Schreien gehört in der Küche fast schon zum guten Ton. Man brüllt zwar nicht die ganze Zeit wie Gordon Ramsay rum, aber es ist auch nicht alles eitel Sonnenschein.
Die meisten Köche haben es schon mal mit einem idiotischen Küchenchef zu tun gehabt, der die ganze Zeit rumbrüllt.
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Wenn nicht, dann haben sie zumindest mal für einen netten Chefkoch gearbeitet, der sich, wenn er wütend war, in ein schreiendes Küchenmonster verwandelt hat. Auf jeden Fall wurde man in seinen Lehrjahren angeschrien, und das oft. Bei mir war das zumindest so.
Je nachdem, wer dich anschreit, bist du entweder fassungslos, verschreckt, eingeschüchtert oder scheißt dir vor Angst in die Hosen. Kein Koch wird gerne angeschrien. Wenn das doch mal einer behauptet, ist der wahrscheinlich verrückt. Halt dich bloß von solchen Leuten fern.
Für viele ist es ganz normal, dass man in der Küche seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat und schnell ausfällig wird. Sie akzeptieren das, weil „es nun mal so in der Küche zugeht” und weil „ein Ausraster in der Küche bei dem immensen Druck und der Verantwortung einfach dazugehört”.
Natürlich gibt es Restaurants, wo ein Team aus Arschlöchern dir fantastische Gerichte zaubert. Aber es gibt genauso viele Restaurants, wo man sich im Team respektiert und professionell zusammenarbeitet—und genauso exzellent kocht.
Ich habe sowas nie richtig akzeptiert. Als junger Koch habe ich den Anschiss einfach über mich ergehen lassen. Aber berechtigt oder zielführend war eine solche Art der Zurechtweisung meiner Meinung nach nie. Dieses Gefühl hat sich mit zunehmender Erfahrung in verschiedenen Küchen, wo man die ganze Zeit angeschrien wurde, nur verstärkt. Vor ungefähr zweieinhalb Jahren hat mich ein Küchenchef, damals in Paris, lauthals gefragt: „Warum sieht alles, was du kochst, wie ein Haufen Scheiße aus?” Da hatte ich genug.
Es gibt zwei Arten von brüllenden Köchen: die Tyrannen, die Leute gern einfach fertig machen, und die Köche, die ihre Emotionen in Stresssituationen nicht unter Kontrolle haben.
Bei den Tyrannen geht es immer auf die persönliche Ebene. Wenn sie dich anbrüllen, dann wollen sie dich fertig machen, dich verletzen und nicht nur deine Arbeit kritisieren. Das sind eigentlich ganz kleine, unbedeutende Menschen, die denken, Professionalität heißt, sich wie ein Arschloch zu verhalten. Früher wurde mir gesagt, dass ich mit solchen Typen klarkommen muss, wenn ich in den besten Restaurants arbeiten will. Zum Glück stimmte das nicht: Natürlich gibt es Restaurants, wo ein Team aus Arschlöchern dir fantastische Gerichte zaubert. Aber es gibt genauso viele Restaurants, wo man sich im Team respektiert und professionell zusammenarbeitet—und genauso exzellent kocht. Letztere sind mir die liebsten Restaurants.
Dann gibt es noch den anderen Typ Küchenchef. Die schreien dich an, weil sie nicht genug Selbstkontrolle haben, um mit starken Emotionen normal, das heißt mit Achtung und Respekt vor dem Anderen sowie konstruktiv, umgehen zu können.
Wenn du in der Küche arbeitest, insbesondere als Küchenchef, ist so ein emotionaler Kontrollverlust bei der Arbeit einfach nicht zu entschuldigen.
Durch das Anbrüllen entsteht in einer eh schon stressigen und emotionsgeladenen Arbeitsumgebung nur noch mehr Stress und es kochen noch mehr Gefühle hoch.
Es ist ja nicht so, als wüssten wir nicht was passiert, sobald wir uns die Schürze umlegen. Als Küchenchef habe ich Verständnis dafür, dass meine Köche jeden Tag Fehler machen. Ich weiß, dass einige von ihnen besser sind als andere. Ich weiß auch, dass jeder mal einen schlechten Tag hat. Irgendwann kommt jeder mal zu spät zur Arbeit oder gart den Fisch nicht richtig durch oder macht seinen Arbeitsplatz nicht sauber oder macht irgendetwas anderes, das mich wütend macht oder mich einfach nur enttäuscht. Und ich bin mir bewusst, dass ich mit all diesen Dingen klarkommen muss—mal davon abgesehen, muss ich auch noch meine eigenen Fehler und Schwächen als Koch akzeptieren und an ihnen arbeiten.
Das ist mir und jedem, der irgendwann einmal in einer Küche gearbeitet hat, klar.
Wenn man auf solche Probleme reagiert, indem man ausrastet (also ob das so unvorhersehbar war…), ist das ehrlich gesagt ein bisschen dumm. Meiner Meinung nach entsteht so in einer eh schon stressigen und emotionsgeladenen Arbeitsumgebung nur noch mehr Stress und es kochen noch mehr Gefühle hoch.
Als Jugendlicher—ja, mit langen Haaren und Hawaiihemd und in dem festen Glauben, dass ich Mädels damit imponieren könnte, dass ich Churchills Abhandlung über den Zweiten Weltkrieg lese— bin ich über ein Zitat gestolpert, das mich immer noch begleitet: „On ne règne sur les âmes que par le calme.“—„Nur ein ruhiger Geist kann Andere leiten.”
Einige Küchenchefs, für die ich gearbeitet habe, haben sich an diese Maxime gehalten—sie habe ich respektiert und bewundert. Jeden Tag, den ich mit meinen Mitarbeitern in der Küche stehe, versuche ich, so zu sein wie meine Vorbilder—mit all meinen kleinen eigenen Fehlern.