Ich solle doch bitte meinen Ausweis hochladen, heißt es plötzlich nach dem Login auf Facebook. Man wolle die Echtheit meines Profils überprüfen. „Jetzt haben sie mich endgültig erwischt", denke ich. Dabei lief es trotz einiger Hürden bisher ganz gut mit meinem Facebook-Fakeprofil.Angefangen hat alles Ende letzten Jahres, als ich beschloss, mir für eine „Undercover"-Recherche zu Social Bots und gekauften Likes ein Fakeprofil zuzulegen. Die Nachrichtenseiten überschlugen sich nach Trumps Sieg zu diesen Themen, doch so richtig handfest wirkte nichts. Alles war theoretisch, irgendwelche Wissenschaftler wurden zitiert, aber sich mal die Hände schmutzig machen wollte niemand. Um mir anzusehen, wie da eigentlich in digitalen Sweatshops „echte Likes" gekauft werden, musste ein Facebook-Fakeprofil her. Doch wie bekommt man eigentlich in möglichst kurzer Zeit ein glaubhaftes Profil zusammen? Ein Selbstversuch in vier Schritten, der mich kurzzeitig an die Grenze der Ausweisfälschung bringen wird.
Vorbereitungen zwischen Paranoia und Faulheit
Regel Nr. 1: Bloß nicht zu viel Fantasie beim Fakeprofil
Auf der anonymen Jagd nach neuen Facebook-Freunden
Holger grüßt mich aus Göttingen. Ruprecht verweist mich auf seine Homepage. Nadine stellt sich als Fitness-Coach vor und fragt, ob wir nicht gemeinsam neue Ziele erreichen
wollen.
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Da ich selbst Medienkulturwissenschaft in Weimar studiert habe, suche ich mir ein Medienwissenschaft-Studium in Potsdam aus. So bin ich für möglichen Smalltalk inhaltlich gewappnet. Als Schule wähle ich mein Gymnasium – nur durch das verschobene Geburtsdatum passt der Jahrgang nicht mehr.Ein wenig schrecke ich davor zurück, einfach Personen zu befreunden und wüsste auch nicht, welche. Ich google rum nach Tipps, wie man Facebook-Freunde bekommt, und finde Hinweise auf Gruppen zum Schließen von Freundschaften. Ich trete lokalen „Freunde Finden"-Gruppen bei und versuche eine etwas krampfhaft wirkende Selbstvorstellung:
Ein paar Likes, ein paar Kommentare, erste Direktnachrichten und Freundschaftsanfragen. So läuft das auf Facebook? Ich beantworte die Anfragen vor allem junger Frauen nur sehr knapp, da ich nicht unfair flirty sein möchte. Erstaunt erzähle ich meiner Frau, wie einfach es war, erste Facebook-Freundschaften zu schließen. Sie erkundigt sich verdächtig detailliert, ob nun von Frauen oder Männern. Ich muss zugeben, vor allem von Frauen. Sie wirft einen Blick auf mein Alter-Ego-Profilbild, sieht mich kurz an und kommentiert trocken "Nun ja…". Ich denke, das soll heißen, dass es mit einem Foto von mir wohl etwas länger gedauert hätte. Geschenkt.Auch wenn es ein paar neue FreundInnen gibt, brauche ich vielleicht 200, um echt zu wirken. Das Vorstellen in „Freunde Finden"-Gruppen funktioniert zwar, ist aber mühselig und dauert. Ich lasse das Profil ein paar Wochen liegen und überlege, wie ich weitermache. Ich beschließe, etwas dreister zu werden und selber Freundschaftsanfragen zu verschicken. Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass das funktioniert. Persönlich frage ich bei Freundschaftsanfragen zumindest nacht, wenn ich die Person nicht kenne – einfach, weil es mich nervt, zu vielen Personen im Facebook-Stream zu folgen.
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Der Beliebtheits-Turbo: Jetzt wird direkt angefragt
Die meisten schweigen, doch einige chatten mich an. Ein Uwe freut sich über meine Anfrage und fragt, ob ich nicht sein Autorenprofil liken könne. Kai sagt einfach nur „Hallo wie gehts". Sein Profilfoto zeigt ihn vor seiner Schrankwand sitzend, während der Röhrenfernseher läuft. Holger grüßt mich aus Göttingen. Ruprecht verweist mich für weitere Informationen über sich auf seine Homepage. Nadine stellt sich als Fitness-Coach vor und fragt, ob wir nicht gemeinsam neue Ziele erreichen wollen. Dann überlegt sie es sich und fragt, ob ich nicht in ihrem Team etwas dazuverdienen wolle. Eine Kristen chattet mich auf Englisch an, doch dann verschwindet der Text und Facebook notiert, „Diese Nachricht wurde vorübergehend entfernt, da das Konto des Senders überprüft werden muss". Ha, denke ich. Aufgeflogen, die Kristen.Mein Facebook-Profil wird mittlerweile nahezu unerträglich. Der Newsstream überschlägt sich an Dingen, die mich bestenfalls nicht interessieren oder auf die Palme bringen.
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Der erste harte Test meiner Identität – Facebook wird misstrauisch
Mit diesen Bildern testet Facebook, ob ich meine Freunde auch kenne
Der Test lässt sich allerdings mit einer Google-Bildersuche austricksen
Mein Facebook-Profil wird mittlerweile nahezu unerträglich. Der Newsstream überschlägt sich an Dingen, die mich bestenfalls nicht interessieren oder auf die Palme bringen. Hässlich zusammengeschusterte Grafiken zu politischen Pseudofakten, dumme fremdenfeindliche Gedanken und die AfD hält auch ihre Fahne rein. Oft wird die „Filter-Bubble" gescholten. Ich lerne sie hier wieder schätzen und erinnere mich an Juliane Leopolds Experiment, jede Freundschaftsanfrage anzunehmen. Hätte ich das früher gewusst!
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Ausweisdokument dringend benötigt: Facebook macht ernst
So ein Fakeausweis ist ja schnell zusammengephotoshoppt – aber er ist ein amtliches Dokument. Nein, das können wir nicht machen, heißt es. Ich solle mir etwas anderes überlegen. In einer langen Dokumentation bietet Facebook auch an, alternativ mehrere Rechnungen und ähnliche Dokumente hochzuladen. Die könnte man ja auch faken und dann wäre es immerhin keine Ausweisfälschung. Aber es geht mir dennoch zu weit.Ich entscheide mich, einfach ehrlich zu sein und lade eine PDF mit meinem eigenen Personalausweis und Führerschein hoch. Der Führerschein ist von 1998 und zeigt mich mit langen Haaren und leichtem Oberlippenbart. Hust.

Wie wird Facebook auf den falschen Ausweis reagieren?
Facebook entschuldigt sich für die ungerechtfertigte Sperrung! Bitte was? Wie genau wurde denn da bitte hingesehen? Mit zugehaltenen Augen? Ich freue mich, wieder Zugriff auf das Profil zu haben, um meine eigentliche Recherche noch abschließen zu können. Aber zugleich frage ich mich: Warum wird da überhaupt so getan, als prüfe man etwas, wenn das Ergebnis völliges Versagen ist? Offenbar reicht es, einfach irgendeinen Ausweis hochzuladen und darauf zu hoffen, dass er nur zur Kenntnis genommen, aber nicht näher geprüft wird.Ich muss an die vielen Meldungen denken, bei denen Facebook-Prüfteams Morddrohungen durchgehen ließen und Fotos stillender Mütter als anrüchig sperrten. Es scheint ein großes Problem bei Facebook zu bleiben, dass sie zwar Mechanismen zur Überprüfung von Inhalten und Profilen haben, damit aber schlicht überfordert sind und schlampen. Ein sichereres Gefühl hätte es bei mir hinterlassen, wenn Facebook mein Fake-Profil als solches erkannt und mich gezwungen hätte, es zu schließen, einen korrekten Namen einzutragen oder mit meinem richtigen Profilen zusammenzuführen.Grundsätzlich betont Facebook, wie wichtig es dem sozialen Netzwerk ist, dass die Nutzer
ihren echten Namen ins Profil schreiben. „Wenn jeder seinen Klarnamen
verwendet […], trägt das auch zur Sicherheit der Gemeinschaft bei […] und schützt die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer, weil sie so genau wissen, mit wem sie sich
verbinden und Informationen teilen."Auf Anfrage von Motherboard heißt es von Facebook, dass es sich um einen Einzelfall handele. Die Prüfung von Ausweisen und Fake-Konten wird ebenfalls vom sogenannten Community Operations Team geprüft. Hier arbeiten auch die Menschen, die Fälle von Hetze, Mobbing oder Kinderpornografie auf dem Tisch haben. Die Facebook-Mitarbeiter, die hier zusammen mit externen Dienstleistern das Netzwerk aufräumen, müssten jede Woche „Hunderttausende Berichte" prüfen. „Es ist bedauernswert, dass gelegentlich Fehler gemacht werden. Wir wissen, dass es frustrierend sein kann, wenn solch ein Fehler passiert."Dieser Artikel ist zuerst auf Leitmedium erschienen. Wir haben ihn um die Statements von Facebook ergänzt und leicht gekürzt.
ihren echten Namen ins Profil schreiben. „Wenn jeder seinen Klarnamen
verwendet […], trägt das auch zur Sicherheit der Gemeinschaft bei […] und schützt die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer, weil sie so genau wissen, mit wem sie sich
verbinden und Informationen teilen."Auf Anfrage von Motherboard heißt es von Facebook, dass es sich um einen Einzelfall handele. Die Prüfung von Ausweisen und Fake-Konten wird ebenfalls vom sogenannten Community Operations Team geprüft. Hier arbeiten auch die Menschen, die Fälle von Hetze, Mobbing oder Kinderpornografie auf dem Tisch haben. Die Facebook-Mitarbeiter, die hier zusammen mit externen Dienstleistern das Netzwerk aufräumen, müssten jede Woche „Hunderttausende Berichte" prüfen. „Es ist bedauernswert, dass gelegentlich Fehler gemacht werden. Wir wissen, dass es frustrierend sein kann, wenn solch ein Fehler passiert."Dieser Artikel ist zuerst auf Leitmedium erschienen. Wir haben ihn um die Statements von Facebook ergänzt und leicht gekürzt.