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Gender

Für meine Umwandlung zum Mann gab ich den Veganismus auf

Nachdem ich sechs Monate lang Testosteron genommen hatte und seit drei Monaten Veganer war, realisierte ich, dass mir die Hormone allein nicht den Körper schenken würden, nach dem ich mich sehnte. Deshalb musste ich nicht nur meine...
Foto von esimpraim via Flickr

Nachdem ich Tiere essen von Jonathan Safran Foer gelesen hatte, wurde ich Veganer. Die Freundin, die mir das Buch gegeben hatte, warnte mich, dass es meine Denkweise nachhaltig verändern könnte. Und sie hatte recht.

Später gab ich den Veganismus wieder auf, weil etwas anderes in meinem Leben zur Priorität geworden war. Zu diesem Zeitpunkt waren sechs Monate seit dem Beginn meiner körperlichen Veränderung von Frau zu Mann vergangen. Ich zähle die Monate von einem Tag im April 2013, als ich die erste intramuskuläre Testosteroninjektion bekommen hatte. Bis jedoch dieser Tag gekommen ist, waren viele Jahren vergangen, in denen ich Ärzten meinen Fall erklärte und mich auf einer verwirrenden Odyssee der Selbstfindung befand.

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Die physische Transformation von einem Östrogen- zu einem Testosteronsystem passierte—genau wie die normale Pubertät—im Schneckentempo. Insgeheim wünschte ich mir, schlagartig zum Hulk zu werden. Das soll nicht heißen, dass ich seinen Körper haben wollte, der von Bruce Benner würde mir reichen. Einfach genug Muskeln, um richtige Klimmzüge zu machen.

Im Oktober 2013 wurde meine Stimme langsam tiefer und meine Körperbehaarung sprießte. In 99 Prozent der Fälle wurde ich in der Öffentlichkeit als Mann anerkannt. Man hatte also den Eindruck, dass mit meiner Umwandlung alles wunderbar läuft.

Als Mann durchzugehen, war aber nicht meine größte Sorge. Es ging mir viel mehr darum, dass mein Geist und mein Körper übereinstimmen. Ich fühlte mich zwar durch die körperliche Veränderung besser, aber nicht vollkommen.

Eine männliche Erscheinung steht in den Köpfen verschiedener Menschen für verschiedene Dinge. Für mich waren ein starker Körper und Muskeln wichtig. Die Größe der Muskeln hingegen nicht. Außerdem wollte ich jegliche weiche Kurven loswerden. Ich wollte einen V-förmigen Körper.

Als ich sechs Monate Testosteron genommen hatte und seit drei Monaten Veganer war, wurde mir schließlich klar, dass Hormone allein mir nicht den Körper bescheren würden, den ich mir so wünschte. Da ich nebenbei als Fahrradkurier jobbte, nahm ich sogar ab. Das gilt für alle Cisgender-Menschen, die nie ins Fitnessstudio gehen. Keiner wacht einfach an einem Tag nach der Pubertät mit dem Körper von Ryan Gosling auf. Und wir Trans-Typen haben noch die zusätzliche Hürde, dass wir die Arbeit der weiblichen Pubertät rückgängig machen müssen. Wir haben mehr Fett und weniger Muskeln.

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Also beschloss ich, meinen Hormonen ein bisschen unter die Arme zu greifen und etwas zu unternehmen. Ich war unglaublich motiviert, aber mir fehlte ein Plan: Ich hatte keine Ahnung, wie ich trainieren und was ich essen sollte, um meine Ziele zu erreichen.

Die Lösung offenbarte sich mir in Form eines amerikanischen Typen, dessen eigene Transformation ich auf YouTube mitverfolgt hatte. Sein Kanal existierte nicht mehr, aber die transmaskuline Community war ziemlich klein, also war es nicht schwer, ihn aufzuspüren. Herr Myagi war jetzt Personal Trainer mit mehr als fünf Jahren Erfahrung mit der Umwandlung seines eigenen Körpers. Er könnte mein Mentor sein, dachte ich mir.

Er erstellte einen Ernährung- und einen Trainingsplan für mich zusammen und bat mich um ein Foto, wie man idealer Körper aussehen sollte. Er verstand, wie ich mich fühlte—losgelöst von meinem Körper, frustriert von der langsam fortschreitenden hormonellen Pubertät—, denn er hatte ja genau das Gleiche durchlebt.

Mir gefiel sein pragmatischer Ansatz und ich hatte nie Angst, dass ich mich schämen müsste. Ich habe sogar den Selfie lieben gelernt, um an disphorischen Tagen zu sehen, dass ich nicht still stehe, wie er es mir so schön erklärt hatte.

ARTIKEL: Meine vegane Ernährung unterstützt mich in meinem Kampf gegen ALS

Jede Woche schickte ich ihm mein Trainingstagebuch, Fotos und die Maße meiner Hüfte und meiner Schultern. Mittlerweile könnt ihr euch vielleicht schon denken, wieso ich mich wieder unter die Fleischesser gesellt habe und ich weiß, dass es alle Veganer, die das hier lesen, wahnsinnig machen wird. Es tut mir auch leid. Ich weiß, dass es vegane Jiu Jitsu-Kämpfer gibt, die mich so fertig machen könnten, dass ich schwören würde, nie mehr in meinem Leben Hähnchfleisch anzufassen. Ich kann nur davon träumen, dass ich körperlich, ernährungstechnisch und ethisch so gut drauf wäre wie sie.

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Aber ich wollte mich dem Plan meines Trainers nicht widersetzen. Wenn er sagte, dass ich mageres Fleisch, Fisch, Eiweiß und Molkeeiweißpulver essen sollte, dann fragte ich: „Wie viel?" Ein Jahr nach Beginn meiner Ernährungsumstellung fühle ich mich glücklicher, fitter und stärker, aber mein körperlicher Wandel wurde dadurch nicht beschleunigt. Ich muss mich regelmäßig daran erinnern, dass ich erst ein Jahr einer insgesamt fünf Jahre langen hormonellen Pubertät hinter mir habe.

Ich kann nicht nur schwerere Gewichte stemmen, mein Kopf und mein Körper passen mittlerweile viel besser zusammen. Ich verstehe meinen Körper besser, nicht nur als einen Trans-Körper, sondern als organische Maschine mit riesigem Potential, die mit nährstoffreichem Treibstoff gefüttert werden muss.

Anfangs waren die kurzen täglichen Fastenperioden eine schreckliche Vorstellung. Mir wurde schon schwindlig, wenn ich kein Frühstück gegessen hatte. Aber nachdem ich die psychologische Hürde überwunden hatte, hielt ich mich daran. Dafür waren sicherlich auch meine kurz- und langfristigen Ziele verantwortlich. Jeden Monat veränderte mein Personal Trainer meinen Ernährungs- und Trainingsplan und so wurde mir nie langweilig.

Mittlerweile fühlen sich 14 bis 18 Stunden fasten ganz normal an. Mir wurde schnell klar, dass es mir viel leichter fällt, mehrere Stunden gar nichts zu essen, als ständig nur leichte Mahlzeiten zu mir zu nehmen, nach denen ich mich nie richtig gesättigt fühle.

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Obwohl ich täglich faste (irgendwie klingt fasten so dramatisch ..), gibt es nichts, das ich nicht in Maßen esse. Du kannst mich jetzt für diese Aussage hassen, aber Kuchen schmeckt viel besser, wenn man ihn sich ausnahmsweise gönnt. Manchmal, wenn ich besonders hart trainiere und viel Energie brauche, ist in meinem wöchentlichen Plan ein sechsstündiges Fenster vorgesehen, in dem ich essen kann, was ich möchte. Am Anfang freute ich mich sehr darauf, in der Realität war es aber eine Enttäuschung.

Ich hätte mir nie vorstellen können, dass es schwierig sein wird, mir zu erlauben, alles zu essen, was ich möchte, besonders nach einem so harten Training. Danach fühle ich mich immer, als hätte ich zu viel Zeit in der Sonne verbracht. Ich habe Kopfschmerzen und möchte einfach nur nach Hause gehen und eine Schüssel Brokkoli essen.

Generell ist mir bewusster, wie verschiedene Nahrungsmittel mein Energielevel und meine Verdauung beeinflussen. Ich mag es, zu wissen, welche Zutaten ich esse, deshalb koche ich alles selber. Das sind zwar keine Gourmetmenüs, aber für mich reicht es völlig aus.

Nachdem ich mich mehrere Monate streng an den Trainings- und Ernährungsplan gehalten hatte, machte ich einen Termin für die Operation im Brustbereich aus. Durch diese Operation würde meine Brust flach werden und eine männliche Form bekommen. Dieser Meilenstein in meiner Umwandlung gab mir mehr Motivation denn je. Ich beschloss, die Operation bei einem renommierten Arzt in Florida durchführen zu lassen, der zufällig derselbe war, bei dem mein Personal Trainer es damals machen lassen hatte. Wie gesagt, die Welt ist klein.

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In den Monaten vor der Operation arbeiteten wir besonderes an verschiedenen Muskelgruppen in meinen Schultern, meiner Brust und meinem Rücken. In den Wochen davor konzentrierten wir uns auf die Fettverbrennung. Alles war darauf ausgelegt, in optimaler Form für die Operation und für die Genesung zu sein.

Die Operation war vor drei Monaten und ich fahre langsam wieder mein Trainingspensum hoch. Ich habe noch einen langen Weg vor mir, bis ich mein Ziel des V-förmigen Körpers erreicht habe. Jetzt, im Nachhinein, habe ich erkannt, dass es bei meinem Fitnessprojekt genauso darum ging, einen gesunden Geist zu entwicklen wie einen gesunden Körper. Es ließ mich mein Ziel nicht aus den Augen verlieren, während das Testosteron im Hintergrund seine magische Wirkung vollbrachte. Das Training hat mir dabei geholfen, im Jetzt zu leben.

Ich möchte besonders jene ansprechen, die sich noch am Anfang ihrer körperlichen Veränderungen befinden und die sich mit dem Körperbild identifizieren können, das ich all die Jahre im Kopf hatte, aber nicht umsetzten konnte. Ich meine all die Jungs und bois, die Gewichte heben und schwitzen, aber trotzdem das Gefühl haben, dass ihre Muskeln nicht größer werden.

Setzt euch langfristige Ziele und dokumentiert alles. Nicht, um sich in etwas hineinzusteigern, sondern um darauf zurückblicken zu können und sich vor Augen zu halten, was man alles erreicht hat. Ihr werdet euch selbst überraschen.

Zum Schluss möchte ich euch sagen: Hört nicht auf, den Mut zu fassen, euch zu outen. Mit einer neuen Geschlechtsidentität habt ihr euch noch nicht selbst gefunden, und die Schritte, die auf euch zukommen werden, erfordern Mut und Ausdauer, sowohl geistige als auch körperliche. Es ist eine beachtliche Leistung, sich über Monate und Jahre in seiner eigenen Haut wohl zu fühlen.