Popkultur

Warum ‘Star Wars’ noch immer keine Galaxis für Frauen ist

Eigentlich schien das Problem bereits ein Ding der Vergangenheit: Star Wars – die gigantische Weltraumopern-Obsession mehrerer Generationen an Fans – hatte mit der neuen Trilogie fleißig an seinem Frauenbild herumgeschraubt. Die Filmreihe, die von brünetten Quotenfrauen in sexy Outfits geprägt worden war, deren Rolle in erster Linie darin bestand, Motiv für die männlichen Helden zu sein, schien endlich neue Wege einzuschlagen. Nur: Der Großteil der Frauenfiguren – vor allem in den neuen Spin-offs – ist auch heute noch schmerzhaft eindimensional.

Und das, obwohl der Disney-”Relaunch” so gut begonnen hatte. Der erste Teil dieser Trilogie, Das Erwachen der Macht, hatte mit Jedi-Aspirantin Rey (Daisy Ridley) endlich eine weibliche Heldin und im Sequel Die letzten Jedi durfte sie sich sogar mit einer ganzen Riege an weiblichen Figuren die Kinoleinwand teilen.

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Neben der wiederkehrenden Leia Organa (Carrie Fisher) waren da noch Vice-Admiral Amilyn Holdo (Laura Dern) und Mechanikerin Rose (Kelly Marie Tran), die kein einziges Mal nur im Raum rumstanden, um einen Mann anzuhimmeln oder darüber zu reden, welchen Typen sie gut finden. Die Filme bestanden somit als erste aus der Star Wars Reihe den berühmten Bechdel-Test.

Auch, wenn Star Wars bekanntlich “vor langer Zeit” spielt, muss es moderne Geschlechterbilder mitdenken, wenn es Teil der Zukunft sein will.

Aber für eine Saga, deren Kernthematik ausgerechnet die Balance der Macht ist, war die Ausgeglichenheit der Geschlechter in der Vergangenheit immer erstaunlich kurz gekommen. Eine neue Hoffnung, der allererste Film von 1977, entstand in einer Zeit, als Frauenrollen in erster Linie als Lustobjekt dienten. Ein Kelch, der auch an Carrie Fisher nicht vorüber ging. Sie war für lange Zeit anscheinend die einzige Frau in der weit, weit entfernten Galaxis.

Ihre Prinzessin Leia mag uns heute zwar als knallharte Rebellin in Erinnerung sein – aber wenn man genauer hinschaut, bestand ihre Rolle im ersten Film darin, sich von Darth Vader entführen und von Luke und Han retten zu lassen, und sich im dritten Teil für Jabba the Hut (und eine ganze Generation an pubertierenden Burschen) in einen sexy Sklavenbikini zu zwingen.


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Ein Schicksal, das sich Jahrzehnte später bei der Figur ihrer Mutter, Padmé Amidala (Natalie Portman), wiederholte: Auch die vermeintliche Heldin in Die dunkle Bedrohung durfte sich nur ”fremd-retten” lassen und war noch dazu von Anfang an in der Prequel-Falle gefangen war: Wir alle wussten aus der ersten Trilogie, dass die Funktion ihrer Figur im Wesentlichen darauf beschränkt war, von Anakin schwanger zu werden und kurz nach der Geburt zu sterben. Der Satz “Was wirst du tun, Ani“, fasst ihre Funktion in Die Rache der Sith ziemlich umfangreich zusammen.

Die aktuelle Trilogie, die derzeit unter der Schirmherrschaft von Disney entsteht, wird dagegen nicht nur von einem weiblichen Produzenten, Kathleen Kennedy, gemanagt, sondern auch von Regisseuren wie J. J. Abrams und Rian Johnson umgesetzt, die sich dezidiert für Feminismus einsetzen. Abrams hat außerdem eine lange Vorgeschichte mit starken Frauenfiguren und auch Johnson hat sich wiederholt für mehr Vielfalt ausgesprochen.

Zwischen Aufbruch und alten Rollenbildern

Aber das gegenwärtige Star Wars-Universum beherbergt auch die beiden Spin-offs Rogue One und Solo – und die folgen leider wieder der alten Rollenvorstellung von Frauen als Beiwerk.

Rogue One will sich zwar auch mit einem weiblichen Hauptcharakter rühmen, aber abgesehen von Jynn Erso (Felicity Jones) bleibt das weibliche Feld im Film mit Ausnahme von Senatorin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly), die in zwei Szenen kurz auftaucht, leer. Damit reduziert sich der Anspruch einer starken Heldin erneut auf die Funktion als Quotenfrau.

Ein Mittelfinger für den Bechdel-Test

Solo bietet zwar drei weiblichen Figuren Platz in der Handlung, lässt diese aber nicht miteinander interagieren. Es wirkt fast so, als würden Qi’ra (Emilia Clarke) und Val Beckett (Thandie Newton) an einem Staffellauf teilnehmen, da immer nur eine der beiden in die Handlung integriert ist. Nachdem Han Qui’ra zu Beginn des Films auf Corellia zurücklassen muss, tritt Val als Teil des Gaunerrings von Tobias Beckett (Woody Harrelson) auf den Plan, um vorerst die Rolle des Paar Brüste in der Handlung zu übernehmen.

Ihr Beitrag zur Handlung kulminiert darinnen, eine Brücke in die Luft zu sprengen. Das ist zumindest eine Aufgabe, die Urgesteine Ernest Hemingway oder Steven Spielberg in der Vergangenheit traditionell den Männern zugeteilt hatten. Ihr Ausscheiden aus der Handlung scheint auch wenig Effekt auf ihren Mann zu haben. Kurz darauf darf Qi‘ra als Aufsichtsperson des Verbrechersyndikats Crimson Dawn in der Rolle „Frau“ die Gruppe wieder ausrunden.


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Die einzige weibliche Interaktion im ganzen Film findet in einer kurzen Cockpitszene zwischen Qi’ra und dem Droiden L3 (Phoebe Waller-Bridge) statt – und ist der größte Mittelfinger in Richtung Bechdel, den man sich vorstellen kann. L3 und Qi’ra haben nämlich anscheinend keine spannenderen Themen als ihr Liebesleben; wie Frauen eben so sind, wenn sie sich unterhalten. L3s Lieblingsthema und der einzige frische Wind in der Charakterzeichnung, die Gleichberechtigung für Droiden, ist nur Hans unwirsch reagierenden Weggefährten Lando Calrissian vorbehalten.

Mit weiteren Spin-offs und Trilogien am Horizont wäre es im Sinne Kathleen Kennedys und des Star Wars-Universums, sich weniger an dem Frauenbild der alten Filme und der Spin-offs zu orientieren, sondern progressive Geschichten zu entwickeln, die von Gleichberechtigung geprägt sind.

Frauen als Protagonisten zu casten – oder in mehr als nur der Rolle des Love-Interests –, ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung und Sichtbarkeit. Aber mit der Erfüllung einer Quote ist es eben nicht getan.

Geschlechtssensibles Schreiben gegen die Love-Interest-Falle

Frauen abbilden ist ein Anfang. Dann beginnt allerdings erst die eigentliche Arbeit – und genau das ist die Veränderung von Machtverhältnissen nun mal immer. Frauen als Protagonisten sind begrüßenswert. Aber nur, wenn die weiblichen Figuren auch glaubhaft und vielschichtig – und im Idealfall nicht die einzigen Frauen im Main-Cast – sind.

Wenn hingegen eine Figur wie Jynn Erso in Solo allein auf weitem Feld steht, zerstört das jede Vermutung, dass hier Feminismus zelebriert wird. Die verklärten Blicke, die Rebell Casian und Jynn gegen Ende dann noch austauschen, legen stattdessen nahe, dass die einzige weibliche Figur hier wieder nur als Love-Interest dient.

Dabei sollte es eigentlich nie ein Problem sein, weibliche Charaktere einzufügen. Eine einfache Faustregel: Wenn man sich nicht sicher ist, welches Geschlecht eine Figur haben soll, schreibe sie als eine Frau. Oder schreibe sie genderneutral, sodass sie genauso gut Mann wie Frau sein könnte; und besetze sie schließlich so, wie es die Geschlechterverteilung des restlichen Casts verlangt, um auf ein ausgeglichenes Verhältnis zu kommen.

Dann wird die ursprüngliche Bande tollkühner Gesellen schnell durchgemischt. Genderneutrales Schreiben hat uns anno 1979 immerhin eine der coolsten Actionheldinnen der Filmgeschichte beschert: Ellen Ripley, die einzig wahre Alien-Bezwingerin.

Hände weg vom Typecasting der kleinen Brünetten

Nicht nur die Art wie die Figur geschrieben ist, kann ein schiefes Licht auf die Macher werfen. Das optische Casting war bisher ebenfalls keine Paradeleistung der Star Wars-Produzenten. Auch wenn es schön ist zu sehen, dass nicht jeder weibliche Charakter dem „Idealbild“ groß und blond entsprechen muss, scheint Star Wars eine Fixierung auf kleine brünette Frauen als Hauptfiguren zu haben.

Carrie Fisher und Natalie Portman waren nur der Anfang. In den neuen Filmen kommt es geradezu zu einer britisch-brünetten Invasion. Daisy Ridley, Felicity Jones und Emilia Clarke haken hier definitiv ein paar Boxen im Bereich „wiederkehrende Merkmale“ ab. Zwar hatte Die letzten Jedi mit Rose den ersten nicht-weißen weiblichen Charakter in einer zentralen Rolle, aber hier herrscht eindeutig noch Aufholbedarf.

Frauen sind nicht nur Männermotivation

Mindestens ebenso schlimm wie nur immer im Hintergrund zu agieren oder nur denselben Typus zu casten, ist es, wenn die weibliche Figur ausschließlich dazu dient, den Helden zu seiner Heldenreise zu inspirieren. Padmé Amidala in den Prequels ist das offensichtlichste Beispiel. Von Anfang an in der Funktion als „Brutstätte für die Zwillinge“ gefangen, musste auch ihre charakterliche Entwicklung ab dem zweiten Teil immens zurückstecken. Aus der stolzen Senatorin wurde ein Lustobjekt Anakin Skywalkers.

Im gerade laufenden Solo darf Clarkes Qi’ra zwar mit den Jungs mitmischen, ist aber nicht viel mehr als der Auslöser für Han Solos Abenteuer. Auf das Intermezzo im Millenium Falcon folgt für Han die Erkenntnis, dass Qi’ra die Macht doch anziehender findet als ihn. Dem brummigen Han aus Eine neue Hoffnung wurde also, ganz originell, einfach sein goldenes Herz gebrochen.

Qi’ra ist hier weniger Figur als Funktion: Sie ist die Erklärung, warum Han seinen naiven Glauben an das Gute verliert. Für Charakterentwicklung bleibt da nur wenig Spielraum. Selbst dort, wo sie vereinzelt als Karrierefrau auftritt, ist sie nicht das Subjekt, mit dem man sich identifizieren soll und für dessen Beweggründe man sich interessiert, sondern das Objekt, das die Geschichte Han Solos vorantreibt.

Frauen hinter die Kamera

Dieses Ziel spiegelt sich nicht nur in den Frauen vor der Kamera, sondern setzt idealerweise bereits mit Frauen hinter der Kamera ein. Eigentlich sollte das ein No-Brainer sein, es ist aber aus irgendeinem Grund bisher noch nicht passiert. Zwar rühmt sich die Mausfabrik damit, “starke weibliche Charaktere“ zu haben, trotzdem haben solche starken Frauen haben bisher weder im Regiestuhl Platz genommen, noch das Drehbuch geschrieben. Das ist ein Versäumnis. Was eine weibliche Perspektive alles ausmachen kann, hat Patty Jenkins bereits ziemlich erfolgreich mit Wonder Woman gezeigt.

Aber nicht nur das: Disney könnte damit auch eine wichtige Botschaft an die Filmindustrie schicken. Dass Frauen in der Regie stark unterrepräsentiert sind, ist ein Umstand, auf den zuletzt im Mai auch die Präsidentin der Cannes-Jury 2018, Cate Blanchett, und 81 weitere Frauen mit einem großen Protest auf dem roten Teppich hingewiesen haben.

Die Geschichte ist noch nicht fertig erzählt – und das ist eine Chance

Das Star Wars-Universum ist groß – nicht zuletzt als Geldmaschine für Disney. Und wie die Filmpläne der nächsten Jahre nahelegen, ist es noch lange nicht zu Ende erzählt. Das bietet den Macherinnen und Machern viele Chancen, nicht nur alte Klischees zu reproduzieren, sondern auch moderne Rollenbilder für die nächsten Generationen von Fans positiv neu zu besetzen.

Im Hinblick auf die kommenden beiden Trilogien zeichnet sich da bereits eine gute Richtung ab: Mit den Game of Thrones-Produzenten David Benioff and D. B. Weiss sowie dem Regisseur von Die letzten Jedi, Rian Johnson, sind hier Geschichtenerzähler an Bord, denen gute Frauencharaktere bereits zuvor gut gelungen sind. Und auch James Mangolds Boba Fett wird die eine oder andere weibliche Figur nicht schaden; vor allem, wenn sie nicht nur “Liebesaffäre“ sein muss, sondern ebenfalls Kopfgeldjägerin sein darf.

Denn auch, wenn Star Wars bekanntlich “vor langer Zeit“ spielt, muss es moderne Geschlechterbilder mitdenken, wenn es Teil der Zukunft sein will.