Warum ein Trainingslager besser als jeder Festival-Besuch ist
Foto: Imago/Matthias Koch

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Warum ein Trainingslager besser als jeder Festival-Besuch ist

Du überlegst, für welche Festivals du dein Erspartes vergeudest? Es ist Zeit umzudenken: Begleite lieber deinen Verein ins Trainingslager. Es wird nicht weniger gesoffen, dafür kann man den Künstlern nie so nah sein.

Während sich der durchschnittliche Fußballkonsument in der spielfreien Zeit in der Sommerpause mit Mallotze-Fahrten, Transfergerüchten und zweitklassigen Kicks der indischen Futsal-Liga am Leben hält, genießen tausende Fußballverrückte eine der besseren Wochen des Jahres, wenn nicht sogar die beste. Falls du bisher noch nie den Verein deines Vertrauens bei einem Auswärtstrainingslager begleitet hast, erklären wir dir hier, warum die kurze Flucht aus dem Alltag besser an der Seite deiner Lieblingsmillionarios funktioniert als auf einem Musikfestival.

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Es gibt wesentlich weniger Nervensägen und Arschlöcher

Kommen wir gleich zum wichtigsten Punkt für eine schöne Zeit: Es gibt weniger Nervensägen. Damit ist nicht das Fehlen von überdimensionierten Polizeiaufgeboten gemeint (das kommt erst später), sondern der Fakt, dass Fußballanhänger letztlich wie eine große Familie funktionieren. Ja, man mag niemals alle Familienmitglieder, wenn man nicht Camden mit Nachnamen heißt und der Vater ein Pastor ist. Aber auf einer Familienfeier haben die anwesenden Aufmerksamkeitsneurotiker und Partyfotografen bereits gelernt, was man toleriert und was nicht. Auf einem Festival hingegen wird regelmäßig die eigene Ausgeglichenheit/geistige Abstinenz von den verschiedensten Typen von Arschlöchern getestet.

So sehen ganz normale Menschen aus Foto: Imago

Angemessene Verpflegung

Das Grundproblem ist das gleiche: Wie bekommt man möglichst viel gekühlten Alkohol möglichst nah an den Ort des Geschehens? Doch während man für Festivals unverhältnismäßig gut ausgerüstet sein muss, um nach spätestens elf Stunden zu bemerken, dass die Utopie des Fasses ohne Boden eine Utopie ist, gibt es auf einem Trainingslager bequeme und wiederaufladbare Möglichkeiten der Versorgung. Menschliche Errungenschaften wie Strom und Kühlschrank (bei Aufenthalt in einem Hote) oder Strom und Supermarkt (bei Aufenthalt auf einem Campingplatz) sind hier nahezu ohne Aufwand nutzbar. Um etwaige Einwände nicht unberücksichtigt zu lassen: Ja, auch Festivals kann man zwecks Versorgung verlassen. Sich als Gruppe stinkender Penner mit auffälligen Pupillen überfordert durch einen Supermarkt zu tasten ist aber bei weitem nicht so geil, wie in unpraktischer Kleidung (kurze Sachen und ein Schal bei 25 Grad im Schatten) eine Kleinstadt mit Vereinsstickern zu tapezieren, während man zum Supermarkt schlendert. Was? Hast du Vandalismus gesagt?

Nähe zu den Künstlern

Legale und illegale Drogen sind auf Auswärtsfahrten meist der kleinste gemeinsame Nenner aller Anwesenden—neben dem Unterhaltungsprogramm. Während der Drogenkonsum in beiden Fällen hauptsächlich von übereifrigen Zivilpolizisten gestört wird, gibt es beim Kontakt mit den Künstlern deutliche Unterschiede. Im Trainingslager wird an der Hotelbar ein gemeinsames Bierchen mit einem Mitglied des Trainerstabs nicht selten durch Geschichten aus dem inneren Kreis der Künstlergruppe aufgewertet. Auch der Kontakt mit Spielern ist aufgrund der Nähe und der zumeist überschaubaren Freizeitmöglichkeiten vor Ort so zwangsläufig wie ungezwungen. Auf Festivals hingegen meiden die meisten Musiker die verstrahlten Menschenmassen, um nicht zu enden wie eine Dreijährige, die mit Trockenfutter in der Hand in der Mitte eines Streichelzoos ausgesetzt wurde.

Wo kann man seinem Idol so nah sein? Foto: Imago

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Man verliert seine Freunde weniger schnell

Auf Festivals ist es eigentlich unmöglich, ein ganzes Wochenende durchzukommen ohne sich einmal bei der einen Frau, die auch mit Kotze auf dem Shirt wunderschön ist, selbstbewusst aber ohne Timing zu performen, während die eigene Partycrew zur Bühne weiterzieht. Die nötige Wiedervereinigung ist zwar nicht unmöglich, doch die vergeudete Energie für die Suche nach den Freunden und die verlorenen Promille durch den plötzlichen Ausschuss von Adrenalin muss man ehrlicherweise als unnötige Widrigkeit einstufen. Auf Trainingslagern ist das anders. Egal wo und warum man sich verliert, man kann sich auf die problemlose Reintegration in die Gruppe am Ort des nächsten Geschehens (Stadion, Trainingsplatz, Teamhotel, Strippclub) verlassen—und sich gemütlich mit dem gekühlten Bier in der Hand von den eigenen Wünschen und Bedürfnissen durch die Nachmittagswärme leiten lassen, während sich der milde Sommerwind um das Vereinstattoo auf der Wade schlängelt.

Bewegungsfreiheit

Während die Begriffe Festival und Bewegungsfreiheit keinen gemeinsamen geistigen Vorfahren zu haben scheinen, kommt man sich als Fan in einem Auswärtstrainingslager vor wie ein Stadt-Husky, der ohne Leine, sprich ohne Polizeieskorte, seinen Bewegungsdrang in der Öffentlichkeit ausleben darf. Glück sieht für einen Auswärtsfahrer so aus: Niemand, der auf eine Ordnungswidrigkeit mit polizeilichem Verwahrsam reagiert. Niemand, der willkürlich den Befehl zum Gehen und Stehen gibt. Und niemand, der dich für deine bloße Präsenz in eine Datenbank einträgt.

Und diese paradiesischen Zustände auf der längsten Auswärtsfahrt des Jahres—ein Traum.

Dummys für die Freistoßmauer als Transpi-Halter? Im Süden geht alles. Foto: Imago

Kulinarisches Angebot

Die Verpflegung auf Musik-Festivals bekommt in der Regel einen kundenunfreundlichen Spagat zwischen Preis und Qualität hin. Auch die Umgebung gibt meist nur die Wahl zwischen einem räudigen Imbiss und einem zwielichtigen Italiener her. Klassische Orte für Trainingslager wie Belek (Lammspieß), La Manga (Paella) oder die Steiermark (Backhendl) sind hingegen Versprechen für den Gaumen, die auch gehalten werden. Wer das nicht glaubt, sollte in der kommenden Spielpause der Bundesliga mal ein Festival weglassen und dafür dem Verein seines Herzens folgen, um sich vor Ort selbst von den Vorteilen zu überzeugen.