Warum junge Menschen fremdgehen

Ich habe Leute betrogen und bin betrogen worden. Tatsache ist, ich habe jeden einzelnen meiner Freunde betrogen, abgesehen von meinem Mann. Ich bin eine schreckliche Person. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht bin ich einfach wie der Rest von euch.

Das Ding beim Fremdgehen ist: Ohne die Angst dabei erwischt werden zu können, gäbe es das gar nicht. Wenn irgendwo im Wald ein Baum umfällt, während du deinen Nachbarn vögelst, hat es deine Freundin dann wirklich gesehen? Zu sehen, wie man die Person, die einem so viel bedeutet, mit seinen eigenen selbstsüchtigen, niederen Bedürfnissen verletzt, gibt Fremdgängern das Gefühl, Abschaum zu sein. Erst wenn man erwischt wird, merkt man, dass man wirklich Scheiße gebaut hat. Auf der anderen Seite gibt es unzählige Sexualtherapeuten und Polyamoristen, die einem erzählen, dass Monogamie sowieso unnatürlicher Schwachsinn ist—wie auch die Zahl der Leute, die fremdgehen, belegt. Aber wenn es so lächerlich ist, warum wirkt es dann so anziehend? Warum paaren sich Enten und bleiben ein Leben lang zusammen?

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Mein Grund war das Recycling. Ich habe meinen jeweiligen Freund immer mit seinem Vorgänger betrogen—in der Regel nur, um mir selbst zu beweisen, dass mein Ex immer noch auf mich stand, oder aus irgendeiner anderen Unsicherheit heraus. Ich kann mich noch daran erinnern, wie mich mein damaliger Freund erwischt hat, weil er eine Nachricht von meinem Ex las, als ich gerade schlief. Es ist mit nichts zu vergleichen, morgens um 5 Uhr von seinem gekränkten, rasenden Freund geweckt zu werden, der gerade herausgefunden hat, dass du mit deinem Exfreund geschlafen hast.

Ich weiß auch, dass mich einer meiner anderen Freunde betrogen hat (Um fair zu bleiben: Ich habe ihn auch betrogen und zwar mit meiner Professorin, aber glaubt mir, das war es wert). Nachdem ich es herausgefunden habe, habe ich meinen Freund zum Sex verleitet und mich rittlings auf ihn gesetzt. Als wir gerade voll dabei waren, habe ich mich mit meinen Armen auf seine Schultern gestützt und gesagt: „Ich weiß, dass du sie gefickt hast.” Sein Ständer verschwand sofort.

Fast jeder ist schon mal fremdgegangen, hat es ernsthaft in Erwägung gezogen oder wurde schon mal betrogen. Ich weiß, warum ich es getan habe, aber ich wollte wissen, warum andere Leute dasselbe Bedürfnis haben.

Foto: Sarina | Flickr | CC BY-ND 2.0

Mike*

Eine Ehe ist von Natur aus eine langwierige Angelegenheit. Wir waren seit 25 Jahren zusammen. Sie blieb zuhause, während ich arbeiten ging. Wir hatten bestimmte Verhaltensmuster entwickelt, die unsere Beziehung über die Jahre hinweg immer problematischer machte: Wir machten uns gegenseitig Vorwürfe, ich betäubte mich, ekelte mich vor mir selbst und flüchtete mich in die Arbeit, um Abstand von unseren Problemen zu gewinnen. Nachdem unser zweites Kind aus dem Haus war, bin ich eingeknickt und wollte raus, aber ich fühlte mich, als säße ich in der Falle, weil sie mir immer Dinge sagte wie: „Ich würde mich umbringen, wenn du mich verlässt.” Ich bin explodiert, versuchte es mit Online-Dating und hatte am Ende über mehrere Monate fünf Affären gleichzeitig. Es war verrückt. Eine [meiner Affären] war Mitte 40. Wir fingen auf der Stelle eine intensive dominant-devote Beziehung an, die sich immer mehr ausweitete. Dann war da dieses tätowierte Mädchen um die 20, die sich für französische Literatur und James Joyce begeisterte. Ich habe ihr Studentendarlehen abbezahlt. Als ich dann später mit ihr Schluss machen wollte, ist sie ausgeflippt und meinte, wenn sie schon alles verlieren würde, könnte sie meiner Frau auch gleich alle unsere Nachrichten schicken.

Ich bin explodiert, versuchte es mit Online-Dating und hatte am Ende über mehrere Monate fünf Affären gleichzeitig. Es war verrückt.

Nach sechs Monaten Ehetrauma haben wir schließlich eine Therapie gemacht. Meine Frau wollte wissen, wer die Frauen waren [mit denen ich sie betrogen habe]. Ich hatte monatelang schwere Schlafstörungen, weil sie aufblieb und meine Profile nach Hinweisen durchforstete. Ich habe mich vor mir selbst geekelt, habe mich gehen lassen, habe eine Waffe gekauft, bin zu Treffen für Sexsüchtige gegangen und habe Lügendetektortests gemacht. Am Ende habe ich einen Punkt erreicht, an dem ich so erschöpft war von diesem vergifteten Kreislauf, dass ich sie um die Scheidung bat. Mittlerweile sind wir seit fast sechs Monaten getrennt.

Sadie

Traurigerweise, ja: Ich bin bereits fremdgegangen und zwar mehr als einmal. Ich gehe jedes Mal mit demselben Typen fremd, weil ich glaube, dass er mich dann plötzlich zurückhaben möchte. Er war meine erste ernsthafte Beziehung und definitiv auch meine erste große Liebe. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich nie wirklich über ihn hinweggekommen bin.

Kimberly

Ich war ungefähr zwei Jahre lang mit diesem Typen zusammen. Am Ende unserer Beziehung wurde er ziemlich besitzergreifend, manipulativ und ausfallend. Er hatte einige Fetische und hat oft versucht, mich dazu zu zwingen mitzuspielen. Zum Beispiel stand er auf übergewichtige Frauen und die Vorstellung, jemanden zu füttern, bis er richtig fett wurde. Als ich nein [dazu] sagte, wollte er nicht mehr mit mir schlafen. Stattdessen sah er sich in meiner Gegenwart Pornos an und masturbierte. Das war ziemlich krank und hat mich wirklich fertig gemacht.

Irgendwann war ich auf einer Party. Ich war ziemlich zerstört und auf Speed. Ich habe einem meiner Kumpels alles erzählt—er war auch ziemlich betrunken und high. Eins führte zum anderen und ich habe mit ihm geschlafen. Als ich am nächsten Tag nach Hause in unsere Wohnung kam, packte ich meine Sachen, sagte meinem Freund, was passiert war und ging zurück zu meinen Eltern. Von da an wurden die Dinge nur noch schlimmer. Es endete damit, dass er mich und meine Familie fast sechs Monate lang stalkte. Er schickte meinen Eltern Briefe, in denen stand, dass mir nur klar werden müsste, dass ich immer noch verliebt in ihn war. Mir schrieb er, dass er sich umbringen würde, wenn ich nicht zu ihm zurückkommen würde. Ich habe ihn mehr als einmal schlafend auf unserer Veranda gefunden. Oft parkte er sein Auto vor der Tankstelle gegenüber von unserem Haus und beobachtete uns einfach nur. Ich will Fremdgehen nicht entschuldigen. Es ist schrecklich, das jemandem anzutun, aber ich denke, ich kann mit Sicherheit behaupten, dass es mich aus einer ziemlich kranken Beziehung gerettet hat.

Als wir eines Tages auf der Spitze eines Bergs standen und eine Schar Adler über uns ihre unendlichen Kreise ziehen sahen, dachte ich mir: Wenn ich ihn küsse, ist meine Beziehung vorbei.

Leila

Ich war jahrelang in einen Typen verliebt, der einige Dinge an mir nicht akzeptieren konnte, die ich wiederum jedoch nicht verändern wollte. Am Ende unserer vier gemeinsamen Jahre gab er mir tagtäglich das Gefühl, dass ich und all die Entscheidungen, die ich getroffen hatte, schlecht wären. Wenn er getrunken hatte—was sehr oft vorkam—, drehte sich mir der Magen um. Es war im Großen und Ganzen eine schreckliche Zeit.

Zum Glück musste er wegen der Arbeit oft verreisen, er war fast 80 Prozent der Zeit weg. Während er weg war, beschuldigte er mich immer, dass ich fremdgehen würde, auch wenn er wusste, dass ich ein Mensch war, der keine großen Geheimnisse für sich behalten konnte.

Irgendwann erreichte ich einen Punkt, an dem ich etwas tun musste, um Veränderung in mein Leben zu bringen. Ich fing an, Zeit mit jemandem zu verbringen, den ich wirklich attraktiv fand. Erst war es nur freundschaftlich und unter einem Vorsatz—er half mir mit meiner Steuererklärung—, dann fingen wir an, zusammen Ausflüge zu unternehmen. Wir nahmen immer das gemeinsame Auto von mir und meinem Freund. Ich fühlte mich rebellisch. Als wir eines Tages auf der Spitze eines Bergs standen und eine Schar Adler über uns ihre unendlichen Kreise ziehen sahen, dachte ich mir: Wenn ich ihn küsse, ist meine Beziehung vorbei. Ich wiederholte es noch einmal stumm in meinem Kopf und küsste ihn. Ich habe es mir selbst nicht erlaubt, mit ihm zu schlafen (wir hatten allerdings Oralverkehr), bis ich mit meinem Freund schlussgemacht hatte, um einen Anreiz zu haben [die Beziehung zu beenden]. Aber ein Teil von mir war rachsüchtig und verbittert, nachdem mich mein Freund unentwegt beschuldigt hatte, ich würde ihn betrügen. Deswegen hatte ich das Gefühl, er hätte es verdient.

Zuerst habe ich mir selbst geschworen, dass ich niemals jemandem davon erzählen würde. Ich klebte die Seiten meines Tagebuchs zu und versuchte zu überspielen, dass ich unglücklich, verwirrt und aufgeregt war. Das klappte genau einen Tag. Ich öffnete mich gegenüber meinen Freunden und mir wurde klar, dass ich die Sache beenden musste. Und das tat ich ungefähr noch in derselben Woche. Jahre später, nachdem ich diesen Freund bereits aus meinem Gedächtnis gestrichen hatte, habe ich erfahren, dass er am Höhepunkt unserer Beziehung ziemlich betrunken von irgendeinem Mädchen in Australien einen geblasen bekommen hat und das die ganze Zeit über vor mir geheim gehalten hat.

Meine Freundin und ich sind seit vier Jahren zusammen. Wir leben zusammen, haben einen Hund und ein ziemliches Bilderbuchleben. Ich liebe sie sehr, aber sie ist ziemlich normal und ich überhaupt nicht.

Brady

Im Moment stecke ich mitten in einer Affäre. Meine Freundin und ich sind seit vier Jahren zusammen. Wir leben zusammen, haben einen Hund und ein ziemliches Bilderbuchleben. Ich liebe sie sehr, aber sie ist ziemlich normal und ich überhaupt nicht. Sie hat keine Lust irgendeine meiner Fantasien auszuleben. Wir haben seit zwei Monaten keinen Sex mehr.

Vor zwei Wochen hat mich eine Kollegin gefragt, ob ich auf ein Bier mit zu ihr kommen wollte. Ich war aufgeregt, aber ich dachte, dass wir einfach zusammen rumhängen würden—nicht mehr. Aber nun ja, wir hatten Sex. Es war großartig. Es machte ihr Spaß, mir meine Fantasien zu erfüllen und ihr haben die Dinge, auf die ich stehe, wirklich gefallen. Ich folge ihr auf Snapchat, also snappen wir ab und zu. Ich fange an, Gefühle für diese Kollegin zu entwickeln, aber ich liebe meine Freundin immer noch. Die Kollegin lebt am anderen Ende der Stadt und sagt mir immer, dass sie die Gegend kaum verlässt—und ich weiß auch, dass meine Freundin nie in diesen Teil der Stadt kommt. Ich fühle mich ziemlich schlecht, aber gleichzeitig frage ich mich, warum ich nicht alles haben kann?

Ich weiß, ich bin ein egoistisches Schwein. Das wird schlimm für mich enden. Das weiß ich.


*Alle Namen wurden geändert.