Warum „Weiße Jungs bringen’s nicht” der beste Basketball-Film aller Zeiten ist

Es hätte nicht überraschen dürfen, dass Weiße Jungs bringen’s nicht neu verfilmt wird. Neuauflagen von Kult-Filmen, die günstige Kassenschlager waren, sind für Filmstudios ein sicheres Brett. White men can’t jump (Originaltitel) war wohl ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Streetball-Boom in den Neunzigern. Alle paar Monate lief der Streifen auf einem RTL-Kanal, was einen beachtlichen Teil von einer Generation halbstarker Kids anfixte, an deutschen Stahlkörben Crossover und Deine-Mutter-Witze zu üben.

Aber wie konnte man es bei den Charakteren auch nicht?

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Billy (Woody Harrelson), der mit der weißen Landei-Masche Spieler auf den Plätzen von Los Angeles abzockt. So wie das smarte Großmaul Sydney (Wesley Snipes), der eigentlich schon jeden Trick kannte. Der sah in der Zusammenarbeit der beiden ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell. Von da an hustlen die Partner gemeinsam durch Watts und Inglewood und spielen verdutzte Gegner mit einem vernichtenderen Spruch nach dem nächsten an die Wand. Die Komödie kann man sich wegen ihres Tempos und der liebenswerten Charaktere immer und immer wieder geben. Vielleicht wird sie deswegen auch so unterschätzt. Der Film kann einfach so nebenherlaufen und wenn man dann reinschaut und was aufschnappt, muss man einfach lachen oder staunen. Dabei ist der Streifen viel mehr als eine drollige Sportkomödie. Verwandte und Freunde Stanley Kubricks beteuern, dass Weiße Jungs bringen’s nicht einer der Lieblingsfilme des legendären Regisseurs war.

Der Film hat einen ganz klaren sozial-kritischen Auftrag. Er kam im März 1992 in die US-amerikanischen Kinos, einen Monat vor Beginn der Black Riots in Los Angeles, in denen 53 Menschen bei Protesten gegen Polizeigewalt gegen Schwarze starben. Regisseur und Autor Ron Shelton ist ein ausgewiesener Experte für smarte Sportkomödien und drehte mit Wohlwollen kritisierte Streifen wie Annies Männer, Bull Durham oder Blue Chips. Er war der einzige weiße Filmemacher, der mit Weiße Jungs bringen’s nicht einen Film des New Black Cinema produzierte. Wie in jedem erfolgreichen Sportfilm der Neunziger geht es um die Underdog-Geschichte, doch hier bleiben die Underdogs die Underdogs. Und selbst sportlicher Erfolg tröstet nicht darüber hinweg, dass du Sklave des Geldes bist. „Money be green”, heißt es, und die Farbe grün bestimmt dein Handeln. Allerdings siehst du nur schwarz und weiß.

Nun ist der Film 25 Jahre her, doch wie schafft man eine 2017er-Übersetzung eines weißen Hillbillys, der im Ghetto Schwarze abzieht? Dabei ist ein schlauer Kommentar im von Polizeigewalt und Alt-Right-Bewegung geprägten Trump-Amerika nötiger als je zuvor. Produzieren wird den Film Kenya Barris, Erfinder von Black-ish, einer preisgekrönten Sitcom über einen erfolgreichen schwarzen Familienvater, dem das Verhalten seiner Familie zu weiß geworden ist. Co-Produzenten werden Blake Griffin, seines Zeichens Ex-Sunnyboy und Dunkmaschine der Los Angeles Clippers, sowie Ryan Kalil, der bestbezahlte NFL-Center der Carolina Panthers.

Foto: Imago/United Archives

Damit die Produzenten aber auch nichts falsch machen, lohnt sich eine genaue Analyse, was die Komödie zum besten Basketball-Film aller Zeiten machte.(Bevor ihr meckert: He Got Game ist ambitioniert, aber anstrengend, Coach Carter ist (nur) besser als gedacht und Above the Rim ist in Wahrheit nur cool, weil Tupac mitspielt.)

Die Charaktere:

Wer die Rollen von Billy Hoyle und Sydney Dean im Remake übernehmen soll, steht noch nicht fest. Michael B. Jordan und Miles Teller scheinen die Favoriten zu sein. Und darauf wird es ankommen, der Film speist sich besonders aus den liebenswerten Charakteren. Billy ist ein sympathischer Idiot, der immer und immer wieder auf die Schnauze fällt. Trotzdem ist er furchtlos und kann das Gequatsche seiner meist schwarzen Gegenspieler ganz locker auskontern. Sydney allerdings ist der perfekte Schauspieler, der auf dem Spielfeld nicht ganz so cool ist wie Billy, sich dafür aber höhere Ziele steckt und sie konsequent verfolgt. Für ihn gibt es keine Zocker-Ehre, es geht ihm einzig und allein darum, für seine Familie zu sorgen. Regisseur Ron Shelton erklärte 25 Jahre später in Entertainment Weekly, was die Chemie der beiden Schauspieler ausmachte: „Woody kann großartig kontern. Wesley bringt einen witzigen Spruch und Woody stiehlt den Moment mit seiner Reaktion. Das ist der Schlüssel für Chemie und das findest du nicht häufig. Du brauchst zwei Menschen, die das können, was der jeweils andere nicht kann.”

Foto: Imago

Während sich Sydney und Billy als Alpha-Tiere geben, stehen sie doch unter dem Pantoffel ihrer Frauen. Billys schrullige Freundin Gloria büffelt Lexikon um Lexikon für den Fall, dass endlich die Game-Show Jeopardy anruft. Nebenher versucht sie verzweifelt, Billy Verantwortung beizubringen. In Sydneys Fall ist es seine Frau Rhonda, die mit ihm das wahre Team bildet und dafür sorgt, dass sie den Fokus nicht verliert: aus dem schäbigen „Vista View”-Apartments-Block rauskommen, um in eine bessere Zukunft zu blicken.

Der Trashtalk:

Der wahrscheinlichste Grund für den Erfolg des Films ist das lustige Gequatsche seiner Protagonisten auf dem Basketballplatz. Die deutsche Synchronisation hat einen ziemlich guten Job gemacht, doch die ganze Wirkung entfaltet sich erst im Original-Ton. Wenn man weiß, dass „Bricks”, also Ziegelsteine, ein Synonym für furchtbare Würfe sind, dann versteht man auch diese Beleidigung von Billy: „Why don’t we take all these bricks and build a shelter for the homeless, so maybe your mother will have a place to stay. I want her out of my house. Right now.”

Durch das konstante Gelaber wird der Gegner aus dem Konzept gebracht – auf und neben dem Platz. Wenn Billy hasserfüllt fragt, auf wie viele Abendessen Sydneys Familie wegen seiner Goldkette verzichten musste, dann versteht man, wie mächtig diese Form der psychologischen Kriegsführung sein kann. Dabei geht es gar nicht darum, ob man die Wahrheit erzählt. Das beste Beispiel ist die aus der Luft gegriffene Geschichte von Sydney, dass er mal gegen Michael Jordan einen Punkt erzielt hätte: „Michael Jordan came down to the beach one time… took him to the hole baby! Air Michael Jordan to the hole. Can you believe that? And he said: ‚Yo, you should play Summer Pro League!’ But I said: ‚No! That shit might mess up my game!’” Auch wenn du das nicht ernst nehmen kannst, es wird dich doch zumindest für einen kurzen Augenblick zum Nachdenken bringen. Und das reicht meist schon für deinen Gegner aus.

Die Basketball-Szenen:

Auch wenn der Film so viel mehr erzählt, legte Ron Shelton ein großes Augenmerk auf die Basketballszenen. Dafür verpflichtete er für die Produktion NBA-Legende Bob Lanier.

Der Center erklärte, dass Harrelson im Vergleich zu Snipes der bessere Basketballer sei. „Ich hatte eine gute Technik, gute Pässe, gute Defense, aber jeder Schuss, den ich nahm, war ein Brick“, erklärte Snipes später „Jedes mal, wenn ich geworfen habe, auch wenn er nicht reinging, quatsche ich so, als ob er reingegangen wäre. Ich habe dich glauben lassen, dass du Glück hattest, dass der Ball nicht reinging.” Aus diesem Grund ist folgende Szene umso beeindruckender:

Auch beim Shoot-Out am Anfang treffen beide zweimal in Folge, ohne dass es einen Schnitt gab – gar nicht so leicht. Die Szenen wurden häufig aus der Totalen gefilmt, was die Leistung der Protagonisten nochmal beeindruckender machte. Shelton legte ein besonderes Augenmerk auf die basketballerische Authentizität. Die Rolle des verrückten Raymond übernahm Marques Johnson, ein fünffacher NBA-All-Star. Sonics-Legende Gary Payton gab er eine Statisten-Rolle. Die Spieler zockten auch in den Drehpausen weiter. In der Szene, in der Billy sein Turnierpreisgeld aufs Spiel setzte, weil er behauptete, er könne dunken, ging es tatsächlich um Einsatz. Als Snipes zwischen den Takes in seinen Trailer ging, setzte die Crew den Korb etwas herab, gab Harrelson Kleber in die Hand und zack, plötzlich konnte auch der Weiße dunken.

Während sich klassische Basketballfilme häufig auf den künstlichen Spannungsaufbau bis zum letzten Wurf verlassen, wird in Weiße Jungs bringen’s nicht der wunderbare Sport Streetball überhöht. Auch wenn es um verdammt viel Geld geht, musst du beim Streetball immer noch gut aussehen, um deinen Gegner zu verhöhnen. Und so werden umständliche 360-Korbleger eingestreut, genauso wie Behind-the-back-Pässe und ausgestreckte Zungen. Doch bei aller Besessenheit fürs Detail, um Streetball authentisch zu zeigen, sind manche Szenen schlichtweg übertrieben. Wie zum Beispiel Billys Wurf auf den „Sudan”. Versuch mal, aus zwölf Metern per Hakenwurf den Korb zu treffen – wenn dir der Arm nicht abfiel, dann schick uns die Aufnahme. Aber ob Billy wohl traf?

Natürlich werden ich beim Remake mit einer gehörigen Portion Skepsis ins Kino rennen. Mal abgesehen von der Tatsache, dass Polizeigewalt und offener Rassismus in den USA wieder salonfähig geworden sind und es eine Komödie braucht, die diese Missstände smart aufgreift – ich muss einfach wieder mein Arsenal an „Deine-Mutter-Witzen” auffrischen.