Wie sich die FPÖ mit ihrem Wahlbetrugs-Inserat auf den Pfad von Verschwörungstheoretikern begibt

Bild von der FPÖ, via DerStandard

Wahlbetrug ist eine schlimme Sache. Er entzieht der Demokratie ihre Grundlage und führt unser gesamtes System ad absurdum. Darüber sind sich alle halbwegs demokratisch gesinnten Menschen einig.

Trotzdem macht die FPÖ das Thema Wahlfälschung auf den letzten Metern des Wien-Wahlkampfs noch schnell zu ihrer Angelegenheit und tut damit so, als hätte sie nicht nur eine Sonderstellung als Saubermann-Truppe, sondern müsste auch noch eine Verschwörung der „Mächtigen” bekämpfen.

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„In der Vergangenheit haben uns immer wieder Informationen über Manipulationen und Manipulationsversuche bei verschiedenen Wahlen erreicht”, heißt es dazu in einem aktuellen Inserat der Wiener FPÖ. „Vieles davon wurde auch in den Medien thematisiert. Die Sorge ist daher berechtigt.”

Alleine diese kurze Passage wirft mehrere Fragen auf. Erstens: Von welchen Wahlen ist hier die Rede? Und zweitens: Seit wann sind Berichte in den Systemmedien für Strache, Kickl und Gudenus ein Beleg für die Richtigkeit einer Behauptung—und nicht für das Gegenteil? (Andererseits sind es ja auch die Systemmedien, die widersprüchliche FPÖ-Inserate wie diese hierabdrucken, also ist es vermutlich wieder OK.)

Natürlich gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe in Richtung Wahlfälschung. So zum Beispiel bei der letzten Präsidentschaftswahl in Afghanistan (und eigentlich auch schon bei der vorletzten). Auch Argentinien hat eine lange Geschichte an Wahlfälschungen, die sich bis ins 19. Jahrhundert zurückzieht. Und die gezielten Wahlbetrüge innerhalb von diktatorischen Systemen im 20. Jahrhundert sind medial und wissenschaftlich ebenfalls ziemlich gut dokumentiert. Das gilt so oder ähnlich auch für andere Teile der Welt und wird weder von der FPÖ noch den Medien bestritten.

Da die Freiheitlichen das Thema jetzt aber im Vorfeld der Wienwahl aufkochen, darf man davon ausgehen, dass sie nicht unbedingt an Südamerika oder den Nahen Osten denken, wenn sie „Stopp den Wahlbetrug” fordern. Auch das ist an sich kein Problem, weil wir mitten in Europa nicht automatisch vor Wahlbetrug sicher sind. Im Gegenteil: So eine Betriebsblindheit wäre gefährlich.

Gerade in Wien gab es bereits 1970 einen Fall von Wahlfälschung, als sich die rechtsradikale NDP die Teilnahme an den Wahlen mit gefälschten Stimmen erschlichen hatte. Und erst im Mai 2015 wurde einer der Spitzenkandidaten bei der letzten Gemeinderatswahl in Amstetten wegen Urkundenfälschung verurteilt—bezeichnenderweise ein FPÖ-Kandidat.

Wahlbetrug gibt und gab es also auch in Österreich—nicht zuletzt bei der FPÖ selbst. Dass die FPÖ nun einen Feldzug dagegen ausruft, wirkt auf den ersten Blick zwar ironisch, ist aber an sich begrüßenswert. Vorausgesetzt, sie beginnt in den eigenen Reihen.

Das Problem ist ein anderes. Mir geht es gar nicht darum, dass Wahlbetrug eine handfeste Straftat ist, die genauso wie Mord oder Betrug nicht erst verfolgt wird, wenn die FPÖ ein Kopfgeld für die Täter ausschreibt. Es geht mir noch nicht mal darum, dass sich die FPÖ wieder mal als Lösung für genau die Probleme anbietet, die sie maßgeblich mitverursacht (genau wie auch bei Hypo oder Grasser).

Mir geht es darum, dass die Freiheitlichen wie Verschwörungstheoretiker argumentieren—und sich ein Kartenhaus aus Behauptungen geschaffen haben, das sich jeder Überprüfbarkeit entzieht. Aber der Reihe nach.

Sehen wir uns zuerst mal die Behauptung der FPÖ im Wahlbetrug-Inserat genauer an. Wenn ich sage „Stopp den Wahlbetrug”, setzt diese Aussage die Existenz von Wahlbetrug voraus. Anders formuliert heißt das: „Es gibt Wahlbetrüger und wir müssen sie stoppen”. Die Behauptung ist grundlegend nicht falsch. Wie vorhin schon gesagt, kann man den ersten Teil des Satzes alleine schon anhand des FPÖ-Gemeinderatskandidaten in Amstetten belegen.

Allerdings ist es ein ziemlich großer Schritt von „Es gibt Wahlbetrüger” zu „In jeder Wahl gibt es Wahlbetrüger, die sich gegen die FPÖ verschworen haben und gestoppt werden müssen, wenn wir nicht wollen, dass die Mächtigen ihren Willen durchsetzen”.

Das Ganze erinnert an Lyndon B. Johnsons „Ich weiß, dass das niemand glauben wird, aber lass es den Hurensohn abstreiten”.

Hier kommen auch die Verschwörungstheorien ins Spiel. Genau wie jede dieser „Theorien” (die nach so ziemlich jeder Definition des Wortes keine sind) folgt auch das FPÖ-Inserat einer ganz bestimmten Logik: Man stellt eine Behauptung auf, die 1. einen Gegenspieler einführt (Illuminati/Zionisten/Mächtige/Wahlbetrüger), 2. einen selbst unangreifbar macht (man selbst ist das Opfer/der Spielball/die Fackel der Wahrheit, die mundtot gemacht werden soll) und die 3. nicht widerlegbar ist.

Für diejenigen, die eine Verschwörungstheorie aufstellen oder daran glauben wollen, sind 1. und 2. am wichtigsten. Ich finde 3. am beachtenswertesten. Das größte Problem ist nämlich, dass die Wiener FPÖ genau wie andere Verschwörungstheoretiker das Prinzip der Falsifizierbarkeit aushebelt. Ich will gar nicht zu weit zu Karl Popper abdriften (auch wenn er es alleine für seinen Namen verdient hätte), aber die wesentliche Frage, die man sich bei jeder wild zusammengeschusterten Hypothese stellen sollte, ist: „Könnte ich sie widerlegen, wenn sie unwahr wäre?”

Im Fall des FPÖ-Inserats ist die Sache ziemlich eindeutig. Die Freiheitlichen unterstellen Betrug ohne Beweise. Sie lagern die Beweislast einfach auf die Wähler aus, denen sie zu diesem Zeitpunkt den Floh von dem betrügerischen Mächtigen bereits ins Ohr gesetzt haben.

Das Ganze erinnert an eine Anekdote von Hunter S. Thompson, der in The Great Shark Hunt darüber schreibt, wie der Präsidentschaftskandidat Lyndon B. Johnson seinem Gegner einen Schweinesex-Skandal anhängen wollte und zitiert Johnson mit: „Ich weiß, dass das niemand glauben wird, aber lass es den Hurensohn abstreiten.”

Die FPÖ geht noch einen Schritt weiter: Hier gibt es nicht mal jemand Konkreten, der die Anschuldigungen abstreiten könnte.

Das Sujet zeigt einen Wahlbetrüger mit Fragezeichen statt Gesicht. Die Frage ist nicht, ob es ihn gibt—die Frage ist nur, wer er ist und wie man ihn am besten findet, um die 5.000 Euro zu kassieren. Für die Option, dass bei der Wienwahl alles mit rechten Dingen zugehen könnte, gibt es hier keinen Platz—und für Herbert Kickl ist „jeder verdächtig, der sich darüber aufregt”.

Wenn das Inserat auch sonst nicht viel ist, dann doch zumindest eine verschriftlichte Ausrede für den Fall, dass es bei den Wahlen nicht wie gewünscht klappen sollte. Was man dabei außerdem nicht vergessen sollte: Wahlbetrug ist es neben Wahlfälschung und Stimmzettel-Manipulation auch, seine Wahlversprechen nicht einzuhalten. Man darf gespannt sein, ob sich eine Partei findet, die 5.000 Euro Prämie für nichteingehaltene FPÖ-Versprechen ausschreibt.

Markus auf Twitter: @wurstzombie