“Also, das ist der Stromkasten, mit dem wir immer Probleme haben, wenn Sie sich den mal…angucken…könnten”, sagt die Brünette im schwarzen Negligé zum Typ in der Sturmmaske. “Hm, ja ja, aber…äh…warum liegt hier überhaupt Stroh?”, rätselt der. Stimmt! Der weiß geflieste Raum ist voller Stroh. Gegenfrage: “Warum hast du überhaupt ‘ne Maske auf?” Die Frau in Unterwäsche wirkt verwirrt. Warum passiert hier überhaupt irgendwas? Fragen über Fragen. Der Vermummte rettet die vertrackte Situation letztlich pragmatisch: “Ja, dann blas mir doch einen.” Und genau das tut seine Partnerin.
Der kurze, irgendwie dadaistische Pornoclip schreibt in seiner Absurdität Internetgeschichte. “Warum liegt hier Stroh?” hat sich im deutschsprachigen Raum zu einer festen Redensart etabliert. Wann immer große oder beiläufige Verwunderung herrscht – “Warum geht der Drucker nicht? Wo ist eigentlich der Topf hin? Wann war noch mal der Geburtstag?” – kommt es: “…und warum liegt hier Stroh?”
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Der Fame bescherte dem Macher einen goldenen Lebensabend – nur anders, als gedacht. Denn hinter der Geschichte vom Stroh steckt auch die des Niedergangs der deutschen Porno-Industrie. Und ein Pferd.
Ein Slow Burner: Wie das Stroh viral ging
Chilloutzone.de Counter-Strike Diablo 2 Artikel über die Porno-Parodie YouTubeFür Nils Molitor steht Achtzehneinhalb 18 nicht für den großen Viral-Hit, den die Welt darin zu sehen scheint, sondern nur für eine verkorkste Szene, die er irgendwie retten musste.
Vermutlich liegt das auch daran, dass es keine Antworten zu geben scheint. Warum liegt denn da Stroh? Und warum trägt der Typ eine Maske? Selbst gutefrage.net weiß es nicht. Um den Hintergründen der Meme-Geschichte auf den Grund zu gehen, müssen wir wohl selbst nachforschen.
Die Porno-Dynastie: Wer hinter dem Stroh steckt
“Das mag man jetzt vielleicht nicht glauben, aber eigentlich stehe ich für ganz andere Filme. Mit Handlung.” Das erzählt uns der Mann, dem das deutsche Internet seine vielleicht berühmteste Redensart zu verdanken hat. Sein Name: Nils Molitor. Der 51-Jährige führte Regie bei der legendären Szene. Sie war Teil von “Achtzehneinhalb 18”, einer Sammlung aus fünf unzusammenhängenden Sex-Szenen.
Gedreht hat er die Szene Anfang 2000, erzählt uns der Regisseur. Was dann damit passiert ist, findet er schräg, aber eigentlich hat er das alles hinter sich gelassen, denn aus dem Pornogeschäft sei er schon seit Jahren raus: “Die Art Filme, die ich mache, die braucht man nicht mehr.”
Nach der Wende ist Molitor der erste ausländische Porno-Regisseur in Ungarn, erzählt er uns, und dreht in professionellen Ost-Studios Porno-Western, “so richtig mit Stuntmen und Westernkulisse.” Mit Rocco Siffredi, Italiens größtem Porno-Star und Werbegesicht für Kartoffelchips, verfilmt er “Das Bildnis des Dorian Gray” als Sexstreifen. “Eins meiner Highlights”, schwärmt der Macher am Telefon.
Dass Molitor zum Pornofilm kommt, ist wohl irgendwie Schicksal, meint er: “Mein Vater hat Pornos gedreht.” Von ihm lernt er in München die Regiearbeit von der Pike auf. “Legendäre Sachen, der erste 3D-Porno in den 70ern, mit der Technik vom Weißen Hai, das war mein Vater. Die Leute standen Schlange vor den Münchener Pornokinos!” Sogar Molitors Großvater macht Erotikfilme und bringt seinem Enkel die korrekte Arbeit mit Licht bei. Gelegentlich tauchen die anderen Molitors auch in den Credits seiner Filme auf. Eine deutsche Porno-Dynastie.
Das große Rätsel: Warum lag denn da überhaupt Stroh?
Doch um die Jahrtausendwende verändert sich etwas mit weitreichenden Folgen für das Geschäftsmodell des Familienbetriebs: Online-Pornos starten auch in Deutschland durch, werden immer beliebter und wachsen und wachsen und wachsen. Westernkulissen und italienische Stars sind out. Kurz müssen die Clips sein, auf den Punkt, Sex ohne Schnörkel. “Zack, zack”, sagt Molitor. Er muss mitziehen – und dreht in “Achtzehneinhalb 18” die Sexszene, die seine lange Porno-Karriere überschatten sollte.
“Ich wollte den Typen unbedingt vor der Kamera. Und dann kommt der und hat ‘ne Maske auf!”
Auf dem Geheimnis vom Stroh sitzt Molitor fast elf Jahre – bis ihn ein Filmteam von VICE findet. Für die Dokuserie “Wild Germany” nimmt sich VICE der deutschen Porno-Szene an und schafft es auch, Nils Molitor vor die Kamera zu bekommen: “Ich hatte da eigentlich eine voll schöne Szene geplant”, erzählt der Regisseur dem Moderator Manuel Möglich. Vor allem auf den männlichen Darsteller hat er sich gefreut. Molitor hatte gehört, “der Typ soll einen Riesenschwanz haben – den will ich unbedingt vor der Kamera. Dann kommt der und hat ‘ne Maske auf!” Eine Enttäuschung aus Gründen der Privatsphäre. Der Darsteller sagt, er hätte einen wichtigen Job in Berlin – ein Banker sei er – und würde nicht erkannt werden wollen, das wäre auch so abgesprochen. Profi, der er ist, reagiert Molitor sofort: “Dann machen wir halt richtig Trash!”, habe er dem maskierten Banker verkündet. “Du kommst jetzt rein und sagst…” – den legendären Satz.
Im Brandenburger Outback: Was danach passierte
Für Nils Molitor steht “Achtzehneinhalb 18” nicht für den großen Viral-Hit, den die Welt darin zu sehen scheint, sondern nur für eine verkorkste Szene, die er irgendwie retten musste. Rocco Siffredi hätte sich nicht einfach so eine Maske übergezogen. Für Nils Molitor steht die Szene deshalb fast schon symbolisch für den Anfang vom Ende des deutschen Pornofilms. “Das hat alles keine Wertigkeit heute mit diesen…diesen Mickey Mouse-Kameras. Früher hattest du einen Tonmann, hast ganze Straßenzüge ausgeleuchtet…das hat mir Spaß gemacht!”
Molitor hat keine Lust mehr auf billige Clips, auf wertlose Mini-Produktionen und die große Konkurrenz aus dem Netz, die die alte Garde des deutschen Erotikfilms einfach “verpennt” hatte. Nur ein Gutes hatte der Dreh, der damals im Outback von Brandenburg stattfand. Molitor fällt ein Haus mit einem Hof auf, “ganz in der Nähe” vom Drehort, an dem die legendären Worte fallen.
Drei Jahre später gehört es ihm. Mittlerweile ist in dem Produzenten der Entschluss gereift: Molitor will raus aus dem Pornogeschäft. Doch das dauert. Erst vor vier Jahren und 13 Jahre nach der Produktion der legendären Szene hat er wirklich mit seiner früheren Karriere abgeschlossen, um sich auf das zu konzentrieren, was er wirklich liebt: Pferde.
Der Produzent macht immer noch was mit Stroh
“Eine kleine Zucht ist das. American Quarterhose.” Schon während seiner Pornokarriere entdeckt Molitor das Westernreiten für sich. Das Hobby beansprucht immer mehr Zeit, bis er sich entscheidet, es schließlich zu seinem neuen Leben zu machen. “Meine Partnerin macht mit, wir haben zwei Angestellte”, erzählt Molitor. Gemeinsam züchten sie nun in Brandenburg Pferde für Turniere, in denen die Reiter Cowboy-Skills unter Beweis stellen. Die Pferde müssen kräftig sein und auf feinste Befehle reagieren können, meist werden sie einhändig geritten, damit der Reiter die zweite Hand fürs Lasso frei hat. Was sich nach einer Nische anhört, lohnt sich finanziell, meint der Züchter: “Deutschland ist dafür ein großer Markt, sehr im Kommen”. Ab 10.000 Euro aufwärts kostet ein Pferd bei Molitor, eine Grenze nach oben, gerade für Star-Pferde aus den USA, gibt es nicht.
Molitor habe ihn nie ohne Maske gesehen, beteuert er. Der einzige, der wissen könnte, wer er ist, der uns mit ihm in Kontakt bringen könnte, sei Klaus Goldberg
Molitor gefällt dieses Leben jedenfalls: “Ich fühl’ mich wohl.”, erzählt er uns. “Klar, das ist ein 24/7-Job. Die Pferde haben immer Durst, sind immer hungrig. Schon ein sehr großer Kontrast zu vorher, aber vielleicht mache ich das gerade deshalb ja so gern.” Über seine Porno-Vergangenheit wüssten viele im Pferdegeschäft Bescheid. “Kein Mensch hat ein Problem damit”, sagt er.
Das letzte Geheimnis: Wer waren die Darsteller?
So hat die Szene aus Achtzehneinhalb 18 doch noch ein Happy End. Doch was ist aus den unrfreiwilligen Stars des Clips geworden? Die sind nicht aufzufinden. Die Darstellerin Marlene Cartier, die Probleme mit dem Stromkasten hatte, ist seit über zehn Jahren aus dem Geschäft raus. Ihren bürgerlichen Namen hat sie nie angegeben: Standard im deutschen Pornofilm. Regelmäßig gibt es Stalker, die den Frauen nachstellen, auch Nils Molitor hat das mit seinen Schauspielerinnen erlebt.
Und so bleibt eigentlich nur noch ein Geheimnis um Deutschlands bekanntesten Pornoclip ungelöst: Wer war der Typ in der Maske?
Molitor habe ihn nie ohne Maske gesehen, beteuert er. Der einzige, der wissen könnte, wer er ist, der uns mit ihm in Kontakt bringen könnte, sei Klaus Goldberg: ein ehemaliger Berliner Porno-Produzent, der den “Typen mit dem Riesenschwanz” in der Swingerszene gefunden haben soll. Aber Goldberg macht sich rar.
Nils Molitor kann das und die verrückte Entwicklung seines Clips zum Internet- und Sprachphänomen aber egal sein. Nach Softpornos für den Pay-TV-Sender Premiere, Filmverkäufen an französische Bezahlsender, Beate Uhse TV, interaktiven CD-ROMs und Porno-Western ist er nun wirklich raus aus der Erotik. Stroh beschäftigt ihn natürlich immer noch. Aber mit den Filmen ist er fertig. “Ohne Porno wäre ich nicht hier”, resümiert er – aber jetzt haben die Pferde Vorrang.