Warum die United-Fans Schweinsteiger bei seiner Einwechslung so euphorisch bejubelten

Die Mentalität der Arbeiterstadt Manchester ist Bastian Schweinsteiger quasi auf den Leib geschnitten. Vielleicht sahen auch deshalb viele Fans im Old Trafford bei seiner Einwechslung beim League-Cup-Viertelfinale gegen West Ham United Parallelen zu sich selbst: Frenetisch bejubelten sie den 32-Jährigen bei seiner Einwechslung in der 86. Spielminute. Nie hatte Schweinsteiger laut seinen Unmut verkündet. Trotz seines Arbeitseifers wurde er ein ums andere Mal gedemütigt. Vielleicht mag Schweinsteiger nicht mehr der Jüngste und sein Körper nicht mehr im besten Zustand sein, aber die Einstellung stimmt. Das macht ihn im Gegensatz zu seinem Trainer nahbar—nach seiner Einwechslung bedankte er sich sogar bei via Facebook bei den Besuchern.

Auch wenn etwa der Guardian von „ironischen Gesängen” berichtet, waren sich auch die meisten englischen Medien darüber einig, dass der Empfang für Schweinsteiger sehr emotional war. Mourinho musste das Spiel von der Tribüne verfolgen, da er beim vorherigen Spiel eine Flasche weggetreten hatte. Die tatsächliche Strafe für „The Special One” werden aber die Begeisterungsströme für den Deutschen gewesen sein. Lange war es eine von Mourinhos Kernkompetenzen, seine Mannschaft mit Nebenkriegsschauplätzen vor Negativschlagzeilen zu schützen, aber diese Fähigkeit ist spätestens seit seiner letzten Amtszeit bei Real Madrid passé. Er ist ein Typ an dem man sich reibt, dadurch entsteht aber nicht nur Feuer sondern auch ab einem gewissen Punkt verbrannte Erde.

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Im Gegensatz zum Mittelfeldspieler: Schließlich fiel es Jogi Löw wohl auch wegen seiner Art abseits des Platzes so schwer sich von ihm in der Nationalmannschaft trennen zu müssen. Genau wegen dieser Fähigkeit mussten sich er und Lukas Podolski gegen Ende auch immer öfter Maskottchen-Kommentare anhören. Denn mit seiner Erfahrung und professionellen Arbeitseinstellung kann er für junge Spieler nicht nur ein Vorbild sein, sondern auch dabei helfen in der Welt des Sports Fuß zu fassen. In Manchester musste er—Gerüchten zu Folge—dennoch seinen Spind räumen.

Statt sich auf den Kleinkrieg mit Mourinho einzulassen, arbeitete er weiter akribisch an seinem Comeback. Und wurde am Mittwoch nach 255 spielfreien Tagen endlich dafür mit sieben Minuten Einsatzzeit belohnt. Das Publikum empfing ihn bei seiner Einwechslung mit stehenden Ovationen. Schließlich sind sie auch fundamentaler Bestandteil des Mythos, der Schweinsteiger trotz der widrigen Umstände im Nordwesten Englands hielten. Darin wird die gegenseitige Anerkennung neben den vergangenen Erfolgen wohl auch wurzeln. Auch dürfte der Jubel für den abgeschobenen Schweinsteiger umso größer gewesen sein, weil United den schlechtesten Saisonstart seit 2004 hinlegte.

Der Auftritt wird jedoch—trotz der Fanreaktion und des Saisonstarts—eine Ausnahme bleiben. Sein Chef Jose Mourinho war für das Spiel gesperrt und man darf am Ende auch nicht unterschätzen, dass der Kurzeinsatz „nur” im League Cup stattfand—dem unwichtigsten der drei nationalen Wettbewerbe. Der Portugiese würde wahrscheinlich nicht einmal bei einem Dreierpack des Aussortierten über seinen Schatten springen—da er Schweinsteigers Verbleib scheinbar als Beleidigung auffasst.

Wenn es nach Uli Hoeneß ginge, sollte Schweini Manchester United bluten lassen—indem er Golf spielt oder mit seiner Ana durch den Canal Grande schippert, während er stoisch seinen Millionenvertrag absitzt. Für den Spieler scheint das aber auch im Herbst seiner Karriere nie eine Option gewesen zu sein. Er will es den Kritikern noch mal beweisen und nicht einfach so unrühmlich seine Karriere beenden. Denn auch wenn es der neue alte Bayern-Präsident nicht wahr haben will: Für den ehemaligen Kapitän des FC Bayern ist Manchester United irgendwie auch eine Herzensangelegenheit, was seine bisherige Odyssee eindrucksvoll beweist. Wenn auch eine sehr, sehr gut bezahlte Herzensangelegenheit.