Vergangene Woche brachte das britische Craft-Beer-Unternehmen BrewDog ein „nicht-binäres Transgender-Bier” auf den Markt.
Das „No Label”-Bier sei mit Hopfen gebraut, „der sein Geschlecht vor der Ernte von weiblich zu männlich geändert hat”, so BrewDog. Damit wollen sie darauf aufmerksam machen, dass „Bier genau wie Menschen mit Stolz das sein kann, was es will”.
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Spätestens hier muss man nachhaken.
Bier kann nicht „mit Stolz das sein, was es will”. Bier kann nur Bier sein. Es kann sich nicht plötzlich Beine wachsen lassen und entscheiden, dass es an den Olympischen Spielen teilnehmen will. Es kann nicht für die amerikanische Präsidentschaft kandidieren. Tatsächlich kann es nur eins: ein chemisches Ungleichgewicht im Menschen auslösen, das entweder zu angriffslustigen Begegnungen vor der Kneipe oder zu intimen Begegnungen im Schlafzimmer führt.
Genauso wenig können Transgender-Menschen einfach das sein, was sie wollen. Sie können nur versuchen, sie selbst zu sein, ohne dass ihnen eine bittere Germaine Greer unterstellt, dass sie eigentlich nur Kanye West bumsen wollen.
Das Marketing-Team von BrewDog scheint darüber hinaus auch nicht zu realisieren, dass Trans-Menschen ihr Geschlecht nicht einfach „ändern”. Eine Transfrau wird, beispielsweise, als Frau geboren, weist aber die äußerlichen Merkmale des männlichen Geschlechts auf. Häufig versucht sie dann ihr äußerliches Geschlecht mithilfe einer operativen Geschlechtsanpassung an ihr gefühltes Geschlecht anzugleichen.
Aus diesem Grund kann eine selbstbestäubende Pflanze nicht mit einem Trans-Menschen verglichen werden. Genauso können Insekten, die sich asexuell vermehren, nicht mit Trans-Menschen verglichen werden. Dieses Missverständnis um die menschliche Fähigkeit, das Geschlecht einfach zu ändern, ist ein zentrales Element der Transphobie.
Eigentlich ist das „nicht-binäre” Bier von BrewDog nur eine Werbemasche, um den Aufschrei gegen den transphobischen Werbespot, den das Unternehmen kürzlich veröffentlichte, zu dämpfen. Der Spot schaffte es auf einen Schlag Trans-Menschen, Sexarbeiter und Obdachlose zu verspotten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis BrewDog „Prostituierten-Bier” in dildoförmigen Flaschen und „Obdachlosen-Bier”, das man nur aus Papiertüten trinken kann, rausbringt.
Ich habe Ottilie Ratcliffe von der BrewDog Presseabteilung gefragt, ob sie mir mehr über das No Label-Bier erzählen kann. „Wir wollten schon seit einer Weile ein Transgender-Bier machen, aber es war ein Gespräch mit Queerest of the Queer [eine Organisation der britischen Homosexuellen- und Transgender-Lobby] über die LGBTQI+-Community, das dieses Projekt in Gang brachte. Wir wissen, wie sensibel das Thema Transsexualität ist. Um vor allem bei den Begrifflichkeiten nichts falsch zu machen, wollten wir mit einer Transgender-Gruppe zusammenarbeiten. Deshalb verwenden wir bewusst den Ausdruck ‚nicht-binäres Transgender-Bier’”, sagte sie.
Bier kann nicht ‚mit Stolz das sein, was es will’. Bier kann nur Bier sein. Es kann sich nicht plötzlich Beine wachsen lassen und entscheiden, dass es an den Olympischen Spielen teilnehmen will. Es kann nicht für die amerikanische Präsidentschaft kandidieren.Aber bedeutet das, dass es in Ordnung ist, Trans-Menschen mit Hopfen zu vergleichen oder zu verkünden, dass sie alle „das sein können, was sie wollen”, während sie ermordet werden und viel häufiger in den Selbstmord getrieben werden als Cisgender-Menschen?
Leider führt das neue BrewDog-Bier den Mythos weiter, dass das Transgenderdasein, ähnlich wie es auch von der sexuellen Orientierung behauptet wird, eine Entscheidung ist. In Wirklichkeit führt die Schwierigkeit, sich ein stabiles Selbstgefühl zu erarbeiten, bei Trans-Menschen zu Depressionen, Selbstmord und Arbeitslosigkeit. Ein „Transgender-Bier” verhöhnt die Ernsthaftigkeit der Lage, in der sich diese Menschen befinden.
No Label ist nicht der erste Versuch von BrewDog, sich an einer LGBTQ-Kampagne zu beteiligen. Als Reaktion auf Putins Anti-Homosexuellen-Gesetze brachte das Unternehmen letztes Jahr das „Hello My Name is Vladimir”-Bier auf den Markt. Fünfzig Prozent der Erlöse gingen an die LGBT-Organisation Stonewall (nicht aber an LGBT-Organisationen in Russland selbst).
Stonewalls Begeisterung für No Label—dessen Gewinne durch Queerest of the Queer an Transgender-Jugendorganisationen verteilt werden—hält sich in Grenzen. Ein Pressesprecher der Organisation sagte: „Es ist zwar ermutigend, dass BrewDog sich für die Transjugend einsetzt und uns gefällt das ‚No Label’-Konzept, aber wir sind hinsichtlich der verwendeten Sprache besorgt. Die Trans-Community ist vielfältig—viele Trans-Menschen wollen keine geschlechtsangleichende Operation oder identifizieren sich nicht mit dem binären Geschlechtssystem. Der Sprachgebrauch von BrewDog vernachlässigt das.”
Er verharmlost es auch. Twitter-Nutzerin @S0phieH weist darauf hin: „Bier war nicht geschlechtsspezifisch, bevor ihr es dazu gemacht habt. Das ist das am wenigsten Transpositive, was Bier hätte passieren können.” @adultmomband fügt hinzu: „Transphobie ist die Erschaffung eines Trans-Biers von armseligen Cis-Typen, die Trans-Menschen kommerzialisieren und die Gewalttaten gegen sie ignorieren und weiterführen.”
Aber vielleicht unterschätzen wir alle BrewDog. Vielleicht werden demnächst Trans-Menschen nur noch das No Label-Bier trinken und sich danach besser fühlen. Vielleicht werden Cis-Menschen, nachdem sie sich genug dieser Kölsch-Variante mit 4,6 Prozent Alkoholgehalt runtergekippt haben, ihre transphobischen Scheuklappen ablegen und zu der Erkenntnis gelangen, dass es eigentlich doch ziemlich jämmerlich war, als Julie Burchill Transfrauen als „große weiße Kerle, die sich ihre Schwänze abgeschnitten haben” bezeichnete.
Meine Prognose: Die Menschen werden No Label einmal kaufen und ein paar vorhersehbare Witze reißen wie, dass ihnen nach dem Trinken Titten gewachsen sind, und BrewDog wird am Ende ganz stolz und selbstgerecht einen lächerlich kleinen Scheck an the Queerest of the Queer überreichen.
Was sagt man dazu? Prost!