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Warum ich kein schlechtes Gewissen habe, wenn ich mit verheirateten Männern schlafe

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In der 10. Klasse hat mir meine Englischlehrerin eines ihrer Lieblingsbücher geliehen: Olympia. Es war nicht der erste Roman, den ich von ihr bekam, aber es war der erste, der mich angemacht hat. Er handelt von der Affäre eines 15-jährigen Mädchens mit einem verheirateten 40 Jahre alten Arzt. Es waren die ersten expliziten Sexszenen, die ich zu lesen bekam. Ich war begeistert.

Ich las heimlich: nachts unter meiner Decke, im Badezimmer, hinten im Bus. Es gab mir ein kribbliges Gefühl. Heute weiß ich, dass das die Lust auf Sex und Selbstbefriedigung war. Damals hatte ich mit beidem noch keine Erfahrung. Es waren nicht nur die Sexszenen, die mich so anmachten. Es war das ganze Szenario: die Sehnsucht, das unausgesprochene Verlangen, das Verbotene.

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Ein paar Tage nach meinem 18. Geburtstag lernte ich meinen ersten Freund kennen. Er war damals mit einer anderen zusammen. Er und sie hatten sich im Ausland verliebt und sie lebte immer noch dort. Eines Tages tauchte er in der Küche einer Freundin auf und meine Knie wurden butterweich. Ich hatte so etwas noch nie gespürt. Wir blieben ein Jahr zusammen.

Immer wieder sah ich auf seinem Handy liebevolle Nachrichten von ihr auftauchen. Sie waren also weiterhin zusammen. Ich hatte allerdings nie den Mut, das Thema anzusprechen. Aus Angst, dass er Schuldgefühle bekommt. Dann würde er sich entscheiden müssen – und wahrscheinlich nicht für mich. Er war meine erste Liebe, mein erster Orgasmus, die erste Person, mit der ich auf der Straße Händchen halten wollte. Es tat weh, dass er auch eine andere liebte, aber im Großen und Ganzen überschattete es unsere Beziehung nicht. Wir trennten uns, sie blieben zusammen und sind es immer noch.


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Ein Jahr später hatte ich meine erste Beziehung mit einem verheirateten Mann. Ich war 19 und er war jemand, der mir in einer schwierigen Phase geholfen hatte: mit einem Job und viel Wein. Ich war jung und er sah aus wie einem Marc-O’Polo-Katalog entsprungen, mit Rollkragenpulli, Patchouli und leichtem Stoppelbart. Ich stand auf ihn, bevor ich den Job annahm. Als er dann anfing, während der Arbeit mit mir zu flirten, machte ich natürlich mit. Es war so offensichtlich, dass andere mich warnten, er sei verheiratet. Ich wusste nicht viel über ihn und seine Ehe, aber ich hörte häufig, wie er und seine Frau sich auf dem Parkplatz im Auto anschrien, und ich wusste, dass sie getrennt voneinander lebten. 

Eines Tages tauchte er übel zugerichtet zu einer Mittagsschicht auf. Er hatte blaue Flecken und Bissstellen am ganzen Körper. Ich sah, dass er geweint hatte. Ich umarmte ihn und er weinte noch mehr, dann küsste er mich. Es war seinerseits wohl eine impulsive, emotionale Reaktion, aber in mir spürte ich ein aufregendes Gefühl. Es war der Beginn einer On-Off-Beziehung, die fast ein ganzes Jahr anhielt.

In dieser Zeit habe ich mich häufig gefragt, ob ich ein schlechter Mensch bin, weil ich mit ihm Sex habe, ohne ein schlechtes Gewissen zu kriegen. Seine Frau brachte ihn öfter zur Arbeit, ich sah Bilder von ihnen auf Social Media. Vorwürfe machte ich mir trotzdem keine. 

Es gibt definitiv einen Teil in mir, der diese Betrügerei nicht gut findet. Es ist nie produktiv, einem Problem mit Lügen zu begegnen. Viel mehr hatte ich das Gefühl, dass ich ihm etwas ermöglichte, das er für sich selbst brauchte. Dafür fühlte ich mich nicht schlecht.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie es herausfand. Es geschah an dem Tag, an dem sie in seine Wohnung stürmte und uns nackt auf der Couch vorfand. Er erstarrte, umklammerte mich, während sie uns musterte. Es war, als würde sich ein drückendes Gewicht auf den Raum senken, als hätten beide gleichzeitig erkannt, dass es vorbei ist. Nach gefühlten Minuten verließ sie die Wohnung, ohne ein Wort zu sagen. 

Ich habe sie danach nie wieder gesehen.

Er hatte mir gesagt, dass er mich liebe. Ich habe es ihm nie abgekauft. Und ich glaube, dass ich damit recht hatte. Ich fühlte mich von ihm so angezogen, wie ich Mitleid mit ihm hatte, aber es machte mich irgendwie an, wie er auf mich angewiesen war. Seine Bedürftigkeit spiegelte sich auch in unserem Sex wider. Er war so intensiv und leidenschaftlich, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.

Die ganze Sache endete, als seine Frau herausfand, dass sie schwanger war. Wir gingen getrennten Wege, sie ließen sich ein Jahr später einvernehmlich scheiden. 

Seitdem bin ich noch mehr als einmal “die andere Frau” gewesen. Es waren nicht alles ernste Beziehungen und es waren nicht nur verheiratete Männer. Einige waren in Langzeitbeziehungen, andere in kurzen, wieder andere waren in einer Pause oder befanden sich gerade im Trennungsprozess. Sie waren nicht immer ehrlich, was ihren Beziehungsstatus anging, aber ich fragte auch selten. Solange von meiner Seite keine Gefühle involviert waren, interessierte mich das nicht.

Eine Illustration mit Servietten, auf die eine Nummer geschrieben ist
Servietten | Alle illustrationen von Owi Liunic

Wir sollten unbedingt mehr über Untreue reden. Historisch gesehen hat sich “die andere” in so einer Konstellation nie auf großen Zuspruch für ihre Beziehungsentscheidung verlassen können – nicht von ihrer Familie, ihren Freunden und häufig noch nicht mal von ihrem Liebhaber.

Wie die belgische Psychotherapeutin Esther Perel in ihrem Buch Die Macht der Affäre schreibt, wird “die andere” von Eheberatern und Therapeutinnen beiseite geschoben, wenn nicht gar komplett ignoriert. Von der breiten Masse wird sie beschimpft und als egoistische und berechnende Figur dargestellt. Eine komplexe Person mit eigenen Wünschen und Gefühlen sehen nur die Wenigsten. Wir machen sie zur Bösen, als wäre sie einzig und allein für das Ende der Beziehung verantwortlich. Als hätte sie es mit Absicht getan.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es bei Untreue weniger um Verlogenheit geht als darum, sich selbst zu entdecken. Wir sind alle für unsere Entscheidungen verantwortlich, aber ich habe es nie als meine Pflicht angesehen, einer Person aufgrund ihres Beziehungsstatus etwas auszuschlagen. Es gibt verschiedenste Gründe, warum Menschen in festen Beziehungen untreu werden. Nicht alle sind entschuldbar, aber oft folgen sie dabei einem Instinkt.

Nehmen wir den Mann aus New York. Er war mit einer älteren Frau verlobt, die ich erst Monate später durch Instagram entdeckte. Er war über die Weihnachtsfeiertage nach in meine Stadt gekommen, um seine Familie zu besuchen, aus irgendeinem Grund ohne seine Verlobte. Ich bediente ihn extrem verkatert an einem Sonntag in der Bar, in der ich arbeitete. Eine Woche später liefen wir uns auf der Straße über den Weg. Wir drehten uns beide um, stellten uns vor und zogen zusammen weiter. Ein paar Stunden später schwammen wir nackt und Champagner trinkend in einem Pool.

Für mich war es eine Sommergeschichte, für ihn eine Affäre. Er erzählte mir oft, dass er Angst vor dem Älterwerden habe, so zu werden wie seine Eltern – wie es alle von ihm erwarteten. Er hatte das Gefühl, in seinem Job festzustecken und in dem, was er vom Leben noch erwarten konnte. Mit schlauen Lebensratschlägen konnte ich, 20 Jahre jünger, ihm nicht wirklich dienen, aber ich muss ihm durch Ablenkung einen gewissen Trost gespendet haben. Ich war jemand, mit dem er wenigstens so tun konnte als ob. 

Emotional bedeutete mir die Beziehung nicht viel, trotzdem war ich traurig, als er zurück nach New York ging – und verwirrt, als er mich auf Social Media blockierte. Später fand ich heraus warum. Ich habe seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen, über gemeinsame Bekannte habe ich allerdings erfahren, dass er die Verlobung kurz nach seiner Rückkehr platzen ließ. 

Gerade liebe ich jemanden, der nur in einer Beziehung ist: in unserer. Es ist mein erstes Mal und es ist verdammt schön. Je mehr Erfahrung ich auf der anderen Seite der Untreue gemacht habe, desto weniger attraktiv wurde sie. Die Lügen fingen an, nur noch anstrengend zu werden – und nicht länger sexy. Ich war bereit, mich in jemanden zu verlieben, der frei ist und mich einfach zurücklieben kann.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich es nie mehr aufregend finden werde, die andere zu sein. Verbotene Liebschaften machen mich in Filmen, Büchern und meiner Fantasie immer noch an. 

Dieser Rückblick hat dazu geführt, dass ich mir vor Kurzem Olympia bestellt habe. All die Jahre später habe ich mich gefragt, ob meine eigenen Erfahrungen der Geschichte ihren Reiz genommen hat. Wahrscheinlich nicht. Gerade ist die Post gekommen. Während ich das Paket aufmache, durchströmt mich ein bekanntes Kribbeln.

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