Auf Instagram-Fotos sieht Dylan Hafertepen, Herr über fünf Sex-Sklaven, seine “Pups” (Welpen), wie eine lebendig gewordene Tom-of-Finland-Zeichnung aus. Auf einem der bekanntesten Bilder seines inzwischen offline gestellten Instagram-Accounts macht Dylan einen Militärgruß, während seine muskelbepackten Welpen Chuck, Angus, Daniel, Biff und Tank um ihn herum posieren. Besonders auffällig sind die enormen Beulen in den knappen Jockstraps. Dylans Wahlfamilie war bekannt dafür, sich die Hodensäcke unter anderem mit Kochsalzlösung aufzupumpen.
Für Menschen, die Dylans Account “Noodles and Beef” gelegentlich verfolgten, schien seine Beziehung zu seinen Puppys kinky und verspielt zu sein. Es war nicht selten, dass Fans Dylan anbettelten, sie auch als Welpen zu adoptieren. Der Account hatte über 60.000 Follower.
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Neuzugänge setzte Dylan gerne theatralisch in Szene. Zuerst verdienten sich die Welpen Trainingshalsbänder, schließlich wurden sie mit einem Tattoo über ihren Pobacken markiert, auch bekannt als “Herren-Abzeichen”. Den Neuzugang von Angus würdigte Dylan, indem er in seinem Newsletter schrieb: “Er ist mein. Die Nachricht hat ihn zu Tränen gerührt.” Angus antwortete darauf in dem gleichen Newsletter: “Ich war verloren und verwirrt, wusste nicht, dass ich schon immer dein war. Ich ahnte nichts vom Sinn meiner Existenz.”
Aber Dylans Welpen hatten auch ihre eigenen Social-Media-Leben, die das Herrchen nicht immer kontrollieren konnte. Vor allem die Posts eines Welpen bekommen gerade viel Aufmerksamkeit. Tank Hafertepen, geboren Jack Chapman, war am 15. Oktober an einem “unerkannten Lungenleiden” gestorben. Dieses “Leiden” sollte sich später als Silikonpartikel herausstellen, die von einer Skrotum-Injektion in die Lungen gewandert waren. Auf dem obengenannten Foto hockt Tank rechts vor Dylan. Er trägt ein pinkes Bandana und ein Vorhängeschloss um den Hals. Tank strahlt.
Auf seinem Tumblr zeigte Tank aber auch andere Seiten der Beziehung. In einem Post entschuldigte er sich lange und reuevoll bei Dylan, nicht der perfekte Welpe gewesen zu sein. “Stellen wir ein paar Dinge klar”, fing Tank an. “Ich bin Scheiße. Ich bin eine beschissene Person. Ich tue furchtbare und unentschuldbare Dinge. Ich bin unehrlich. Ich bin hinterlistig. Ich bin feige. Ich bin dumm. Ich verletze meinen Herren.” Was hatte Tank verbrochen? Er war mit einem Freund in einen Whirlpool gegangen.
Nach seinem Tod kursierte ein Beziehungsvertrag mit Dylan im Internet. Darin stand, dass Tanks Psyche, sein Konto und sein Sozialleben unter der vollständigen Kontrolle seines Herrchens standen. Der Vertrag legte auch die Beschaffenheit seines Körpers fest: “Ein Pup unterzieht sich allen Befehlen zu Körpermodifikationen – inklusive Piercings, Tattoos und Hodensackaufspritzungen mit Kochsalzlösung … im Einklang mit den Wünschen des Herrn.”
Dylan sagte vor Kurzem gegenüber BuzzFeed News, dass dieser Vertrag “ein Bestandteil erotischer Fiktion von Tank”, sei, “in dem er einige seiner unterwürfigen Fantasien aufgeschrieben hat”. Nichtsdestotrotz wirft eine solche Abmachung die Frage auf, wie eine gesunde und liebevolle BDSM-Beziehung aussieht – und wie sich für Außenstehende echter Missbrauch von simuliertem unterscheiden lässt.
Vollzeit-Herren-Sklaven-Beziehungen, auch “24/7” genannt, sind wissenschaftlich bislang wenig untersucht worden. Eine Ausnahme gibt es allerdings. 2006 befragten Forschende der University of Ottawa und des Institute for Advanced Study of Human Sexuality 146 Tops und Bottoms, wie sie Machtgefüge, Rollenspiel, Haushaltspflichten und sogar Geld verhandelten. Wie können Sklavinnen und Sklaven zu Dingen einwilligen, wenn sie in der Beziehung jegliches Mitspracherecht abgeben? Konnten diese Menschen auf lange Zeit überhaupt glücklich in ihrer Sklavenrolle sein?
Einige der Ergebnisse waren interessant, andere ziemlich banal. So fanden die Forschenden heraus, dass Sklaven eher den Müll rausbringen als Sklavinnen. Spannender war die Erkenntnis, dass etwa drei Viertel der Sklaven Dinge getan hatte, die zu Beginn der Beziehung noch als “unvorstellbar” galten. Das “Ausreizen von Grenzen” war also üblich.
Wie sich herausstellte, waren viele Sklaven zufrieden in ihrer aktuellen Beziehung und konnten sie bei Bedarf auch jederzeit verlassen. Finanzielle Unabhängigkeit war die Norm, nicht die Ausnahme. Lediglich drei Menschen, die an der Studie teilgenommen hatten, gaben an, keinen Zugang zu einem eigenen Bankkonto zu haben.
Trotzdem merkten die Autorinnen und Autoren an, dass man Missbrauch leicht als BDSM tarnen kann. “Täter und Täterinnen können solche Arrangements ausnutzen, um ihre Missbrauchsneigungen oder -vorhaben zu legitimieren oder anderweitig dafür Unterstützung zu finden”, heißt es in dem Aufsatz. Sklaven, die auf der Suche nach neuen Herren sind, seien sich dieser Gefahr in der Regel “peinlich bewusst”.
Ellen Lee, eine Psychologiedozentin am Ripon College, hat die vergangenen sieben Jahre damit verbracht, die Master-Slave-Community als Teil des “The Science of BDSM”-Forschungsteams mit Sitz an der Northern Illinois University zu untersuchen. Sie sagt, dass Beziehungsverträge zwar üblich seien, in der Regel würden sie allerdings eine Absicherung für alle beteiligten Parteien darstellen. Sie seien kein Freifahrtschein für den dominanten Part, die volle Kontrolle über jeden Aspekt des Lebens der Sklaven zu gewinnen.
“Das Ziel eines solchen Vertrags ist es, deutlich zu machen, was Menschen wollen und was nicht”, sagt sie. “Sie werden von den Partnern benutzt, um besonders sorgfältig und genau über die Grenzen ihrer Beziehung nachzudenken.”
Grund zur Sorge bereitet da schon, dass laut Tanks angeblichem Vertrag mit Dylan dessen Gehalt “seinem Herrchen überlassen” werden sollte. Dylan wiederum sollte die sichere Aufbewahrung garantieren. “Ich kann Ihnen sagen, dass die Einschränkung des Zugangs zu finanziellen Ressourcen ein charakteristisches Merkmal von Missbrauchsbeziehungen ist”, so Lee. “Ohne Geld kommt die Person nicht raus. Das ist keine Einwilligung, das ist Zwang.”
Eine andere Klausel von Dylans Vertrag soll festgelegt haben, dass sich das komplette Sozialleben des Welpen um sein Herrchen drehen musste. Kontakt mit anderen Menschen solle er als “sinnlos, unfruchtbar und unerfüllend” empfinden. Auch das erscheint Lee extrem. “Soziale und emotionale Isolation ist ein weiteres Merkmal von Missbrauch”, sagt sie.
In einer gesunden BDSM-Beziehung müssen auch und vor allem die Bedürfnisse des unterwürfigen Partners befriedigt werden. Die Bedürfnisse (nicht die Wünsche) des Bottom kommen an erster Stelle, erst dann folgen die Bedürfnisse und Wünsche des Tops. Zum Schluss kommen schließlich die Wünsche des Bottoms. “Wenn die Bedürfnisse der unterwürfigen Person nicht bedient werden, kann sich die Beziehung nicht entwickeln”, sagt Psychologin Lee.
Natürlich dürfen sich zwei erwachsene Menschen einvernehmlich auf jede Beziehungsdynamik einlassen, die sie wollen – vor Gericht dürfte sowieso keiner dieser Herren-Sklaven-Verträge Bestand haben. Lee möchte nicht darüber spekulieren, was für eine Beziehung Tank und Dylan gehabt haben, aber sie sagt, dass die BDSM-Szene ein Ort sein kann, an dem Menschen Missbrauch vertuschen. “Und genau deswegen versuchen die meisten Personen dort, über Schutzmaßnahmen und optimale Vorgehensweisen zu sprechen. Gleichzeitig legt man auch sehr viel Wert darauf, anderen bewusst zu machen, dass das Spiel mit diesen Machtextremen von sich aus riskant ist.”
“Wir wissen, dass es Missbrauch und Übergriffe in der Kink-Community gibt”, sagt sie. “Ich rede mir gerne ein, dass es dort besser läuft.”
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