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Popkultur

In die Choreografie eingebundene Roboter ermöglichen euch atemberaubende neue Einblicke ins Ballett

Regisseur Tarik Abdel-Gawad hat Tschaikowskys Ballett-Fantasie Francesca da Rimini ein Update verpasst. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Fotos von Alexander Reneff-Olson

Ein Liebespaar ohne Glück. Makellose Tanzbewegungen. Gigantische Roboter. Was nach einem neuen Film von Guillermo del Toro klingt, ist tatsächlich vielleicht sogar noch etwas aufregender:

Tarik Abdel-Gawad, Regisseur des preisgekrönten Projection-Mapping-Spektakels Box, hat endlich sein Meisterwerk Francesca da Rimini, das bereits vor Box entstand, veröffentlicht. Abdel-Gawad erweiterte dabei die für ihre herzzerreißende Story und unglaublich präzise Choreographie gleichermaßen berühmte Ballet-Fantasie von Tschaikowsky um eine massive, von Robotern kontrollierte Kamera, um die Gewandtheit der Tänzer einzufangen.

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„Der Film bringt dem Zuschauer das Ballett näher, als es auf einer Bühne jemals möglich wäre. Durch den Einsatz eines Roboters kann die Kamera genauso wie die Tänzer choreografiert werden. So entstehen spektakuläre Aufnahmen, die speziell für diese Performance entworfen wurden. Das Endergebnis ist ein Film, bei dem sich der Zuschauer fühlt, als wäre er im selben Raum mit den Interpreten und würde mit ihnen tanzen“, so Abdel-Gawad.

The Creators Project hat mit Tarik Abdel-Gawad über seine neueste Veröffentlichung Francesca da Rimini gesprochen und nachgefragt, wie es war, bei der Choreografie eine Balance zwischen Menschen und Robotern zu finden.

The Creators Project: Du hast für Box schon mal mit Robotern gearbeitet, um Projection Mapping auf Oberflächen einzufangen–von der Beleuchtung über das Programmieren bis zum Arrangement: Was war das Schwierigste bei diesem Prozess?

Tarik Abdel-Gawad: Bei Box ging es darum, eine digitale Welt zu schaffen und diese dann in einem physischen Raum zum Leben zu erwecken. Bei Francesca fingen wir mit einer echten Choreographie an, die wir dann digital erfassten und eine Kamera-Bewegung in 3D dazu animierten. Wir vereinten schließlich digitale und physische Welt, in dem wir die reale Performance mit der bewegungsgesteuerten Kamera [motion control] aufnahmen.

Der Roboter ist im Film an keiner Stelle zu sehen. Er fungiert nur als Tool, um die Kamera zu kontrollieren. Aber auch als eine Art Experiment mit den Tänzern. Zu Beginn des Projekts hatte ich keine Ahnung, wie gut wir Tänzer und Roboter synchronisieren könnten, wie sich die Tänzer in unmittelbarer Nähe zu diesen industriellen Maschinen bewegen würden oder ob die Tänzer dieselbe Choreographie immer und immer wieder aufführen könnten. Eine Menge dieser Fragen werden im Behind-the-scenes-Video beantwortet. Letztendlich waren wir nach vielen Versuchen dank der extremen Strapazierfähigkeit von Masha und Joan erfolgreich.

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War es schwieriger, die Bewegungen der Roboter-Kamera „menschlich“ zu machen oder das Ballett in ein so hochtechnologisches Format zu bringen?

Die Kamerabewegung wurde so entworfen, dass sie dem Rhythmus der Choreografie, also den Tänzern folgt. Wie ein dritter Tänzer, der ihnen entgegentritt und ihre Bewegungen ergänzt. Wir wollten die Choreografie nicht auf die Technologie ausrichten. Die Herausforderung bestand darin, an der Seite eines einschüchternden Roboters zu performen. Es war für die Tänzer schwieriger, sich an die neue Umgebung anzupassen, als für den Roboter.

Auf welche Schwierigkeiten seid ihr gestoßen? Wie weit kamt ihr damit, ausschließlich Bewegungserfassung zu nutzen? Wie viel musstet ihr noch am Set nachjustieren?

Wir mussten den Prozess der Bewegungserfassung wiederholen. Die Partnerchoreographie erforderte eine enorme Kraftanstrengung mit engem Kontakt und Hochheben. Einer der Kameratechniker meinte, der Tanz wäre „brutaler“ als die Kampfszenen, die er normalerweise filmt. Durch das Verwenden von aktiven Markern schafften wir es, saubere Aufnahmen zu machen.

Im Laufe des Projekts gab es jede Menge Kommunikation mit den Tänzern über den ganzen Prozess, aber nichts konnte sie auf die eigentliche Erfahrung vorbereiten. Die Bedeutung jedes einzelnen Schritts wurde erst nach dem Dreh so richtig klar. Der Job der Tänzer war der schwierigste. Die Choreographie ist sehr technisch und sogar unter normalen Umständen sehr anspruchsvoll. In perfekter Synchronisation mit einem Roboter und einer zuvor gefilmten Performance zu tanzen, war noch eine Nummer härter.

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Die Perfomances der Roboter und Balletttänzer waren präzise, routiniert, mechanisch. Gab es irgendwelche magischen, spontanen oder überraschenden Momente?

Zu sehen, wie sich alles ineinanderfügt, fühlt sich magisch an. Masha (Maria) ist ein Perfektionist. Gegen Ende des Drehs–und wir brauchten viele Takes–war es, als hätte sie den Roboter besiegt.

Für deinen letzten Film, Box, bekamst du einen Platz beim Saatchi & Saatchi New Directors Showcase. Hat dir diese Leistung bei der Produktion von Francesca da Rimini geholfen und die Tür zu weiteren Projekten geöffnet?

Francesca haben wir bereits vor Box gedreht. Es war ein ganz anderes Projekt. Es begann als experimentelle Zusammenarbeit mit einer Freundin, Maria Kochetkova. Wir drehten an einem einzigen Wochenende mit einem kleinen Team. Es wurde erst jetzt veröffentlicht, weil Projekte wie Box dermaßen viel Zeit und Aufmerksamkeit erfordern.

Es hat also etwas gedauert, auf dieses Projekt zurückzukommen, aber alleine der Performance wegen wollte ich es teilen. Die Technologie sollte trotz ihrer Dimension immer in die Choreografie mit eingebunden werden, ohne dabei die Tänzer in den Schatten zu stellen. Wir wollten die Probeatmosphäre einfangen, bei der die perfekte Bewegung anstelle von Bühnenkunst und Theatralik im Mittelpunkt steht. Unser Ziel war es, den Zuschauer selbst über die Technologie in die Choreografie einzubinden und diese klassische Kunstform aus einer neuen Perspektive zu betrachten.

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Du beschreibst das Projekt als Experiment. Wie möchtest du das, was du hier gelernt hast, in zukünftigen Projekten anwenden?

Das Projekt hat demonstriert, dass es möglich ist, die Bewegungen von Robotern mit extrem komplexer athletischer Choreografie zu synchronisieren. Ich habe mit einer Kamera angefangen, aber in Zukunft könnten ähnlichen Techniken auf einer kompletten Bühne angewendet werden.

Seht weiter unten ein paar großartige Schnappschüsse aus Francesca da Rimini. Fotos mit freundlicher Genehmigung von Avantgarde, Fotograf: Alexander Reneff-Olson.