In einer Zeit, in der Superhelden gar nicht düster und abgründig genug sein können, ist es gerade Batman, der Superheld ohne Superkräfte, der zum Symbol dafür geworden ist, dass man nicht von einer radioaktiven Spinne gebissen oder aus dem All stammen muss, um Gutes zu vollbringen. Gerade weil er ein ganz normaler Mensch ist—samt Kindheitstraumata und Identitätskrisen—, ist er ein so faszinierender Charakter, der nach der großen Nolan-Bale-Trilogie mit Ben Affleck in Batman v Superman: Dawn of Justice neu aufgelegt wird. Ja, man kann auch als allzu menschlicher Mensch Gutes bewirken und zum Helden werden. Es schadet allerdings nicht, unfassbar viel Geld zu haben und die halbe Stadt zu besitzen, die man vor dem Bösen retten möchte.
Wenn wir die coolen Outfits und Gadgets mal beiseite schieben, zeigt sich außerdem ziemlich schnell, was der James Bond der Superheldenriege wirklich ist: ein verdammter Heuchler.
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Versteht uns nicht falsch: Es ist fantastisch, dass Batman Verbrechen bekämpf, aber mal ehrlich: Er ist Bruce Wayne, verdammt. Es wäre ihm ein Leichtes, nachhaltige Projekte zu finanzieren, die der Gesellschaft auf lange Sicht nutzen würden. Zum Beispiel könnte er Eltern ein bedingungsloses Grundeinkommen bereitstellen, damit sie weniger arbeiten und mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Eine trostlose Kindheit ist oft der Grund, weshalb Menschen auf die schiefe Bahn geraten, siehe Joker oder Bane. Batman bekämpft lediglich die Symptome eines kranken Systems und hat tatsächlich noch die Nerven, sich darüber zu beschweren. Man erinnere sich, wie er in The Dark Knight rumheult, weil er aufgrund der hohen Verbrechensrate nicht mit Rachel zusammen sein kann. Nun, Bruce, wie wäre es mit ein wenig mehr Voraussicht? Mit all deinen Reichtümern ließe sich durchaus eine Situation herbeiführen, die Verbrechen ein für alle Mal überflüssig macht.
Doch der gute Mann verprasst seine Kohle lieber für teure Autos. Für seine bürgerliche Identität könnte man das ja gerade noch so als Tarnung durchgehen lassen, schließlich sollen die Menschen glauben, er sei ein ignoranter Chauvinist, dem andere Menschen gleichgültig sind. Doch was ist mit Batman? The Bat, Bat-Pod, das Batmobil—und dann auch noch in zigfacher Ausführung, weil diese hundsteuren Sonderanfertigungen oft nicht mehr als eine Spazierfahrt überleben. Wieso nicht etwas nachhaltiger produzieren? Es muss ja nicht gleich ein Bat-Bicycle her oder ein schwarz lackierter Prius für längere Fahrten, aber zumindest etwas stabiler könnten die Dinger schon sein. Und vergessen wir nicht, wo diese tollen Gadgets entwickelt werden: Wayne Enterprises, dem wichtigsten Zulieferer des militärisch-industriellen Komplexes, der in der Welt mehr Schaden verursacht, als sämtliche Schurken Gothams vereint.
Die meisten Verbrecher sind an materiellem Kram interessiert. Die künstlich erzeugte Knappheit dieses materiellen Krams—gepaart mit der Erzeugung von Bedarf für diesen Kram durch Werbung—ist integraler Bestandteil kapitalistischer Systeme und führt überhaupt erst dazu, dass Menschen kriminell werden. Wieso kämpfst du nicht dagegen an, Bruce? Wieso investierst du beispielsweise nicht in Kampagnen, die Menschen an das erinnern, was im Leben wirklich zählt: Liebe und Freiheit. Das würde dich finanziell sicher nicht ruinieren. Du müsstest lediglich ein paar TV-Sender aufkaufen, um sie aus der Abhängigkeit der Werbeindustrie zu befreien, welche wiederum die Massen zu hirnlosen Konsumenten macht. Das zahlst du doch aus der Portokasse. Alternativ könntest du vielleicht auch darüber nachdenken, in das Krankensystem zu investieren und somit auch finanziell schlechter gestellten Menschen zu ermöglichen, sich psychologisch behandeln zu lassen, wenn sie es nötig haben. Idealerweise, bevor sie zum ultimativen, wahnsinnigen Bösewicht mutieren.
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Stattdessen hält Bruce Wayne Entwicklungen, die das Potenzial haben, die Welt zu verändern, sogar von den Menschen fern. Die Rede ist vom Nuklearreaktor aus The Dark Knight Rises. Bruce Wayne glaubt vielleicht, nobel und in weiser Voraussicht zu handeln, als er sich entscheidet, den Reaktor von der Öffentlichkeit geheim zu halten. Nach dem Motto: Vergesst kostenlose, saubere und unbegrenzte Energie für die Bürger Gothams. Das Risiko, dass jemand den Reaktor gegen sie verwendet, ist einfach zu groß! Ach Bruce, du musst schon ein wenig Vertrauen in die Menschen haben. Dass jeder ständig nur für sich handelt, oft aus Angst, Kontrolle zu verlieren, ist Teil des Problems. Das ist ein reines Ego-Ding. Bruce Wayne kaschiert es lediglich unter dem Deckmantel der Selbstlosigkeit.
Das geringe Vertrauen in die Menschheit wird auch deutlich, als er zu Beginn von The Dark Knight Scarecrow dingfest macht. Ein paar Bürger wollen als Batman verkleidet ebenfalls ihren Teil zu einem sicheren Gotham beitragen. Als Batman dazwischenfunkt, wollen sie wissen, was den dunklen Ritter denn so besonders mache: „Was ist der Unterschied zwischen dir und mir?” Batmans Antwort: „Ich brauche keine Schulterpolster.” Mit anderen Worten: Ich trage keine Billigausrüstung. Ich trage High-Tech-Mode aus meinem Milliarden-Dollar-Fonds. Ich kann er mir leisten, du nicht. Notiz am Rande: Vielleicht hätten ein paar Polster mehr verhindert, dass er in derselben Szene von einem Hund gebissen wird. Ja ja, erst andere für ihre Billigausrüstung niedermachen und dann bei Lucius Fox angekrochen kommen und einen besseren Anzug verlangen.
Dass er sich wirklich für etwas Besseres hält, wird deutlich, als er die selbsternannte Bürgerwehr nicht laufen lässt, nein. Er fesselt sie wie Verbrecher, vermutlich, weil sie mit Schusswaffen zu einer Schießerei erschienen sind, was natürlich illegal ist. Auch Batman ist stets illegal unterwegs, wenn er auf Verbrechensbekämpfung geht. Der einzige Grund, weshalb Batman stets davon kommt, ist, dass er sich teures Equipment leisten kann. High-End-Shit, der die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Polizei alt aussehen lässt. Fazit: Wenn ein reicher Kapitalist macht, was er will, ist das cool. Wenn ein 08/15-Bürger das tut, ist es falsch. Das ist die arrogante Einstellung der Gewinner dieses Systems. Reiche Menschen glauben einfach, sie seien unantastbar. Auf diesen Spalt, der in einer Gesellschaft zwischen Arm und Reich klafft, baut Bane übrigens seine gesamte pseudo-revolutionäre Kampagne in The Dark Knight Rises auf.
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Ja, es gibt die Wayne Foundation, aber wie für alle reichen Kapitalisten ist das auch im Falle Bruce Waynes anscheinend nur ein Alibi. Ein wenig Philanthropie gehört in diesen Kreisen einfach zum guten Ton. Wem es wirklich ernst ist, der lebt nicht mutterseelenallein in einer Villa—ach was: einem Schloss—auf dem Land. Einem Schloss, das zig bedürftigen Familien Platz bieten und damit dem Nachwuchs eine lebenswerte Kindheit sichern würde. Habt ihr euch schon mal den Garten angesehen? Soviel Wiese sehen die meisten Kinder nicht einmal im Fußballtraining. Zumal Bruce Wayne in jedem x-beliebigen Zimmer in einem seiner zig Hotels wohnen könnte (was er ja auch tut, nachdem Wayne Manor im großen Finale von Batman Begins abgefackelt wurde). Wenn es ihm wirklich, wirklich ernst wäre, würde er auch die Zimmer seiner Hotels Bedürftigen überlassen. Dieses Verhalten ist die Grundeigenschaft eines jeden konservativen Kapitalisten: Hauptsache, das Eigentum bewahren und alle anderen davon ausgrenzen.
Zugegeben, am Ende von The Dark Knight Rises wird die Hälfte von Wayne Manor in ein Kinderheim umgebaut, aber da hatte Batman bereits das Handtuch geworfen. Außerdem sind Kinderheime längst nicht das Nonplusultra der Wohltätigkeit. Kinderheime lindern wie Batman selbst nur die Symptome eines kranken Systems, das ungeplanten Nachwuchs zum schwerwiegenden wirtschaftlichen Faktor für Menschen machen, die sich mit ihren schlechtbezahlten Jobs schon ohne Kinder kaum über Wasser halten können. Die Ursachen bleiben unangetastet.
Und was hat eigentlich dieser Batman-Scheinwerfer gekostet?
In einem kapitalistischen System führt man Veränderung auf zweierlei Arten herbei: Einerseits durch friedlichen Boykott, doch es wird schwer, einen coolen Comic oder Action-Blockbuster über einen friedlichen Boykotteur zu kreieren. Andererseits kann man versuchen, das System mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen: mit Geld. Geld im Überfluss. Bruce Wayne ist jedoch weit davon entfernt. Im Gegenteil. Er hilft lediglich dabei, die Gefängnisse voll zu halten, wovon wiederum einige Kapitalisten enorm profitieren. Er beliefert das Militär, das ein großes Interesse am Chaos und den Verbrechen in der Welt hat, weil es nur in einer chaotischen und verbrecherischen Welt zum Krieg blasen kann. Und könnt ihr euch vorstellen, welche Auswirkungen Waynes Nuklearreaktor auf den Energiesektor hätte, einen der letzten lukrativen Wirtschaftszweige, neben der Kriegsindustrie und dem privaten Gefängnissektor? Eine Menge reiche Menschen würden hohe Verluste einfahren. Halt, das stimmt nicht: Sie würden lediglich nicht noch mehr Geld machen.
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Die wahren Kriminellen wie Banker, die durch Spekulation ganze Existenzen zerstören, Politiker, die junge Männer und Frauen in illegale Kriege entsenden, oder Richter, die drakonische Strafen für Kleinkriminelle verhängen, kommen davon—auch mit Batman in der Stadt. Bruce Wayne ist also eigentlich gar kein Superheld. Er ist schlicht ein weiterer Kapitalist, der seine Kapitalisten-Freunde bei Laune hält, indem er ihre Geschäftsmodelle nicht in Frage stellt. Und bevor ihr in die Kommentare schreibt, dass auch andere Superhelden sich bisher nicht gerade im Bekämpfen des Kapitalismus und mit dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft beschäftigt haben: Die meisten von ihnen sind keine Superreichen, die vom System auch noch profitieren. Spiderman kann man keinen Vorwurf machen, weil er noch ein Teenager ist und nicht über die notwendigen Mittel verfügt. Dasselbe gilt für Superman: Er ist vielleicht stark, aber auch pleite (er ist Journalist in seiner Freizeit, das sagt eigentlich alles).
Ich hoffe wirklich, Superman verpasst diesem Heuchler im kommenden Film einen gehörigen Arschtritt. Auch wenn Batman als Privatpatient wahrscheinlich kein Problem damit haben wird, sich eine passende Salbe für die Schwellung verschreiben zu lassen.
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Titelfoto: Peter Woodman | Flickr | CC BY-SA 2.0