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Eine Pornodarstellerin erklärt, wann es ok ist, Pornos zu raubkopieren

Stoya möchte, dass ihr ihre Pornos kostenlos und illegalerweise downloadet.

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Stoya Inc./TRENCHCOATx.com

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Die erfolgreiche Pornodarstellerin, Unternehmerin und Schriftstellerin verkündete jüngst in einem ihrer Blog Posts, sie fände es okay, wenn ihre Pornos illegal heruntergeladen werden. Ihr Post war ein Protest gegen die Praxis zahlreicher Streaming-Seiten, auf denen regelmäßig urheberrechtlich geschützte Pornos hochgeladen werden. Stoya forderte diejenigen, die für Pornos nicht zahlen können, dazu auf, zumindest die Informationsfreiheit zu unterstützen und die Videos lieber per Torrent hochzuladen. Somit könne verhindert werden, dass die Streaming-Anbieter durch Inhalte, die ihnen nicht gehören, Werbeeinnahmen generieren.

Im Zuge dieser Debatte äußerte sie auch den Wunsch, für ihre Pornofilme eine eigene Creative Commons Lizenz zu bekommen. Dadurch könnte man ihre Arbeit weiterhin herunterladen, doch auf Streaming-Seiten wären die Filme nicht mehr verfügbar. Mit einer Share-Alike Lizenz darf ein Werk beispielsweise nur unter den gleichen Lizenzbedingungen geteilt werden, mit einer Non-Commercial Lizenz hingegen ist es ausschließlich erlaubt, Inhalte weiter zu verbreiten, wenn man damit keinen Profit machen will.

Streaming-Seiten sorgen schon seit längerem für Ärger im Internet. Vor zwei Jahren wurde MindGeek—der mit Abstand größte Besitzer von Streaming-Seiten und Pornoproduktions-Unternehmen—in einem Beitrag des Online-Magazins Slate als „Monopol” bezeichnet, da er all seine Konkurrenten aufkauft. Auch für Stoya ist MindGeek eines der größten Probleme auf dem digitalen Porno-Markt.

Wenn Stoya gerade einmal nicht über Copyrightverletzungen wettert oder sich über schlechte Schauspieler in der Pornoszene beschwert, arbeitet sie an ihrer pay-per-scene-Pornoseite TRENCHCOATx, die bald online gehen soll. Die dort verfügbaren Filme sollen sich in großen Teilen durch Produktplatzierung finanzieren. Im ersten Porno, in dem die Mitbegründerin von TRENCHCOATx, Kayden Kross, die Hauptrolle spielt, wird beispielsweise die Sugar-Daddy-Datingseite ArrangementFinders genannt und vorgestellt. Der Titel des Films: Screwing Wall Street: The ArrangementFinders IPO.

Es klingt etwas konträr, einerseits die Nutzer zum Raubkopieren der eigenen Videos zu ermutigen und andererseits selbst ein Unternehmen aufzubauen, das ebendiese Inhalte anbieten will. Wir haben Stoya deshalb kontaktiert und uns mit ihr über Copyright, Kapitalismus und die Bedeutung des Zugangs zu guten Pornos für alle unterhalten.

Foto: Steve Prue. Mit freundlicher Genehmigung von: Stoya Inc./TRENCHCOATx.com.

Motherboard: Was genau bringt dich dazu, Leute zu bitten, per Torrent deine Pornos zu verbreiten?

Stoya: Das mag einem erstmal verwirrend vorkommen, das kann ich verstehen. Klar kostet jede Filmproduktion Geld. Und natürlich kostet es noch mehr, einen Film zu produzieren, der eine gewisse Qualität besitzt. Der Darsteller aus den Graphic Depictions [eine Serie, in der das Sexleben eines queeren Protagonisten dokumentiert wird] zum Beispiel verdient einen Haufen Geld—wie soll das finanziert werden? Und es wird auch immer schwieriger, vor allem jetzt, wo es im Netz so viele Porno-Seiten gibt.

Stellt euch vor, TRENCHCOATx wäre ein echter, kleiner Laden mitten in der Stadt, in dem man echte Dinge kaufen kann—DVDs, einen USB-Stick oder sonstwas. Und dann kommt jemand rein, stopft sich die Taschen voll und geht einfach raus ohne zu zahlen. Das kann einen doch nur sauer machen!


„Wenn 18-Jährige, die zwei Jobs haben und damit gerade mal so ihre Miete zahlen können, zum Spaß oder zum Masturbieren einen Porno gucken wollen, aber nicht das nötige Kleingeld dafür haben, dann ist es mir lieber, dass sie meine Filme gucken als wenn sie nur die Wahl zwischen echt alten Videos oder MindGeek haben.

Es scheint als wäre Torrenting für dich eine „ethischere” Methode als andere Formen der Informationsverbreitung. Gibt es deiner Meinung nach einen gesellschaftlichen Nutzen, wenn Pornos als Torrents gehandelt werden?

Das mag jetzt egoistisch klingen, aber wenn 18-Jährige, die zwei Jobs haben und damit gerade mal so ihre Miete zahlen können, zum Spaß oder zum Masturbieren einen Porno gucken wollen, aber nicht das nötige Kleingeld dafür haben, dann ist es mir lieber, dass sie meine Filme gucken als wenn sie nur die Wahl zwischen echt alten Videos—die oft ein völlig absurdes Bild der Pornoindustrie vermitteln—oder MindGeek haben. Dort wird immer mehr ein einziger, homogener Stil propagiert.

Natürlich ist das Ziel jeder Produktion, dass Kayden und ich davon leben können. Aber egal was ich herausbringe, sei es ein Blog oder ein Porno, handelt es sich auch immer um den Versuch, eine sexuelle Vielfalt darzustellen.

Glaubst du für ein Unternehmen wie deins wäre es möglich, Pornos als Creative Commons zu veröffentlichen?

Dass ich eine eigene Lizenz für Creative Commons möchte, war eigentlich nur so dahingesagt und eher ein Scherz. Doch ich hätte definitiv gerne die Share-Alike und Non-Commercial Lizenzen. Da stehe ich total dahinter. Ich glaube, eine Karriere im Entertainmentbereich ist im Internet auch ohne Copyright-Trolling und ohne sich verarschen zu lassen möglich. Dafür wäre die nicht-kommerzielle Variante eben die Lösung. Jeder kann das Material zur Verfügung stellen, solange er daran nichts verdient. Und wenn doch, sollten wir einen Anteil davon bekommen. So sollten alle gemeinsamen, kommerziell ausgelegten Projekte funktionieren. Doch davon sind wir noch weit entfernt, sei es in der generellen Pornoindustrie oder bei TRENCHCOATx als ein Unternehmen. Doch genau so etwas wäre mein Ziel.

Foto: Steve Prue. Mit freundlicher Genehmigung von: Stoya Inc./TRENCHCOATx.com.

Könnte ein rechtmäßiges „YouTube für Pornos” je zustandekommen, und falls ja, wäre das für dich in Ordnung?

Das ist ein extrem komplexes Thema und man hat nie die Übersicht über alle unterschiedlichen Anbieter. Es gibt Streaming-Seiten, zum Beispiel WoodRocket oder PornTube, die unabhängig geleitet werden. Diese Seiten sind um einiges angenehmer und gehen auch ethischer vor. Bevor sie meine Filme hochladen, stellen sie immer sicher, dass sie auch das Recht dazu haben.

Zu sagen „kein Streaming, nur Torrenting” vertuscht die Tatsache, dass es natürlich auch ein paar gute Streaming-Seiten gibt, doch das war notwendig, um die Message unmissverständlich rüberzubringen. Das ist genau so wie die sexuelle Gesundheitsaufklärung, die immer betont „Benutzt ein Kondom!”. In Wahrheit ist es jedoch komplizierter, denn auch Kondome sind nicht hundertprozentig sicher, und natürlich gibt es eine Menge anderer Mittel—man kann auch verschiedene Methoden parallel nutzen, beispielsweise Kondome plus eine Klärung der sexuellen Vergangenheit des Partners und Tests. Man kann und sollte so sicher wie möglich gehen, auch wenn immer ein kleines Restrisiko bleibt.

Jetzt sind wir beim Thema sexuelle Gesundheit gelandet, der Punkt ist aber, dass der Kontext manchmal verallgemeinert werden muss, um die Nachricht so verständlich wie möglich rüberzubringen.

Wie geht eine „gute” Streaming-Seite vor?

Wie steuert man den Kapitalismus, der ja einfach ein Scheiß-System ist?

Ein besonderes Problem der Pornoindustrie ist, dass [einige Streaming-Seiten] ein Netzwerk aufbauen, das unsere gesamte Branche gefährdet. Es geht so weit, dass Slate MindGeek als Monopol bezeichnet hat, das alle aufkauft und dann die Inhalte stark homogenisiert. Wann immer eine Einzelperson oder ein Unternehmen in den USA die Hälfte der Macht in einer größeren Gruppe besitzt, ist das ein Problem. Und wenn diese Macht noch dazu genutzt wird, alles zu vereinheitlichen, ist es ein riesiges Problem.

Sexualerziehung sollte mehr sein, als nur Filme zu gucken. Wenn die Sexualerziehung zu kurz kommt und junge Leute nicht richtig aufgeklärt werden, ist es klar, dass sie sich der Pornoindustrie zuwenden. Und dann dieses eine Unternehmen zu haben, dass allen ihre eigene, engstirnige Vision von Sex und Frauen aufzwingen will, und zu sehen, dass sich dieses Bild verbreitet und immer extremer wird—das ist der absolute Horror.

Es werden aber nicht alle deine Arbeit gutgläubig herunterladen. Wo genau liegt für dich das Gleichgewicht zwischen bezahlt und ausgebeutet werden?

Die eigentliche Frage ist doch: Wie steuert man den Kapitalismus, der ja einfach ein Scheiß-System ist? Kaum hat man sich umgesehen, passiert schon wieder etwas schreckliches, das sich direkt dem Kapitalismus zuschreiben lässt, weil jemand im Namen des Kapitals oder der Macht etwas Entsetzliches getan hat. Man denke zum Beispiel an den Anstieg der Fälle von Kinderlähmung in Pakistan, alles nur, weil sich vor einigen Jahren CIA-Mitarbeiter auf der Suche nach bin Laden als Impfhelfer getarnt hatten. Und jetzt sind die Leute misstrauisch und wollen sich nicht mehr impfen lassen. Im Namen des Kapitalismus und der Macht werden unglaubliche Gräueltaten begangen.

Wie steuert man so ein riesiges System? Du kannst die Leute nicht einfach auffordern, ihre Bankkonten aufzulösen und aufzuhören, sich wie Idioten aufzuführen. Wie kann man so etwas verantworten und trotzdem nachts schlafen können? Das ist ein fortlaufender Prozess und ich denke, niemand hat die Antwort darauf, außer er ist vielleicht ein Soziopath, der schlafen kann, egal was passiert—und genau solche Leute sind es, die im Namen des Geldes und der Macht schreckliche Dinge tun.

Was würdest du jemandem raten, der auf seine Lieblings-Streaming-Seite ein Video hochladen will, aber nicht weiß, wem die Seite gehört und ob sie den Inhaltseigentümern gegenüber fair vorgeht oder nicht?

In so einem Fall müsste selbst ich viel Zeit aufbringen, um den Besitzer der Seite auszugraben. Deswegen würde ich sagen, es ist sinnvoller, das Video über einen Torrent anzubieten.