Warum deutsche Synchronfassungen von Filmen oft so scheiße sind

Im Vergleich zu Ländern wie Spanien oder Italien sind die Film-Synchronisationen, die wir im deutschsprachigen Fernsehen und Kino vorgesetzt bekommen, reinste Meisterwerke der Übersetzungskunst. Trotzdem gibt es auch hierzulande immer wieder Beispiele grauenhafter Synchronisationen. Serien sind dabei noch häufiger betroffen als Kinofilme. Aber warum sind gute Übersetzungen und Synchronisationen überhaupt so schwierig?

Universitätsprofessor Rainer Maria Köppl, stellvertretender Leiter des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Wien, der viel zu diesem Thema geforscht und veröffentlicht hat, meint dazu: „Synchronisation ist ein verdammt schwieriges Geschäft. Es handelt sich dabei zweifellos um die schwierigste Art der Übersetzung.”

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Köppl weist darauf hin, dass für eine gute Synchronisation mehrere Faktoren ineinander greifen und funktionieren müssen. „Ich vergleiche Synchronisationen immer mit chirurgischen Operationen. Man schneidet ein wichtiges Organ heraus und ersetzt es durch eine neues. Das kann manchmal gut gehen, aber sehr oft geht die Operation schief.”

Am anspruchsvollsten ist die sogenannte Lippensynchronisation, bei der Bild und Ton möglichst gut zusammenpassen sollen. Denn Sprache unterscheidet sich nicht nur im Gesprochenen, sondern auch in der Bewegung. „Wir haben bei ,Baum’ eben eine andere Mund-, Lippen- und Kieferbewegung als bei ,tree’ oder ,arbre’”, erklärt Köppl.

Als erschwerender Faktor kommt hinzu, dass unterschiedliche Sprachen auch eine unterschiedliche Syntax haben, sprich im Original Wörter eines Satzes nicht unbedingt in der selben Reihenfolge wie in der Synchronfassung auftauchen. Damit entstehen neue Schwierigkeiten, da etwa wichtige Wörter mit Mimik und Gestik unterstrichen werden, oder, um dem Gesagten mehr Ausdruck zu verleihen, andere Körpersprache—wie etwa auf den Tisch hauen—hinzukommt. Dies muss aber auch an der richtigen Stelle passieren, was die Synchronisation erheblich erschwert.

Ein weiteres Element schlampiger, fehlerhafter, oder auch komplett falscher Übersetzungen und Synchronisationen ist der Zeitdruck, unter dem Synchronsprecher stehen. Gerade in Deutschland—und damit jenem Land, aus dem der Großteil der Synchronisationen stammt, die in Österreich laufen—arbeiten Synchronsprecher meist freiberuflich und werden nach Takes bezahlt. Ein Take ist dabei eine zusammenhängende Szene, die am Stück gesprochen wird und einige Sekunden dauert. Sie wird mit etwa zwei bis vier Euro vergütet. Ein Spielfilm besteht aus etwa 600 bis 800 Takes—wobei nicht jeder Take denselben Synchronsprecher hat. Reich werden kann man als Synchronsprecher nur in Ausnahmefällen.

Foto: Luci Correia | flickr | CC BY 2.0

Der Zeit- und Leistungsdruck hat natürlich Auswirkung auf die Qualität, wie Rainer Köppl erläutert: „Es besteht klarerweise ein Unterschied, ob man unter Druck sofort die Lösung eines Problems finden muss, oder ob man darüber schlafen kann und dann eine wunderbare Lösung findet. Man muss also die prinzipiellen Schwierigkeiten von der Qualität, die unter den gegebenen Bedingungen möglich ist, unterscheiden.” Viele Produktionsfirmen versuchen aber noch nicht einmal, diese mögliche Qualität zu erreichen. „Synchronisationen werden lieblos verblödelt, dumm und bemüht lustig gemacht”, wirft Köppl den Synchronisationsfirmen vor.

Das hat System. Auffallend häufig sind Übersetzungs- und Synchronisationsfehler bei Arbeiten von Ivar Combrinck. So häufig, dass man dem 2006 verstorbenen deutschen Schauspieler, Synchronsprecher, Dialogbuchautor und Synchronregisseur beinahe schon Absicht unterstellen muss.

Er „übersetzte” nicht nur Dialoge im Film; bei ihm veränderten sich auch Titelsongs, Rollennamen, Titel und manchmal auch der Inhalt. Combrinck war unter anderem für die Übersetzung von Die Simpsons, Family Guy und Futurama zuständig. Aus letzterer Serie stammen die beiden wohl berühmtesten Übersetzungsfehler Combrincks. Die Übersetzung von „Control-Alt-Delete” mit „Alternativkontrolllöschung” und „Debugger” mit „Entwanzer” sorgten nicht nur unter Fans für Kopfschütteln und Belustigung.

Im Zuge der deutschen Ausstrahlung von Die Simpsons kreierten Fans der Serie eine eigene Sammlung von falschen oder manipulierten Übersetzungen, die sogenannten B.A.R.T.-Files (Bugs And Rigged Translations). Ivar Combrinck wies Kritik an seinen Übersetzungen meist zurück. Er sei kein Rohübersetzer und es ginge ihm nicht um eine wortwörtliche Übersetzung, sondern eine deutsche Adaption.

Gerade diese Art von deutscher Adaption, die nicht immer nur sprachlicher Natur ist, kritisiert auch Rainer Maria Köppl: „In Deutschland hat sich schon vor Jahrzehnten eine Kultur herausgebildet, in der Filme und Fernsehserien respektlos umsynchronisiert werden, um sie an den Markt anzupassen”. Er verweist auf Beispiele wie Bud-Spencer-Filme und Serien wie Die Zwei mit Roger Moore und Tony Curtis.

Bis heute werden in deutschen Synchronisationen teilweise auch Inhalte, die als politisch unangenehm betrachtet werden, verändert oder „wegsynchronisiert”. Das berühmteste Beispiel dafür ist der US-amerikanische Filmklassiker Casablanca. 1942 als Propagandafilm gegen das nationalsozialistische Deutschland gedreht, blieb in der deutschen Synchronisation 1952 von Regime-Kritik und Widerstandskampf nicht viel übrig. Aus dem englischen Politthriller wurde eine deutsche Romanze. Auch das vielzitierte „Schau mir in die Augen, Kleines” kommt im englischen Original nicht vor. Erst 1975 wurde eine neue Synchronfassung ausgestrahlt.

Ähnliches geschah mit Hitchcocks Notorious, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs spielt. Die Bösewichte in dem Thriller sind Nationalsozialisten, die sich nach Brasilien abgesetzt haben und versuchen, im Auftrag der IG Farben—einem im Dritten Reich aufgrund von Arisierungen und Zwangsarbeit groß gewordenen ChemieunternehmenUran zu schmuggeln. In der deutschen Fassung fehlt von der IG Farben bis heute jede Spur und aus den uranschmuggelnden Nazis wurden Drogenschmuggler.

Aber auch in neueren Filmen, wie etwa Die Hard, werden die deutschen Bösewichte umgedichtet. Statt gegen das „Radical West-German Volksfrei Movement” mit seinem Anführer Hans Gruber, kämpft Bruce Willis plötzlich gegen eine Gruppe undefinierter Europäer mit komischem Akzent und ihren Anführer Jack. „Die Bösen sind immer die anderen”, kritisiert Köppl. „Das hat eine lange Tradition. Wenn die Nazis im Original die Bösen sind, dann werden für den deutschen Markt andere Bösewichte erfunden.”

Vor allem seit Filme und Serien dem deutschen Publikum durch DVD und Internet auch im Originalton zugänglich sind, formiert sich eine Bewegung, die die Ausstrahlung im Zwei-Ton-Kanal fordert. Wenn auch viele Kinofilme mittlerweile im OmU-Format laufen, ist man im Fernsehen davon immer noch weit entfernt—zumindest, solange man nicht extra dafür bezahlen möchte. Denn für die deutschen und österreichischen Sender ist es eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung. Für das englische Original eines Films oder einer Serie müsste extra bezahlt werden. Und das rechnet sich auf unserem Markt einfach (noch) nicht.

Sowohl Synchronisations-Befürworter als auch Gegner haben schlüssige Argumente für ihre Meinung. Letztlich liegt die Entscheidung aber ohnehin beim Konsumenten, denn Streamingdienste und Pay-TV spielen eine zunehmende Rolle und ermöglichen einem, nicht nur das Original in guter Qualität (legal) zu genießen, sondern es auch direkt mit der Synchronisation zu vergleichen—und das wird in Zukunft auch auf konventionelle Sender und Synchronisationsfirmen einen gewissen Einfluss haben.

Paul auf Twitter: @gewitterland