Unser Ernährungsminister hat gerade einen Kreuzzug für Schweinefleisch gestartet

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Politik

Unser Ernährungsminister hat gerade einen Kreuzzug für Schweinefleisch gestartet

Schweinefleisch-Pflicht in der Kantine und Verbot von "Veggie-Currywurst"—Christian Schmidt gibt richtig Gas.

Fotomontage von Sarah Schmitt aus Bild von Schmidt (J. Patrick Fischer | WikimediaCC BY-SA 3.0) und Schwein (imago | Blickwinkel)

Eigentlich könnte man Christian Schmidt auch dankbar sein: dass sich nach dem Mordversuch an einem Berliner Obdachlosen gerade die nächste toxische Debatte um Gewalt und Flüchtlinge zusammenbraut, ist dem Ernährungsminister gerade mal scheißegal—er will jetzt nämlich über Schweinefleisch reden. Und zwar wirklich unbedingt.

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Deshalb feuerte Schmidt—der in den Medien gerne mit "Sie kennen diesen Politiker wahrscheinlich nicht, aber er ist ein Bundesminister!" vorgestellt wird—in einem Interview mit der Bild am Mittwoch gleich zwei donnernde Breitseiten zur Ehrenrettung des Schweinefleisches ab. Zuerst forderte der Landwirtschafts- und Ernährungsminister eine Schweinefleischpflicht für Schulen und Kitas. "Dass unsere Kinder kein Schweinefleisch mehr bekommen, ist völlig inakzeptabel", polterte der heilige Zorn aus dem CSUler. "Fleisch gehört auf den Speiseplan einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, auch in der Kita- und Schulverpflegung."

Mmmmmh | Foto: imago | UIG

Und wenig später verlangte der energische Minister, vegetarische Produkte dürften keine Namen mehr tragen, die an Fleisch erinnern. Denn: Wörter wie "vegane Currywurst" oder "vegetarisches Schnitzel" seien "komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher". Er wolle sich dafür einsetzen, dass solche Wortschöpfungen "im Sinne einer klaren Verbraucherkennzeichnung verboten werden." Verboten! Damit nie wieder—nie wieder!—ein argloser Fleischliebhaber wonnevoll in eine vegetarische Bulette beißt, nur um dann voll Grauen festzustellen, dass sie vegetarisch ist. Ehre sei dem Herrn Minister Schmidt!

Eins muss man dem forschen Bayern lassen: Angst, sich lächerlich zu machen, hat er offenbar wirklich gar keine. Denn die ganze Schweinefleisch-in-der-Kantine-Debatte hatte die CDU in Schleswig-Holstein schon Anfang des Jahres einmal aufleben lassen—und war dafür prompt im ganzen Land ausgelacht worden. Aber das reicht Schmidt noch nicht: Um ganz sicher zu gehen, dass ihn wirklich niemand mehr ernst nehmen kann, legt er noch den großen Vegetarische-Currywurst-Betrug® oben drauf.

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Natürlich eignet sich die Debatte über Schweinefleisch in der Kantine auch hervorragend dazu, ein paar islamophobe Wutbürger abzugreifen, die sofort gegen den Untergang des abendländischen Koteletts Sturm laufen. Aber Schmidt scheint es nicht primär darum zu gehen—seine Wut richtet sich eher gegen die Vegetarier. "Jedes Kind sollte die Auswahl haben, ob es Rind-, Schweinefleisch, Fisch oder eben vegetarisch essen möchte", doziert Schmidt, und man kann sich vorstellen, dass er sich dabei ein bisschen wie Martin Luther King gefühlt hat.

Aber jetzt mal ganz ehrlich: Wie zur Hölle kommt der Mann auf solche Ideen? Wo steht denn festgeschrieben, dass Schulkinder ein Recht darauf haben, sich jeden Tag ein anderes Tier auszusuchen, das die Schulkantine ihnen dann zum Fraß vorsetzen muss? Wenn die Kantine eine Pflicht haben sollte, dann die, die Kinder gesund zu ernähren.

Schmidt hat ja schon gesagt, dass Fleisch für ihn zu einer "gesunden und ausgewogenen Ernährung" dazugehört. Und ja, die ganze Diskussion darüber, ob man Fleisch jetzt braucht oder nicht, ist ziemlich kompliziert, und niemand hat Bock, in den Grabenkämpfen zwischen Veganern, Gluten-Hassern, Keto-Freaks und Paleo-Knochenmarkzutzlern aufgerieben zu werden. Aber ich würde auch ohne Fachkenntnisse annehmen, dass sich die meisten Ernährungsnerds auf eines einigen können: Niemand wird sterben, wenn nicht jede deutsche Kantine Schweinefleisch im Angebot hat. Eher im Gegenteil.

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Sieht das wirklich so gesund aus? Foto: imago | Ralph Lueger

Die Deutschen essen sowieso immer noch viel zu viel Fleisch. Wir alle wissen, dass die Massentierhaltung, die den Markt mit Unmengen billigem Fleisch überschwemmt, nicht nur für die Tiere, sondern für unseren ganzen Planeten eine Katastrophe ist.

Es gibt also eigentlich nur zwei mögliche Gründe für Schmidts saublöde Schweinefleisch-Offensive: Entweder er glaubt wirklich an die heilende Kraft von antibiotikagetränktem Industriefleisch für unsere Kinder. Das ist nicht völlig unmöglich, denn wir sprechen hier immerhin von einem Mann, der sich von der heute-Show mal dazu bringen ließ, ein Schild mit der Aufschrift "Je suis Greußener Salami" in die Kamera zu halten. Schmidt fand die Idee sogar so geil, dass er auf eigene Faust noch "Je suis auch Schwäbische Spätzle, Allgäuer Emmentaler!" hinterher schoss. Es ist also nicht völlig auszuschließen, dass Schmidt einfach manchmal Schwierigkeiten hat, mit der modernen Welt Schritt zu halten.

Schmidt ist vielleicht nicht der einzige… Screenshot von der Facebook-Seite der Bild, unter dem Post zu Schmidts Interview.

Der andere mögliche Grund ist noch prosaischer: Schmidt ist nämlich nicht nur Ernährungs-, sondern auch Landwirtschaftsminister. Und als Landwirtschaftsminister des drittgrößten Schweinefleisch-Produzenten der Welt sieht er es wahrscheinlich auch als seine Aufgabe, den deutschen Schweinezüchtern unter die Arme zu greifen, wo er kann. Denn wenn die Regierung sich wirklich in die Speisekarten der Kitas und Schulen einmischen würde, um wieder mehr Schweinefleisch zu verarbeiten, dann hilft das zwar nicht unbedingt den Kindern—bedeutet aber ein fettes, indirektes Subventionsprogramm für Schweine-Produzenten. Guten Appetit, Herr Schmidt!

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