Eigentlich soll es ganz einfach sein. Du gehst in einen Club und bezahlst Eintritt. Ein Teil von diesem eingenommen Geld muss der Club an die GEMA abdrücken. Diese sorgt dafür, dass “die Urheber [von Musik] einen gerechten Lohn bekommen und sich ganz auf ihr kreatives Schaffen konzentrieren können.” (Die GEMA über die GEMA) Sprich: Die Produzenten der von den DJs abgespielten Tracks werden für deren Einsatz entlohnt.
Das ist zumindest die Theorie. In der Praxis landet das Geld aus einer Vielzahl von Gründen häufig nicht bei den Künstlern oder Verlagen, deren Tracks in einer Clubnacht gespielt wurden. Mit diesem Problem der ungenauen Verteilung muss sich Deutschlandund Großbritannien rumschlagen.
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Richie Hawtin und der Soft- und Hardwareentwickler Pioneer sind sich dessen bewusst und sind nun eine Kooperation eingegangen, um diesen Missstand zu beenden. Dazu haben sie die Kampagne Get Played Get Paid ins Leben gerufen, die eine gerechte Verteilung der Gelder anstrebt. Unterstützt wird das Projekt von der Association For Electronic Music.
Die Essenz der Kooperation ist technischer Natur. Hawtin hat die App RADR mitentwickelt, die die ID von Tracks automatisch erkennt, wenn diese im Club über das Programm Traktor gespielt werden. RADR postet diese dann automatisch auf Twitter. Pioneer hat eine ähnliche Software namens KUVO. Beide Anwendungen sind nun miteinander kompatibel. Dadurch können automatisch exakte und (so die Hoffnung) vollständige Listen mit den Tracks erstellt werden, die auch wirklich in einer Nacht gespielt wurden. An dem bisherigen System wird, zum Beispiel in Deutschland häufig kritisiert, dass die eingenommen Gebühren an irgendwelche Labels und Künstler ausgeschüttet werden, weil keine genau Zuordnung der gespielten Tracks möglich ist. Denn statt flächendeckender und vollständiger Erfassung aller Clubnächte arbeitet man hier weiterhin mit einzelnen Stichproben, auf deren Ergebnisse dann die GEMA-Einnahmen aus allen Clubs verteilt werden.
Eine Video von Pioneer zur Get Played Get Paid-Initiative
Hawtins Initiative klingt doch nach einer guten Lösung, oder? Das könnte die GEMA interessieren! Auf Nachfrage teilt diese mit: “Wir haben für den Bereich Clubs und Diskotheken bereits eine Lösung.” Diese wird vom Monitoring-Anbieter YACAST bereitgestellt. Dabei handelt es sich um eine französische Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft, die seit 10 Jahren für das französische Pendant der GEMA (SACEM) das Musikprogramm in Clubs und Diskotheken durchsucht. Bereits vier Jahre lang arbeitet YACAST auch für die Schweizer Musikverwertungsgesellschaft SUISA.
Seit dem 1. Januar 2015 ist YACAST für die GEMA aktiv. Olaf Möller, erster Vorsitzender der Berliner Club Commission, ist mit dem neuen Anbieter bisher zufrieden. Möller war als Politischer Sprecher im Vorstand der Live Musik Kommission e.V. (LiveKomm) Teil der Arbeitsgruppe, die vor zwei Jahren in Abstimmung mit der GEMA einen entsprechenden Dienst auswählen sollte. “Wir haben damals mit der GEMA neue Anbieter für ein Monitoring-System weltweit recherchiert”, erzählt er im Gespräch mit Noisey. “Es ist durchaus bemerkenswert, dass die GEMA offen für eine Veränderung war.”
Die konkrete Auswahl eines Anbieters gestaltete sich jedoch schwieriger als zunächst vermutet: “Wir dachten, das müsste alles ganz einfach sein, denn es gibt ja auch Shazam.” Dem war allerdings nicht so. Dennoch: “Unter den geprüften Anbietern hatte YACAST mit die höchste Trefferquote bei der Liedererkennung, ebenso stellte sich dieser Anbieter als transparent und effektiv für die GEMA dar.” Die französische Firma löste daraufhin Media Control ab und leistet seitdem laut Möller bessere Arbeit als der vorherige Partner.
Oft wird kritisiert, dass die GEMA vor allem große Diskotheken überwacht und dementsprechend vor allem Geld an Künstler auf Major Labels ausschüttet. Daher fordern viele ein permanentes Monitoring von alles Clubs, um auch die Künstler zu entlohnen, die auf kleinen Labels veröffentlichen. Selbst wenn das technisch möglich wäre, eine Abrechnung jedes einzelnen Tracks wäre zu teuer. GEMA-Vertreter Lorenz Schmid wendet gegen die Trackgenaue Abrechnung gegenüber Bln.fm ein: “Die Einnahmen im Diskotheken- und Clubbereich sind auf der einen Seite überschaubar gering, aber die Kosten für eine trackgenaue Abrechnung sind alles andere als gering. Das heißt: Da muss sehr viel investiert werden, wenn man wirklich auf eine auf den Track genaue Abrechnung kommen will. Hier muss man sehr genau hinschauen, ob die Kosten am Schluss nicht höher sind, als das Geld, was zur Verteilung ansteht.”
Olaf Möller, Club Commission: Wir dachten, das müsste alles ganz einfach sein, denn es gibt ja auch Shazam.
Auch die Einreichung von automatisch erstellten Playlisten wie sie von Hawtin und Pioneer angestrebt wird, gestaltet sich in Deutschland schwierig. Olaf Möller sieht drei Probleme bei der Implementierung einer solchen vollautomatischen Generierung von Playlisten, die die Clubs dann an die GEMA oder ähnliche Organisationen weitergäben:
Erstens fehlt dafür laut GEMA die rechtliche Grundlage, bisher gibt es nur für Konzerte die Möglichkeit, sogenannte Musikfolgen einzureichen. Zweitens hat die GEMA-Arbeitsgruppe von Möller herausgefunden, dass derzeit weltweit kein Anbieter in der Lage ist, sowohl technisch als auch effizient 100% Erkennung anzubieten. Und drittens ist es derzeit so, dass nur einer von zwölf Clubs auf Anfrage die Anfragen von YACAST positiv reagiert und eine Monitoringbox zu seinem Floor aufstellt.
Viele Clubs wollen mit der GEMA offenbar so wenig wie möglich zu tun haben. Sie bezahlen in der Regel ohnehin eine Pauschale. Diese basiert auf der sogenannten GEMA-Vermutung. Außerhalb des Monitoring, sofern es überhaupt durchgeführt wird, nimmt die GEMA an, dass Musik gespielt wurde, die gebührenpflichtig ist. Aufgrund dieser Vermutung zahlen Clubbetreiber Gebühren—und zwar selbst dann, wenn ein Großteil der Tracks einer Clubnacht gar nicht von Künstlern stammt, die bei der GEMA registriert sind. Diese Regelung ist sehr umstritten und sorgt oft für Unmut bei den Clubbetreibern.
Die Sachlage ist also insgesamt komplexer als es das platte GEMA-Bashing weismachen will, das überall betrieben wird. Die Problematik ist auch nicht rein technischer Natur, wie es die Kooperation von Hawtin und Pioneer impliziert. Damit dein Eintrittsgeld in Zukunft auch bei den richtigen Künstlern ankommt, müssen alle Akteuere ihren Beitrag leisten—auch die Clubs.
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