Tosender Applaus, Standing Ovations und ein 2,13-Meter-Riese, der nach seinem Interview im Anschluss an die gestrige 76:77 Niederlage gegen Spanien ein letztes Mal seine Arme in die Luft reckte, sich ein letztes Mal vor dem heimischen Publikum verneigte und auch seine Tränen nicht verbergen konnte. Mit dem Vorrunden-Aus der deutschen Mannschaft bei der Eurobasket 2015 nahmen die ausverkaufte Mercedes-Benz-Arena und Basketball-Fans in ganz Deutschland Abschied von Dirk Nowitzki.
Die Euphorie um seine Zusage für die EM im Juli war riesig und mit jedem Tag der Vorbereitung schien die Vorfreude auf ein internationales Turnier im eigenen Land zu steigen. Doch nun, ein Tag nach dem Ausscheiden wird klar, das Nowitzkis Auftritte in Schwarz-Rot-Gold mit nur einem Sieg und vier Niederlagen das schlechteste Ergebnis einer deutschen Mannschaft mit ihm sein sollte. Mit seiner Teilnahme schraubte er die Erwartungen der Fans nach oben und sicher wird auch er viel von sich erwartet haben, doch mit 37 Jahren sollte man ihm keinen Vorwurf machen. Er hat alles gegeben und ist sich bewusst, dass er seinen Zenit überschritten hat, wie er selbst zugab. Dies zeigte sich schon in der Vorbereitung. Nowitzki war nicht mehr der dominante Spieler, den Basketballfans aus vergangenen Tagen kannten. Es war nicht mehr der Dirk aus Turnieren wie die Europameisterschaften 2007 und 2011, in denen er im Schnitt 30 Minuten auf dem Parkett stand, das Team trug, wenn es brenzlig wurde und eine Präsenz ausstrahlte, die sich auch in seinem Scoring von über 20 Punkten im Schnitt widerspiegelte. Dieses Jahr brauchte er mehr Pausen, die Würfe fielen nicht mehr hochprozentig und auch die Beinarbeit war langsamer. Vielleicht war diese Erkenntnis nicht nur für Fans, sondern vor allem auch für ihn selbst nicht einfach. Dies zog sich durch das gesamte Turnier, in dem man nie wirklich das Gefühl hatte, dass er seinen Rhythmus gefunden hatte und aufgrund seiner Verteidigung oft von anderen Teams bewusst attackiert wurde.
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Doch Nowitzki wollte diese Heim-EM und setzte sich auch sonst immer dafür ein, wenn es um seine Nationalmannschaftsteilnahme ging. Auch sein Alter und eine lange NBA-Saison sollten ihn nicht daran hindern. Für Dirk bedeutete die Nationalmannschaft immer viel. Es war Familie, Aufopferung und sein Baby, dass er so gut unterstützte und trug wie er nur konnte. Dies brachte er auch während vergangener Turniere zum Ausdruck, in dem er meist über sich hinaus wuchs und dem Namen Dirkules alle Ehre machte. Doch diese EM war anders. Sie war besonders, denn der von ihm lange ersehnte Moment einer Heim-EM war endlich gekommen. Wie sich herausstellte leider zu spät. Vielleicht ließ er auch deswegen nach der Niederlage gegen Italien seinem Frust freien Lauf, als er Daniel Theis kritisierte, der sich wegen einer Schulteroperation von der Europameisterschaft verabschieden musste. „Theis spielt in Bamberg schon 30 Minuten, das ist natürlich auch ein bisschen eine Frechheit. Aber hier kann er nicht spielen. Daher ist es bitter”.
Und ganz unrecht hatte er mit seiner Kritik nicht, obwohl die Vorbereitung in der Bundesliga schon ein anderes Kaliber ist, als das hohe Niveau einer Europameisterschaft. Der verletzungsbedingte Aderlass auf den großen Positionen machte den Deutschen während des Turniers immens zu schaffen. In der „Todesgruppe” mit Italien, Island, Spanien, der Türkei und den Serben war ein Weiterkommen von Anfang an keine leichte Aufgabe. Diese harten Gegner offenbarten sich auch in voller Stärke nach dem erfolgreichen Turnierstart gegen Island. Es hagelte vier Niederlagen in Folge. Drei dieser Partien endeten knapp. „Am Schluss hat immer das Quäntchen Glück und Erfahrung gefehlt”, resümierte Nowitzki am gestrigen Abend nach seinem vorerst letzten Spiel für die deutsche Mannschaft.
Doch trotz eines (vielleicht) abdankenden Nowitzkis sollte es für Basketballfans keinen Grund zur Enttäuschung geben, denn die Vorrunde der Eurobasket 2015 zeigte auch, wie viel Potenzial in der jungen Generation steckt. Spieler wie Dennis Schröder, Maodo Lo, Paul Zipser, die diese Erfahrung sammeln werden und Dirk in Zukunft als Team würdig vertreten können.
Der große Traum von Olympia scheint vorerst geplatzt, doch der Deutsche Basketball Bund scheint noch ein Ass im Ärmel zu haben. Denkbar wäre eine Bewerbung als Ausrichter des Qualifikationsturniers. Als dieser wäre die Mannschaft gesetzt und hätte erneut die Chance auf eine Olympiateilnahme. Auf die Frage, ob es wirklich sein letztes Länderspiel für Deutschland war und ob er vielleicht unter den Umständen eines Qualifikationsturniers noch einmal für die Nationalmannschaft auflaufen würde, antwortete Dirk nur: „Schaun ´mer mal” und lief in die Mitte des Courts, um sich von seinen Fans zu verabschieden —vorerst.