Imam Abdel Moez al-Eila hielt Ende Januar in der berüchtigten Al-Nur-Moschee eine frauenfeindliche Predigt, die—verständlicherweise—im ganzen Land für Entrüstung sorgte. Die zwei umstrittensten Aussagen waren zweifellos:
„Wie ein Mann seine Lust an seiner menstruierenden Frau ausleben kann? Ihr dürft ihren ganzen Körper außer der Vagina und dem Anus benutzen.” Und: „Aisha berichtet uns, dass der Prophet Mohammed, SWT, ihre Vagina mit einem Lendenschurz bedeckte und dann den Rest ihres Körpers für seine Lust benutzte.”
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Weitere Auszüge aus seiner Predigt mit Übersetzung sind hier zu finden.
Dass eine breite Allianz von Muslimen solche Aussagen total abstoßend findet, belegen mittlerweile drei Strafanzeigen bei der Berliner Polizei—eine von einem anonymen Bürger, eine vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg und eine von Hakan Taş, einem türkischstämmigen Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus.
Der Zentralrat der Muslime bezeichnet al-Eila als „unqualifizierten Macho” und der große Ditib-Moscheeverein stellt klar, dass in seinen Moscheen so eine Predigt nicht möglich wäre, als ich mit dem Sprecher telefoniere.
Selbst die Al-Nur-Moschee soll sich laut Bild mittlerweile von ihrem Prediger distanziert und ihn sogar „gefeuert” haben. Aus dem Umfeld der Moschee heißt es allerdings, dass die besagte Predigt sowieso der letzte geplante Auftritt von al-Eila gewesen sei.
Eben diese Predigt war neben ihrer gesellschaftlichen Sprengwirkung vor allem eines: ein extremer Widerspruch in sich. In der Islam-Strömung, die al-Eila vertritt, geht es eigentlich die ganze Zeit darum, Sexgedanken zu unterdrücken, vor allem bei der Jugend. Sie sollen sich bedecken, Männer wie Frauen, sie sollen getrennt sitzen, sich nicht unnötig lange in die Augen blicken etc.
Und dann predigt er öffentlich vor vielleicht 100 Männern UND Frauen—einige sicher minderjährig und viele unverheiratet—und redet über Ani und Vaginen?
Dass ein alter Mann aus Ägypten das auch noch in einer frauenfeindlichen Weise tut, ist vielleicht wenig überraschend, aber vor allem interessant im Kontext einer offeneren Frauenfeindlichkeit, die in Ägypten seit der Revolution sichtbar ist. Al-Eila selbst soll übrigens verheiratet sein und Kinder haben.
In der Al-Nur-Moschee, die öfter mal konservativen und auch liberalen Predigern eine Plattform bietet, reagieren die Moschee-Verantwortlichen wie immer in solchen Fällen: Sie blocken alle Medienanfragen ab. Vor Ort weicht ein Vorstandsmitglied meinen Fragen aus und vertröstet mich, man könne gerne zu einer anderen Zeit darüber sprechen.
Ich hatte auch ein wenig gehofft, dass ich al-Eila in der Moschee antreffe, denn er gehört zur Gründungsriege und soll laut Bild auch jetzt noch dort wohnen. Aber er ist nirgends zu sehen.
Dafür komme ich beim Rausgehen mit einem jungen Gläubigen ins Gespräch, der bei dem Vortrag dabei war und am Abend an der Hochzeitsfeier eines Freundes in der Al-Nur-Moschee teilnehmen wird. Hamza, der deutsch und arabisch spricht, ist 26 und erzählt, dass die Predigt von al-Eila gut besucht war, 70 bis 80 Männer seien da gewesen, schätzt er. Frauen waren auch da, wie viele weiß Hamza nicht. Denn sie sitzen in einem separaten Raum und kriegen den Vortrag per Videostream auf einen Fernseher übertragen.
Der Imam zitierte in seiner Predigt aus einem Hadith, überliefert von Abu Huraira, einer bekannten, wenn auch umstrittenen, islamischen Quelle. Darin geht es darum, dass man—im Gegensatz zu Christen und Juden—Sex mit seiner Frau haben darf, wenn sie ihre Tage hat. Außerdem sprach er darüber, was die jüngste Frau Mohammeds, Aisha, über ihr Sexleben mit dem Propheten recht offenherzig erzählte. Die Berichte finden sich auch in den Standardausgaben der islamischen Schriftsammlungen.
„Ich kannte diese Geschichte von Aisha schon”, erzählt Hamza. „Dass er die in einer Predigt erzählt hat, hat mich erst mal nicht gestört. Aber dass er das dann alles so deutlich gesagt hat, das fand ich schon komisch. Ich glaube, er wollte einfach, dass ihm die Leute aufmerksam zuhören.” Wenn das al-Eilas Ziel war, hat er es jedenfalls erreicht.
Hamza erzählt, dass er sich nach der Predigt mit anderen über die expliziten Aussagen lustig gemacht habe. „Aber wir haben das auch nicht wichtig genommen. Viele gucken doch auch Pornos im Internet. Da finden sich viel krassere Sachen.”
Al-Eila sprach in seiner Predigt auch darüber, dass Frauen dem Mann gehorchen sollen:
„Die Frau darf ohne Zustimmung ihres Mannes keinen Job annehmen!” Und: „Sie darf auf keinen Fall ohne Zustimmung ihres Ehemannes woanders übernachten, nicht mal bei ihrem Vater.”
Mohammed ist ein anderer unverheirateter junger Mann, der öfter mal in die Al-Nur-Moschee geht und streng religiös ist, zum Beispiel auch keinen Sex vor der Ehe hat. Er verbrachte den Großteil seines Lebens im Gaza-Streifen und studiert heute in Berlin, erzählt er mir am Telefon. Die Meinung von al-Eila sei wohl die Meinung, die der Koran vertritt. Damit meint er: Was soll man dem göttlichen Wort schon entgegensetzen, auch wenn es einem nicht gefällt?
Aber er betont, dass er sich trotzdem nicht vorstellen könnte, das umzusetzen. „Ich finde nicht, dass die Frau den Mann um Erlaubnis fragen muss, wenn sie arbeiten will oder aus dem Haus geht. Das ist wohl die religiöse Meinung, aber auch wenn ich vielleicht sollte, kann ich mich danach nicht richten.”
Riem Spielhaus ist Islamwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Feminismus und arbeitet gerade an ihrer dritten Studie zu Moscheen in Berlin.
Der Medien-Hype um die Predigt nervt sie: „Aus meiner Sicht gibt es viele andere Probleme im Zusammenhang mit dem Islam und Muslimen in Berlin. Zum Beispiel wie man die Jugendarbeit in den Moscheen professionalisiert, wie man mit Islamfeindlichkeit in Berliner Schulen umgeht und nicht zuletzt, wie man die wenigen Muslime, die zu Gewalt aufrufen und Jugendliche für den Kampf in Syrien und Irak rekrutieren, hinter Schloss und Riegel bringt.”
Andrea Reimann ist eine junge deutsche Konvertitin und vertritt den Deutschsprachigen Muslimkreis. Die Aussagen von al-Eila verletzen sie nicht, erzählt sie mir am Telefon, weil sie ihn nicht so richtig ernst nehmen kann. „Aber dass sich so ein alter Herr da hinstellt und da so offen über solche Dinge spricht, ist schon befremdlich. In einer öffentlichen Predigt würde ich da nicht drüber reden.”
Andrea Reimann arbeitet selbst mit jungen Muslima, gibt ihnen Koran-Unterricht und betreut Ehepaare aus ihrer Gemeinde seelsorgerisch. Dabei benutzt dieselbe Geschichte von Aisha, die al-Eila auch zitiert, und die Hadithe von Abu Huraira. Aber sie betont, dass man die Stelle nicht verwenden kann, ohne auch andere Stellen über Frauen und Sexualität aus dem Koran in Betracht zu ziehen. „Erst dann darf man sie interpretieren.” Da gebe es beispielsweise Stellen, in denen berichtet wird, wie Mohammed im Haushalt hilft und sich mit seinen Frauen abspricht. Außerdem sagt sie: „Man kann diese Geschichte in der Paarberatung verwenden, aber dann muss man auch über die konkrete familiäre Situation Bescheid wissen und über die Beziehung, um die es geht.”
Meinungen wie die von al-Eila seien allerdings immer mal wieder zu hören, im Islam gebe es eben linke, rechte, konservative und progressive Strömungen. Dass die jungen Frauen, mit denen sie arbeitet, von solchen Predigten einen Nachteil haben könnten, bezweifelt sie. „Die wissen mittlerweile genug über ihre Religion, um bei solchen Meinungen kontra geben zu können.”