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Chicago Bulls

Paul Zipser erklärt uns, wie er sich in der NBA durchgebissen hat

Nach Anfangsschwierigkeiten ist Paul Zipser aus dem Team der Chicago Bulls kaum wegzudenken. Unser Autor traf ihn in Chicago, um mit ihm über die Mechanismen der NBA und seinen Kumpel Schweinsteiger zu sprechen.
Foto: Maddie Meyer / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / AFP

Paul Zipser nimmt einen Wurf nach dem anderen. Noch einen Wurf und noch einen. Wie ein Tiger läuft er dabei den Halbkreis um den Basketballkorb ab. Die Distanz zur Reuse: fast siebeneinhalb Meter. Die Bewegungsabläufe sind immer gleich. Der Wurf sitzt nicht immer, aber ein Großteil seiner Versuche trifft das Ziel. Paul Zipser ist zufrieden mit seiner Extraschicht, während die meisten seiner Teamkollegen der Chicago Bulls schon unter der Dusche sind. Der deutsche Nationalspieler arbeitet hart für seinen Traum in der NBA – und es zahlt sich aus. Nach einigen Höhen und Tiefen in seiner Rookie-Saison hat er schließlich die Chance genutzt und ist ein fester Bestandteil in der Rotation der Bulls. Fred Hoiberg sagt auf Nachfrage: "Er hat seine Rolle gefunden und macht seinen Job gut." Während Zipser zu Beginn der Saison zwischen Bank und D-League pendelte, ist er nun Starter oder sechster Mann. In den Playoffs gegen die im Osten an Nummer eins gesetzten Celtics spielt er 21,4 Minuten und macht 7,4 Punkte im Schnitt.

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Unser Autor sprach nach dem Training in Chicago mit dem 23-jährigen Heidelberger über seine erste Saison in der besten Basketball-Liga der Welt und über seinen Kumpel Schweinsteiger, der nun auch in Chicago arbeitet.

VICE Sports: Dein Coach Fred Hoiberg hat gesagt, du hättest deine Rolle im Team der Bulls gefunden. Was kann dein Coach damit meinen?
Paul Zipser:Ich bin der Typ, der hinten einfach mal einen Gegenspieler stoppt und Energie ins Spiel bringt. Ich versuche, durch Sprints auch Tempo reinzubringen – selbst, wenn letztlich nichts Zählbares dabei rausspringt. In der Offensive möchte ich keine wilden Würfe nehmen und die sicheren Dinger treffen.

Es hat etwas gedauert, bis du deine „Rolle" gefunden hast. Zwischenzeitlich warst du kurz in der D-League beim Farm-Team der Bulls. Erst Mitte der Saison bist du dann durchgestartet.
Ich wusste von Beginn an, dass es schwer werden würde, in die Rotation der Bulls zu kommen. Ich wusste aber auch, dass ich meine Chance bekommen werde – allerdings erst recht spät in der Saison. Und genauso ist es auch gekommen. Für einen Rookie habe ich insgesamt viel Spielzeit bekommen.

5,5 Punkte und 2,8 Rebounds im Schnitt pro Spiel – das ist sehr ordentlich.
Die Saison ist ungefähr so verlaufen, wie ich es mir erhofft habe.

In seinem bis dato besten NBA-Spiel kam Zipser auf 21 Punkte (5 Dreier) und sechs Rebounds

Dabei waren die Chicago Bulls alles andere als konstant in dieser Saison.
Ich habe hier ein komplett neues Team vorgefunden. Aus der vergangenen Spielzeit waren nur noch drei, vier Spieler hier. Wir brauchten Zeit, um zusammenzuwachsen. Wir haben über die ganze Saison Erfahrungen gesammelt, Höhen und Tiefen erlebt und ehrlich gesagt erst kurz vor Beginn der Playoffs unsere Rotation gefunden. Wir hatten mit Verletzungen zu kämpfen, mussten häufig auch taktisch umstellen, viel verändern. Das sorgt dafür, dass das Team keinen Rhythmus hat. Ein Team ohne Rhythmus hat eben Höhen und Tiefen.

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Zwischenzeitlich gab es Ärger innerhalb der Mannschaft – von Grabenkämpfen war zu lesen. Der Protagonist: Rajon Rondo – und zwar gegen Dwayne Wade, Jimmy Butler und das ganze Team.
Da muss ich etwas klarstellen: Diese Phase kam nicht von Rondo, sondern von zwei anderen Spielern aus dem Team. Im Gegenteil: Rondo hat sich vor unser sehr, sehr junges Team gestellt und die schützende Hand über uns gehalten. Davor habe ich großen Respekt. Es hätte auch anders für ihn ausgehen können. In dieser Liga passieren viele Dinge sehr schnell.

Warum haben sich dann alle auf Rondo eingeschossen?
Seine Saison in Dallas ist nicht gut gelaufen. Aber er ist ein ganz anderer Typ, als es die Medien darstellen. Wenn ich einen Spieler raussuchen müsste, der am meisten für das Team macht, dann ist es Rondo – egal ob auf dem Court oder daneben. Ich hätte mir in der Phase gewünscht, dass wir als Team ein bisschen mehr zusammenstehen. Leider war das nicht immer der Fall. Aber das haben wir nun hinter uns und es ist aus der Welt.

Du hast zwischenzeitlich auch mal Gegenwind gespürt – von den eigenen Fans. Beim Heimspiel gegen Philadelphia bist du ausgebuht worden.
Ach, das hat mich nicht getroffen, muss ich ehrlich sagen. Auch, weil die Buh-Rufe der Fans ja nicht ausschließlich gegen mich gerichtet waren. Wir waren zwischenzeitlich weit hinter den Erwartungen zurück, die Playoffs waren in weiter Ferne. Da haben die Fans jedes Recht, ihren Unmut zu äußern. Wir waren ja auch nicht zufrieden.

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Mittlerweile werden die Bulls wieder gefeiert.
Zum Glück haben wir die Kurve bekommen und stehen in den Playoffs. Unsere Fans sind jetzt natürlich wieder da. Zum Glück.

Du durftest in der regulären Saison sogar regelmäßig in der "Crunchtime", der entscheidenden Phase des Spiels, auf dem Feld stehen.
Es ist ein gutes Gefühl, wenn man am Ende der Partie noch auf dem Feld steht, der Mannschaft mit seinen Aktionen helfen kann und vielleicht sogar das Spiel für das Team gewinnt.

Bastian Schweinsteiger, dein Kumpel damals bei Bayern München, hat dein Spiel gegen den Meister aus Cleveland und LeBron James, den selbsternannten King, gesehen.
Er wurde kurz auf dem Videowürfel eingeblendet, ich weiß. Es hat mich tatsächlich ein bisschen überrascht, dass viele Menschen in Chicago schon mal seinen Namen gehört haben und grob wussten, wer er ist. Allerdings wissen die meisten natürlich nicht, was er alles erreicht hat und wo er überall Erfolge hatte (lacht).

Ein musikalisch furchtbar unterlegtes Highlight-Reel von Zipsers Zeit bei den Bayern

Du weißt, wo man gut in Chicago leben kann oder wo man am besten isst.
Ich hoffe, ich kann ihm ein bisschen helfen, in der Stadt anzukommen. Das ist stressig genug. Nach dem Spiel haben wir uns kurz getroffen, ein paar Trikots ausgetauscht, Fotos gemacht und ein bisschen gequatscht. Er wird sich hier wohlfühlen.

Wie findest du das Leben in deiner neuen Heimat?
Die Innenstadt, also Downtown, ist nicht so groß, wenn ich es mal mit Hamburg oder Berlin vergleiche und überlege, was ich mit einer Stadt verbinde. Aber insgesamt ist Chicago riesig und man hat hier unglaublich viele Möglichkeiten, ein gutes Leben zu führen. Jetzt wird hoffentlich bald das Wetter besser und dann wird sich zeigen, ob das, was mir die Leute gesagt haben, eintrifft: Dass Chicago eine der besten und schönsten Städte der Staaten sein soll. Da freue ich mich drauf.

Zipser im Spiel 4 gegen die Celtics; Foto: JONATHAN DANIEL / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / AFP

Deine Freundin ist auch hier und entdeckt mit dir zusammen Chicago…
Wir haben das aus unser Zeit in München mitgenommen, dass wir häufig neue Dinge ausprobieren und Neues entdecken wollen. Natürlich haben wir unsere Restaurants, in denen wir häufiger mal sind, aber eigentlich wollen wir so viel wie möglich sehen.

Fußball zum Beispiel. Mit Bastian Schweinsteiger bei Fire.
Ich werde mir sicherlich ein paar seiner Heimspiele angucken. Aber es ist ein etwas anderer Fußball (lacht) – vor allem im Vergleich zu dem, den wir aus München gewöhnt sind. Irgendwie werden wir auch daran Spaß haben.

Wie nimmst du die Stadt und ihr Verhältnis zu Donald Trump wahr? Chicago hat zum Beispiel eine große mexikanische Community…
In der Innenstadt, wo viel gearbeitet wird und die Leute sehr beschäftigt sind, spürt man keine großen Veränderungen, seitdem Trump Präsident ist. Es wird allerdings tatsächlich regelmäßig gegen die Regierung und Trump demonstriert. Das war zuletzt öfter der Fall. Ich versuche mich aber grundsätzlich auf Basketball zu konzentrieren. Wenn ich allerdings Nachrichten schaue oder auf das Handy gucke, merkt man schon, dass in den USA viel politisch passiert, mit dem nicht alle Menschen einverstanden sind.