Beim „Tag der Frau“ gibt es für Unternehmerinnen Schmink- statt Business-Tipps

Frau in der Wirtschaft ist eine Organisation der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), die den „wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmerinnen” unterstützen soll—grundlegend eine schöne Idee. Schließlich diskutiert man nicht zu Unrecht auch in Deutschland seit geraumer Zeit darüber, wie sich die Frauenquote in Führungspositionen erhöhen lässt. Das soll vor allem beim „Tag der Frau” geschehen, die Veranstaltung der steirischen Wirtschaftskammer, die am 6. Juni stattfindet, sorgt jetzt aber für Aufregung.

Allerdings nicht bei Männerrechtlern und Antifeministen, die sich sonst immer gerne zu Wort melden, wenn sie sich in ihrer männlichen Vormachtsposition bedroht fühlen. Beworben wird das Event in der Einladung mit „Schnuppern Sie sich durch das exklusive Duftbuffet und erfahren Sie von ausgebildeten Visagistinnen Geheimtipps für Ihr optimales Sommer Make-up!”, eine Beauty Lounge steht bereit. Nach der Keynote gibt es eine Modenschau. Statt beruflich erfolgreiche Frauen zu unterstützen und ernstzunehmen, reduziert man sie also augenscheinlich auf Geschlechterstereotypen.

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Screenshot: Facebook

Die Grazer Unternehmerin Maria Reiner zeigt sich nicht nur auf Facebook, sondern auch gegenüber Broadly verärgert: „Dieses Angebot interessiert mich leider überhaupt nicht und ist eigentlich ein Skandal. Eine Institution wie die WKO hat ja auch eine bewusstseinsbildende Vorbildfunktion. Und daher ist es auch wichtig, dass gewisse Standards von ihnen vorgegeben werden. Ich würde der Frauenabteilung der WKO empfehlen, sich in dieser Sache von Expertinnen coachen zu lassen. Immerhin schaffen es andere öffentliche Einrichtungen, wie zum Beispiel die Stadt Graz auch, auf ein bestimmtes Level zu kommen. Vielleicht wissen sie es einfach nicht besser? Beauty- und Familien-Themen haben bei einer derartigen Veranstaltung nichts verloren, genauso wenig wie das Kinderbetreuungsthema nur den Frauen zuzuordnen ist.”

Die Landesgeschäftsführerin von Frau in der Wirtschaft, Elke Jantscher-Schwarz, bestätigt Broadly das Programm, wonach Schminktipps angeboten werden und erklärt: „Wir bedauern natürlich, dass dieses Zusatzangebot hier falsch verstanden wurde. Im Vordergrund steht ganz klar der Vortrag von Daniela Ben Said. Verkaufspsychologie, Kommunikation und Körpersprache sind hier der Inhalt und der Nutzen dieses Vortrages.” Aber auch jener Vortrag wird kritisiert. Brigitte Hinteregger, ehemalige Frauenbeauftragte der Stadt Graz und Mitglied im Grazer Frauenrat, erwidert gegenüber Broadly: „Was sagt man Frauen damit? Setzt eure körperlichen Reize ein, damit ihr etwas erreicht. Das ist erfolgreichen Unternehmerinnen gegenüber wirklich ungerecht.”

Ein weiterer Grund für die Beauty Lounge sei wohl die gute Rentabilität, zumindest deutet das Jantscher-Schwarz an: „Das Rahmenprogramm wird durch KooperationspartnerInnen unterstützt, die wir nicht zuletzt auch für die Finanzierung einer solchen Großveranstaltung brauchen. Die Beauty Lounge wurde aufgrund der großen Nachfrage im Vorjahr heuer wieder in das Programm aufgenommen.” Besucher seien nicht gezwungen, sie zu besuchen. Und überhaupt: „Die Beauty Lounge ist auch ein Unternehmen. Als WKO Steiermark vertreten wir alle Wirtschaftsbereiche und geben diesen eine Plattform.”

Brigitte Hinteregger vom Grazer Frauenrat hat dafür kein Verständnis: „Bei einem branchenspezifischen Event für Kosmetikunternehmerinnen ist das völlig in Ordnung, aber an einem allgemeinen Tag für Frauen hat eine Beauty Lounge nichts verloren. Damit zieht man erfolgreiche Frauen in den Misskredit, weil es wieder nur darum geht, wer welche Schönheitsideale definiert. Dabei wäre ein wirtschaftlicher Tag der Frau so wichtig. Bei Wirtschaftskongressen sitzen meist 95 Prozent Männer am Podium. Hier und beim Zugang zu technischen Berufen sollten die Frauen unterstützt werden. Aber dafür brauche ich wirklich keine Kinderbetreuung oder Schminktipps.” Für die Zukunft fordert Hinteregger ein tiefgreifendes Umdenken: „Keine Ahnung, was den Organisatoren da eingefallen ist. Ich befürchte aber auch, dass sie die Kritik nicht verstehen werden. Ein einzelnes Coaching reicht da nicht mehr aus. Es braucht ein radikales Umdenken—am besten in der gesamten Gesellschaft—,was Frauen in der Wirtschaft brauchen und was nicht.”

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Dass es auch anders geht, zeigte der „Tag der Frau 2015″ in Wien, der „Undoing Gendering: Raus aus tradierten Rollenbildern” zum Thema hatte. In der Presseaussendung hieß es dazu: „Tradierte Rollenerwartungen und stereotype Zuschreibungen von Eigenschaften, das sogenannte Doing Gender, bestimmen nach wie vor die Förderung und Ausübung von Unternehmerinnentum. Die typischen Eigenschaften von Frauen stehen in Widerspruch zu jenem des Ideal-Unternehmers. Wir benötigen daher ein Ausbrechen aus tradierten Rollenbildern und dem Typisch-Mann-Frau-Denken, es braucht ein Undoing Gender.”