Alle zynischen Fußballfans haben lange darauf gewartet und heute Abend ist es endlich so weit. Tim Wiese wird in München im Wrestlingring debütieren. Zuvor wurde der Ex-Bremer in Frankfurt zusammen mit seinen Tag-Team-Partnern Cesaro—der für sein Eintracht-Trikot gefeiert wurde—und Sheamus—der für sein Bayern-Trikot ausgebuht wurde—vorgestellt. Bei der anschließenden Pressekonferenz herrschte eine starke Ambivalenz zwischen den selbstbewussten Aussagen und seiner fast schon schüchternen Art zu reden. „Meine Taktik ist, direkt auf den Gegner zu gehen und ihn komplett zu zerstören. Volle Konfrontation. Das ist mein Job”, meinte Wiese. Neben einer neuen Frisur präsentierte er auch noch seinen lang erwarteten Ringnamen: „The Machine”.
„The Machine” klingt wie einer der 35 Spitznamen, die man seiner eigenen Figur in einem Wrestling-Videospiel geben kann. Oder in einem Basketball-Videospiel. Oder jedem anderen Sportspiel. Das Problem an der Sache: Genau das könnte zum Stolperstein seiner angestrebten Karriere werden, vor allem weil die USA sein ausgerufenes Ziel sind. Dort interessiert niemanden die Tatsache, dass Wiese ein brillanter, wenn auch leicht wahnsinniger Bundesliga-Torwart war. Er muss sofort als Charakter oder als Könner auffallen. Und weder seine Skills noch der Name helfen dabei.
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Streng genommen ist die WWE auch nur eine plumpe Reality-TV-Show, bei der jeder Konflikt mit einer Tracht Prügel gelöst wird. Daher muss in erster Linie die Ring-Persona etwas—egal, ob Gutes oder Schlechtes—bei den Zuschauern auslösen, die kämpferische Qualität darf so auch mal in den Hintergrund rutschen. Das spielt auch Wiese in die Karten: Für einen Bösewicht hat er fast die perfekten Voraussetzungen, er scheint sie nur noch nicht zu sehen.
Denn ein passender Ringname wäre eine Chance für eine Corporate Identity fernab des Fußballs gewesen. Wiese wird wohl weder als Bestatter, Lucha Libre oder Torhüter antreten, noch hat er das Charisma von Kämpfern, die mit Random-Namen erfolgreich waren. Ein Paradebeispiel für Letztere: Dwayne „The Rock” Johnson, der mit 64,5 Millionen Dollar im vergangenen Jahr der bestbezahlte Schauspieler der Welt war.
„The Machine” kann alles bedeuten. Gut, böse, schnell, schwerfällig. Der Name ist so generisch wie Wiese selbst. Nicht mal wir in Deutschland wissen, wofür Wiese steht, außer dass er sein assiges Proll-Image kultiviert.
Das ist natürlich nicht sein Anspruch, trotzdem sollte er sich überlegen, wofür er in den USA stehen möchte, damit er sich im kollektiven Gedächtnis der amerikanischen Wrestlingfans festsetzt. Die größte Hilfestellung bekommt er ironischerweise von der Internet-Community, die Memes erstellt und sich sowohl Ringnamen als auch Finishing-Moves für ihn ausdenkt. Kurz gesagt: Fußballfans, die ihn über seine komplette Karriere hinweg verfolgt haben und weiterhin seinen Kultstatus festigen. Wenn man ehrlich ist, würden die im Netz vorgeschlagenen Namen wie „The Weser Warrior”, „Gym Wiese” oder „Timmynator” viel mehr zu einem interessanten Image beitragen, als einfach nur eine „Maschine” zu sein. Im Profi-Wrestling ist das schließlich kein Alleinstellungsmerkmal.
Deswegen hätte Wiese mit einem der vorgeschlagenen Namen auch berechtigt zu „All I do is win” die Halle betreten können: Zum einen hätte er so eine selbstironische Antwort gegeben, mit der er wohl auch das Denken der Internet-Community verändert hätte. Zum anderen möchte Wiese das Image eines Bösewichts haben. Ein Name mit Deutschlandbezug würde in den USA ziehen: Der klischeehafte Deutsche, der mit hartem Akzent Ansagen an die amerikanischen Helden macht und sich im Anschluss mit ihnen kloppt. Schade, dass er diese Chance scheinbar liegen lässt.