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Restaurant Confessionals

Die Reservierungen in letzter Minute absagen, das geht gar nicht

Tisch reservieren und sich dann kurz vorher anders entscheiden? Schon mal darüber nachgedacht, was das für ein Restaurant bedeutet?

Willkommen zurück zu den_ Restaurant Confessionals_, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. _Heute erzählt uns ein britischer Restaurantchef, was es für einen Gastronomen bedeutet, wenn ein Gast trotz Reservierung nicht auftaucht._

An den letzten sechs Abenden sind 39 Gäste, die eigentlich einen Tisch reserviert hatten, nicht aufgetaucht. Bei einem Restaurant mit 80 oder mehr Plätzen fällt das vielleicht nicht so stark ins Gewicht, aber bei uns gibt es nur 24. Für uns ist das ein harter Schlag. Damit haben wir quasi zwei Abende verloren.

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In einem kleinen Restaurant wie unserem sind die Gewinnspannen ziemlich eng: Wenn eine Vierer-Gruppe absagt, kann ich noch von Glück reden, wenn ich an dem Abend überhaupt meine Kosten decken kann. Das Personal ist da, die Zutaten bestellt, alles in der Annahme, dass das Restaurant voll sein wird.

Und dann sagt plötzlich der Tisch ab, auf den ich alles gesetzt habe.

ARTIKEL: Du bist zwar der Gast, das Sagen habe aber trotzdem ich

Zu wissen, dass man für einen Gast nur eine Option ist, ist wie ein Schlag ins Gesicht. Die Leute verstehen nicht, was das für Konsequenzen für uns hat. Sie glauben nicht, dass sie irgendwas falsch machen.

Ehrlich gesagt sind wir auch die Art von Restaurant, wo eigentlich keine Idioten hinkommen. Wir sind ein kleines, außergewöhnliches und ein bisschen verschrobenes Restaurant. Die Leute meinen es nicht böse, sie verstehen es einfach nicht und das nervt mich.

Meinem besten Kumpel gehört ein Pub in der Nähe und er hat mich jetzt schon mehrmals angerufen, um mir Bescheid zu sagen, dass der Sechser-Tisch für halb acht nicht kommt. Wie er das weiß? Er hört, wie sie an der Bar diskutieren, was sie heute Abend essen wollen und wo sie Tische reserviert haben. Ich weiß, dass jeder einen anderen Geschmack hat, aber der Gedanke, dass man für jemanden einfach nur eine Option ist, ein gesichtsloses Restaurant, das den Leuten egal zu sein scheint, macht mich fertig. Die Leute verstehen nicht, dass es von ihnen abhängt, ob wir unsere Kosten decken können, ob wir etwas Gewinn machen oder eben ob wir Miese machen.

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Neulich hab ich mich mit ein paar Freunden getroffen, die auch hier in der Gegend Restaurants haben. Wir sind unsere Reservierungslisten durchgegangen und haben festgestellt, dass es immer mindestens einen Gast gab, der zwar nicht unter demselben Namen, aber unter der selben Telefonnummer reserviert hat, und dann nicht aufgetaucht ist. Bei jedem von uns war ein Tisch für 19.30 Uhr reserviert. Drei unterschiedliche Restaurants, drei verschiedene Namen, ein und dieselbe Telefonnummer.

Einmal hatte ich zwei Gäste, die steif und fest behauptet haben, dass sie einen Tisch für Zwei reserviert hätten, und mit dem Personal diskutierten. Wir konnten sie auf unserer Liste aber nicht finden und weil wir voll ausgebucht waren, konnten wir ihnen keinen Platz anbieten. Als sie dann anfingen, auf einen leeren Tisch zu zeigen und versuchten, sich am Personal vorbeizudrängeln, verlangten sie nacht mir. Ich erklärte ihnen, dass der Tisch schon reserviert war und entschuldigte mich, weil ich leider nichts machen konnte.

Ironie des Schicksals: Die Gäste, die den Tisch reserviert hatten, sind dann nicht aufgetaucht. Ich habe sie noch angerufen und siehe da: Das war dasselbe Paar, das gerade da war. Die Frau hatte den Tisch wohl unter dem Mädchennamen ihrer Mutter reserviert. Ich wollte natürlich wissen waren, aber anstatt mir zu antworten, kam dann ihr Mann ans Telefon und meinte, dass es nicht mehr wichtig sei, weil sie einfach in ein anderes Restaurant gegangen sind, wo sie auch noch einen Tisch reserviert hatten.

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Zu wissen, dass man für einen Gast nur eine Option ist, ist wie ein Schlag ins Gesicht. Die Leute verstehen nicht, was das für Konsequenzen für uns hat.

Als es bei uns nicht geklappt hat, sind sie also einfach 100 Meter die Straße runter in ein anderes Restaurant gegangen.

Einige Menschen sind echt unverschämt. Manche rufen bei mir an und entschuldigen sich, dass der Hund des Babysitters angeblich krank sei, dann wird es kurz still, sie scheinen das Handy mit der Hand abzudecken und gerade etwas zu bestellen, denn in Wirklichkeit sitzen sie in einem anderen Restaurant, dann sind sie wieder da und ziehen die Babysitter-Nummer weiter durch. Ich glaube nicht, dass Menschen grundsätzlich böse sind, niemand macht das, glaube ich, aus böser Absicht. Aber die Menschen verstehen einfach nicht, was das für ein Problem für uns ist.

In den letzten zwei Jahren ist es glaube ich noch schlimmer geworden, weil noch mehr neue Locations aufgemacht haben. Vielleicht ist es deshalb so, eben weil die Leute mehr Auswahl haben, aber da bin ich mir nicht sicher. Ich weiß nicht warum, aber die Leute scheinen abgestumpfter zu werden.

Bei uns werden Reservierungen auch weiter möglich sein, weil ich glaube, dass es ohne auch nur Probleme gibt. Selbst Anzahlungen können ziemlich nervig sein. Für große Abende wie Silvester bestehen wir darauf. Aber vor fünf Jahren ist es uns passiert, dass von einer Zehn-Personen-Gruppe nur zwei aufgetaucht sind. Ich habe innerlich vor Wut gekocht, aber mich auch wieder beruhigt. Sie hatten ihr Fünf-Gänge-Menü, dann noch Champagner und Brandy—alles was dazu gehört, das volle Programm.

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Als sie dann die Rechnung bekamen, meinten sie nur: „Nein, wir haben doch schon 200 Pfund bezahlt."

„Äh, nein. Pro Gast sind es 20 Pfund Anzahlung, macht 40, die wir von ihrer Rechnung abziehen. Der Rest der Anzahlung reicht für das Essen, das wir jetzt wegschmeißen mussten."

Daraufhin entbrannte ein heftiger Streit, sie wollten sogar die Polizei rufen, woraufhin ich nur meinte: „Macht doch."

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Jetzt rufen wir die Gäste vorher an, um die Reservierung noch einmal zu bestätigen. Mittlerweile machen wir das nachmittags, denn wenn man morgens anruft, kommen sie oft trotzdem nicht, weil sie es sich dann im Laufe des Tages doch noch anders überlegen oder weil das Wetter schön ist und sie lieber im Garten grillen. Deshalb rufenwir so spät an,wie für uns möglich, aber auch das klappt immer noch nicht.

Ich glaube nicht, dass sich das ändern wird. Wenn alle Restaurants nur noch Reservierungen mit Anzahlung machen würden, dann wäre es vielleicht leichter umzusetzen. Aber meiner Meinung nach vermitteln solche Anzahlungen den falschen Eindruck: Man scheint die Gäste zu verdächtigen, noch bevor sie überhaupt da sind. Das sieht dann so aus, als lägen sie uns nicht am Herzen—und das stimmt einfach nicht.