Ich bin ja recht spät auf das Prime-Festival gestoßen. Ansonsten hätte ich das, medial ziemlich unter dem Radar fliegende Festival bei der Ruine in Markgrafneusiedl gar nicht wahrgenommen. Obwohl das Gelände gerade mal 15 Minuten von der transdanubischen Wiengrenze und nur 10 Minuten von mir daheim entfernt ist. Wie auch, es klebten ja weder Plakate, noch kündigten Inserate oder massenweise Medien das Prime an. Lediglich über Facebook und zahlreiche weitere Internet-Plattformen, auf denen die Techno/Drum’n’Bass/Goa-Szene sehr gut vernetzt ist, wurde das Prime gepusht.
Aber offenbar genug, um über drei Tage verteilt doch etliche Besucher anzulocken, die sich entweder als Festivalpendler mittels Auto aus der Region, per Shuttlebus aus Wien amüsierten oder gleich ihr Zelt am kostenlosen Campinggelände aufschlugen. Der wiederum zwar eine kleine Ewigkeit vom offiziellen Parkplatz entfernt war, dafür aber ausreichend Sauberkeit, sanitäre Anlagen (Duschen!) und generell ein nettes Setting bot—bis auf das hartnäckig wummernde Goa-Zelt gleich daneben. Für Schlafbedürftige dann doch eher suboptimal. Ihr seht schon, bereits in der Einleitung gibt es einiges an Lob und Kritik für das Festival, daher hier einfach mal zusammengefasst, was toll war—und was nicht.
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Nicht so toll
Besucherzahl. Das vergleichsweise große Gelände hätte zweifellos mehr als die doppelte Besuchermenge vertragen. So wirkten auch zu besonders belebten Zeiten die Flächen und der Campingplatz recht leer, auch die Floors boten ausreichend Platz für Akrobatik und allerlei Jongliergerätschaften. Dies ist sicher nur auf die dürftige Vermarktung rund um den Verkauf der Tickets zurückzuführen, denn das Wetter war so ziemlich das beste Festivalwetter ever und auch der Eintrittspreis von 45 Euro für alle drei Tage, ist selbst mit einer vom Sommer geschundenen Geldbörse gut verschmerzbar. Nicht auszudenken, wäre das Wetter schlecht gewesen. Noch weniger Leute und die Stimmung wär dann meinerseits auch ausgeblieben. Das war knapp.
Organisation. Ich drücke hier beide Augen zu, denn das, was das junge Team hier geleistet hat, ist für eine Premiere in einer bisher unbekannten Location bemerkenswert. Dennoch muss ich den Finger auf ein paar—sicher leicht auszumerzende—Kinderkrankheiten legen. Da wäre mal die Trinkwasserversorgung am Festivalgelände selbst. Bei 30 Grad untertags auf einem Dreitages-Rave, gab es die ersten zwei Tage keine Möglichkeit, am Gelände selbst kostenlos Wasser zu zapfen oder Plastikflaschen mitzunehmen. Es gab als Alternative lediglich Sodawasser um 50 Cent der halbe Liter. Das wurde nach massiver Kritik aber behelfsmäßig nachgebessert, sollte dennoch eine Selbstverständlichkeit sein. Auch das komplette Fehlen von Timetables, Wegweisern und Geländeplänen—sowohl online als auch vor Ort—sorgte für einige Verwirrung bei den Besuchern und auch den DJs, die noch dazu wegen teilweise fehlendem Equipment manche Sets um ein bis zwei Stunden später starten konnten. Und auch die generelle Anordnung der beweglichen Floors—Stichwort Goa-Zelt und Garden—warf einige Fragen auf.
Die Parksituation: Vielleicht ist das aufgrund der Grundbesitzverhältnisse dort schwierig, das kann ich nicht beurteilen. Definitiv zu weit vom Camping weg war der Besucherparkplatz, auch der für Künstler und Crew vorgesehene Parkplatz platzte trotz ständiger An- und Abreisen aus allen Nähten. Wahrscheinlich, weil niemand damit rechnete, wie lange und üppig so mancher DJ hier campte. Auch die latent ungeklärte Frage der öffentlichen Parkflächen und Anrainerplätze rund um das Gelände verunsicherte so manchen mit Auto angereisten Besucher sehr.
Supertoll
Die Location. Die Ruine bietet zwar drinnen wenig Platz, ist dafür aber nach außen hin eine wirklich imposante Erscheinung (auch wenn die Bespielung mit Visuals eher einfallslos ausfiel). Das geräumige Stadl- und das bunkerartige Cave-Gewölbe gleich daneben boten—auch dank der liebevollen Deko—ein wirklich gutes Setting, um auch Menschenmengen in Kantine-Maßstäben ordentlich einzuheizen. Spektakulär war natürlich das aufwändig dekorierte Zirkuszelt, das praktisch rund um die Uhr unter Schwarzlicht die vielen Psytrance-Pilger wirklich gut bediente. Den etwas zusammengeschustert wirkende Garden allerdings konnte ich bis zum Schluss nicht wirklich einordnen, auch wenn die Musik von dort immer gut war.
Die Festival-Infrastruktur: ausreichend Ordner und Einsatzkräfte vor Ort, ein vorbildlicher kostenloser Shuttleservice (da könnte man vielleicht noch ein bisschen an den Uhrzeiten arbeiten aber wir jammern hier eh auf Niveau) zwischen Festivalgelände und U2 Hausfeldstraße, genug Toiletten, Duschen beim Camping, moderate Preise (gemessen an anderen Festivals) und freundliches Personal—hier haben die Veranstalter ganze Arbeit geleistet, und das kann man nicht oft genug hervorheben. Wenn man sich ansieht, was diesen Festivalsommer alles schief gelaufen ist, muss man den Greenhorns vom Prime wirklich einen Altar bauen für die Art und Weise, wie sie, trotz anfänglichem liebevollen Chaos, alles hinbekommen haben. Aber: Wären mehr Leute gekommen, hätte sich das etwas umständliche Kassa/Bon/Ausgabe-System wahrscheinlich hoffnungslos aufgelöst. Es gab sogar fahrende Händler, die freundlich all das anboten, was man am Getränkestand nicht bekam. Ehschowissn. Ein gutes Zeichen, dass das Festival auch von anderen—äh—Branchen wahrgenommen wird!
Die Musik: Ist natürlich das Wichtigste bei einem Festival und letztendlich der Hauptgrund, warum überhaupt wer kommt. Obwohl man viele der Kollektive, wie Basstrace, Techno Sonntag, City Warriors Vienna und so weiter ja kennt, ist das Festival dennoch eine reine Independent-Veranstaltung. Große nationale oder gar internationale Namen sucht man vergeblich. Zum Glück, denn wo sonst hat man die Möglichkeit, ganz ohne Backstage-Allüren mit den Künstlern einen Spritzwein oder mehr zu teilen oder echte Hardcore-Fans aus allen Lagern kennenzulernen. Sogar internationales Publikum (es waren Gäste aus Ungarn, der Slowakei und sogar Belgien anwesend) konnte man vereinzelt antreffen. Und im Gegensatz zur üblichen immer mehr einreißenden Festivalkultur, nämlich “Musik wurscht, Hauptsache dicht“, hat man es hier wirklich mit Enthusiasten zu tun. Wer sonst würde 45 Euro abdrücken, um in einer gänzlich unbekannten Location ohne Starauftrieb mitten im Marchfeld drei Tage lang herumzuraven und große Spritzer um fünf Euro zu trinken? Eben.
Fazit
Liebe Prime-Macher, lasst euch vom Gesuder nicht entmutigen, das soll nur Hilfestellung für ein wirklich perfektes Prime 2017 sein. Denn trotz aller anfangs erwähnten Kinderkrankheiten, ist hier etwas entstanden, das viel Potenzial für die Zukunft hat, die Festival- und Raveszene in Österreich wirklich bereichern und sich vor allem im Wiener Raum bzw. Ostösterreich zu einer echten Institution der lokalen Independent-Szene der elektronischen Musik entwickeln kann. Auch der Zeitpunkt sollte trotz des höheren Wetterrisikos beibehalten werden. Denn die überladenen Monate von Mai bis August brauchen nicht noch eine Veranstaltung, wenn im September eh überall tote Hose ist. Also, weitermachen, dran arbeiten, ihr seid auf dem richtigen Kurs. Wer hat zwei Daumen und ist begeistert? Markus Höller! Bis nächstes Jahr.
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