktuell geworden. Auf Facebook gesehen, schnell rein, schnell raus. Paywall geht uns ideologisch schlichtweg gegen den Strich. Das hat so etwas zwangsneurotisches.

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Wie geht es weiter? Wann erscheint das nächste Heft?
Das nächste Heft kommt—wenn es nach uns geht—am 1. April. Da werden es die Abonnenten jedenfalls in den Händen halten. Am Kiosk dann ein paar Tage später. Der Rest ist Zukunftsmusik. Noch wissen wir da wenig.

Die aktuelle Ausgabe De:Bug #180 ist im Handel erhältlich, das nächste Heft erscheint—voraussichtlich—am 1. April (kein Scherz).

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