Warum es gut ist, dass man Frei.Wild von der Reeperbahn vertrieben hat

Sie haben es mal wieder geschafft: Frei.Wild sind in aller Pop-Journalisten Munde. Grund ist ein leider recht kluger PR-Move: Sie erweckten ordentlich dreist den Eindruck, sie würden im Rahmen des Reeperbahn Festivals in der Platzhirsch Bar auf dem Hans-Albers-Platz, also mitten auf dem Hamburger Kiez, auftreten.

Die Verantwortlichen des Festivals reagierten auf diese Provokation schnell und direkt:

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„Laut einer heute von der Band Frei.Wild lancierten Meldung auf ihrer Homepage erweckt die Südtiroler Band den Eindruck, auf dem Reeperbahn Festival 2015 zu spielen. DAVON DISTANZIEREN WIR UNS ENTSCHIEDEN. Zu KEINER Zeit hätten wir der Band ein Forum oder eine Bühne geboten.
Allerdings gibt es auf St. Pauli mehrere Clubs, die während des Reeperbahn Festivals nicht mit unserem Programm bespielt werden – und weiterhin für Veranstaltungen mietbar sind, die nichts mit dem Reeperbahn Festival oder seinem Programm zu tun haben.“


Zudem leitete das Reeperbahn Festival rechtliche Schritte ein. Gleichzeitig brach der übliche Shitstorm los, offenbar Antifa-nahe Kreise errichteten eine Facebook-Gruppe und attackierten alle, die irgendetwas mit dem angekündigten Konzert zu tun zu haben schienen.

Frei.Wild hingegen wuschen ihre Hände in Unschuld, gaben an, das Reeperbahn Festival selber gerne besuchen zu wollen und inszenierten sich allgemein zum wiederholten Male als zu unrecht als Rechts stigmatisierte Opfer, die eigentlich für „Love & Peace“ stehen. Den Linken unterstellte man süffisant, sie hätten einfach zu viel gekifft. Ein paar Tage später schließlich machten Frei.Wild zum wiederholten Male einen Rückzieher und sagten ihr Konzert ab. Außerdem jagte die Band zwei weitere Statements ins Netz und befeuerte somit erneut den Märtyrer-Kult ihrer Fans. In ersterem bezeichneten Frei.Wild die Pegida-Anhänger als Idioten und gaben an, für die Aufnahme von religiös oder anderweitig Verfolgten in Deutschland einzustehen. Parallel dazu verhöhnte die Band in ihrem zweiten Statement das Reeperbahn Festival, Hamburg und die Antifa:

„Ach du schönes Hamburg, ach du große Freiheit, ja, ach du wunderbares Reeperbahnfestival!
Wie bunt, wie weltoffen, wie integrativ, wie demokratisch verankert, ja wie verdammt tolerant du doch bist. Schön waren die letzten Tage! Amüsant und zugleich sehr lehrreich für uns alle. Tja, mit Hilfe der sehr professionellen, politisch absolut mittigen, friedliebenden, menschenvereinenden, ja teilweise auch überhaupt nicht schreibwütigen Medien, ist unsere angekündigte Gold- Verleihung im Platzhirsch einer unglaublichen Begeisterung zu Teil geworden.
Rot geschwenkte Fahnen mit lustig schwarz vermummten Männchen zeugten von einer feierfreudigen Arbeiterbewegung ohne Arbeit und mit längst schon uncoolen Kreuzchen verzierte Frei.Wild- Schriftzüge strahlten auch von den Mauern verkannter Sprühkünstler.“

Eines muss man Frei.Wild zugestehen: Sie wissen, wie leicht sie uns auf die Palme bringen können. Für den gemeinen Fan der Band steht die versammelte links-liberale Presse nicht zum ersten Mal als intoleranter Haufen da, der einer friedliebenden, toleranten Band die Kunstfreiheit nehmen will. Frei.Wild dürften sich also klar als Gewinner fühlen. Den Auftritt im Platzhirsch haben sie zwar verloren, aber für ihre Inszenierung als unverstandene Rebellen, die als einzige gegen das „intolerante“ Kultur-Establishment kämpfen, war diese Woche mal wieder Geld wert. Ihre Methoden ähnelten dabei denen von rechten Parteien wie der NPD. Geschickt manövriert man die verhasste, bürgerliche Welt aus und versucht so, den Eindruck zu erwecken, dass in Wahrheit nicht die braven Patrioten Frei.Wild, sondern die „linken Gutmenschen“ die intoleranten Drecksschweine sind. Frei nach dem Motto: „Wir haben nichts gegen Ausländer, wir mögen nur die Schmarotzer nicht.“

Das ist selbstverständlich zum Kotzen. Trotzdem war der lautstarke Protest gegen den Auftritt alternativlos. Die regelmäßigen Provokationen seitens Frei.Wild kommentarlos durchzuwinken wäre inakzeptabel gewesen. Ebenso unnötig war es allerdings, den Limonaden-Fabrikanten Fritz Kola dafür mit an den Pranger zu stellen, dass eine zweite, an die Platzhirsch Bar angeschlossene, Bar ihren Namen trägt. Nicht weniger nervig war auch der pöbelige Kommentar des sogenannten „Kiez-Königs“ Kalle Schwensen, der in einem langen Facebook-Post das Reeperbahn Festival der Intoleranz bezichtigte, weil die angeblich „bigotte und voreingenommene“ Gutmenschen seien, die Frei.Wild alleine aus dem Grund in die rechte Ecke stellen, dass sie „sich in ihren Liedern und Texten zu ihrer Tiroler Heimat bekennen”.

Im Speziellen letzterer Diskussionsbeitrag zeigt: Es ist wichtig, dass wir uns weiter gegen nationalistisches Gedankengut in der Popkultur stellen. Denn: Wenn eine Hamburger Kiez-Legende der geschickten Opferlamm-Strategie von Frei.Wild auf den Leim geht, dann ist er damit nicht alleine, dann gibt es auch Tausende andere (Nicht-Frei.Wild-Fans), die genauso denken. Dagegen sollten wir uns weiter stemmen, selbst wenn wir damit die Vorurteile der Frei.Wild-Anhängerschaft bestätigen.

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