​Warum bin ich sonntags immer so deprimiert?

Dass ich an einem durchschnittlichen Sonntag schon deprimiert aufwache, ist so sicher wie das Amen im Gebet. An Sonntagen finde ich mein Leben furchtbar und mein Liebesleben sowieso aussichtslos. Meine Oberschenkel finde ich viel zu fett und nichts, was ich mache, ändert etwas daran. Auch einigen von meinen Freunden geht es ähnlich. Bei manchen meiner Freunde geht es so weit, dass sie sich am Samstag schon beschissen fühlen, weil sie wissen, dass morgen Sonntag ist.

Sonntag ist ein unbesiegbarer Feind; der Endgegner, der jede Woche wiederkehrt. Egal, welche aufmunternden Worte ich von meinen Freunden höre oder ich mir selbst vorsage—nichts ändert sich. Ich fühle mich einsam und bemitleidenswert, wenn ich alleine vor dem Fernseher liege und mir das Nachmittagsprogramm reinziehe—und genau das mache ich dann auch den ganzen Tag. Mich selbst bemitleiden und im schlimmsten Fall noch an den kommenden Montag denken.

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Aber warum ist es gerade an Sonntagen immer so schlimm? Ich verbringe auch an anderen Tagen manchmal Abende alleine auf der Couch. Dann habe ich aber meistens nicht das Gefühl, ich sei eine alte Jungfer, sondern genieße das Alleinsein irgendwie und weiß die Vorzüge des Single-Lebens zu schätzen. Genauso weiß ich auch wochentags oft nicht, was am nächsten Tag in der Arbeit und auch sonst auf mich wartet. Trotzdem kann ich gut mit dieser Ungewissheit leben und finde sie irgendwie angenehm. Nicht so am Sonntag. Der Sonntag macht mich zu einem emotionalen Wrack, das bei TV-Ausstrahlungen von Katy Perrys Tour-Doku „Part of me” vor Rührung zu heulen beginnt. Kein Scherz.

Schon 2014 hat uns Die Welt erklärt, dass es klugen Menschen sonntags schlecht geht, weil sie sich schlecht fühlen, wenn sie einfach mal nichts machen und Angst vor der kommenden Woche haben. Das Ganze nennt sich Sonntagsneurose. Trotzdem kann das nicht die ganze Erklärung sein. In meinem Kopf passiert an Sonntagen mehr als die bloße Furcht vor der kommenden Woche. Und ein schlechtes Gewissen, weil ich mal nichts mache, habe ich auch nur dann, wenn die Deadline einer Uni-Arbeit kurz bevorsteht.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Sonntag der allgemein akzeptierte Kuscheltag ist, an dem man erstens einen anderen Menschen braucht und zweitens nichts anderes machen kann, als herumzuliegen und im Kreis zu denken. Die Geschäfte haben geschlossen, die Menschen haben sich verkrochen, alles steht still. Das deprimiert.

Wenn man dann versucht, sich mit einem Blick auf Instagram oder Facebook abzulenken, macht das alles noch viel schlimmer. Fotos von Kakaotassen mit Marshmallows drin, in Decken eingewickelte Beine oder Bilder von dem absurd aufwendigen Frühstück, das irgendein Instagram-Starlet von ihrem perfekten Freund ans Bett serviert bekommen hat, lassen das eigene Frühstück im Bett mit drei Tage altem Vollkornbrot und die Aussicht auf einen Tag voll von purem Nichts gleich noch viel schlimmer erscheinen.

Ich bin es gewohnt, entweder ständig irgendetwas zu erledigen, To-Do-Listen abzuarbeiten oder—wenn alle Punkte abgehakt sind—mich zu unterhalten oder unterhalten zu werden. Da kann es schon mal schwierig sein, die völlige Langeweile wertzuschätzen und es einfach mal zu genießen, dass man Zeit für sich hat oder Dinge wie das penible Ausdrücken aller Mitesser oder Rechnungen sortieren erledigen kann, zu denen man sonst nie kommt. Aber ich glaube, man kann es lernen. Vielleicht werden wir irgendwann doch noch Freunde, du langweiliges Arschloch.

Sogar zum Twittern ist Verena an Sonntagen zu deprimiert: @verenabgnr


Titelbild: Petras Gagilas via photopin (license)