Nicht die Autorin. Foto:Lies Thru a Lens | Flickr | CC BY 2.0
Ich war 24, als ich mich für eine Nebenkarriere als Escort entschied. Mein Studium abgeschlossen, perspektivlos, aber in Berlin-Mitte in einer viel zu teuren Wohnung, ging ich eines verregneten Sonntagnachmittags die zahlreichen Escort-Websites der Hauptstadt durch. War es Langeweile, Neugierde oder die finanzielle „Not”, die mich dazu trieb, meinem brachliegenden Berufsleben eine neue, eher ungewöhnlichere Richtung zu geben? Ich kann es heute nicht mehr sagen.
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Damals dachte ich tatsächlich noch, dass es auch Agenturen gibt, die wirklich reine Begleitung ohne Sex anbieten. Diese Hoffnung musste ich aber relativ schnell aufgeben. Also suchte ich mir die ästhetisch am meisten ansprechende Seite aus, in der Hoffnung, wenigstens eine Menge zu verdienen, sollte ich schon mit fremden Männern ins Bett steigen müssen. Meine Kriterien waren dabei ebenso unbedarft wie simpel: Die sich anbietenden Frauen sollten keine Silikonbrüste haben und außerdem wollte ich nicht schon auf der Website lesen, was und in welcher Form sie sexuell anzubieten hatten.
Fündig wurde ich schließlich bei einer einzigen Agentur, deren Fotos so ästhetisch waren, dass man fast vergaß, dass es sich hier ja um etwas Schmuddeliges—wenn auch auf hohem Niveau—handeln sollte. Schon die Voraussetzungen für eine Escort-Dame lasen sich überaus anspruchsvoll: Man sollte mehrere Sprachen sprechen, vor allem Englisch, eine elegante Garderobe besitzen, sich in Restaurants zu benehmen wissen und eine interessante Gesprächspartnerin sein. Gebildet sollte man sein, wandelbar und einem Mann das Gefühl vermitteln können, dass er der Mittelpunkt der Welt ist. Da ich Schauspiel studiert hatte, eine gute Erziehung genossen hatte und dazu noch zweisprachig aufgewachsen war, stufte ich meine Chancen ziemlich hoch ein und bewarb mich mit zwei Fotos.
Auch Escorts müssen zu Vorstellungsgesprächen
Als ich schon beinahe vergessen hatte, wozu ich mich hatte hinreißen lassen, klingelte mein Telefon und eine freundliche Frauenstimme fragte mich, ob ich mich persönlich im Büro vorstellen könnte, am besten gleich morgen.
Wie ich auf die Idee gekommen sei, mich als Escort zu bewerben, ob ich meine Haare verändern würde, ob ich genügend Sport mache—ich wurde mit Fragen bombardiert, als befände ich mich in einem Vorstellungsgespräch für einen ganz normalen Job. Nachdem alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet waren, sollte ich mit der Dame ins Nebenzimmer gehen, damit sie mich auch mal nackt sehen konnte.
Als auch das geschafft war, ging es wieder ins Wohnzimmer, wo ich einen Vertrag vorgelegt bekam, den ich durchlesen und unterschrieben wiederbringen sollte. Dazu bekam ich 1000 Euro in Bar, mit denen ich zum Friseur gehen und mir elegante Unterwäsche und Kleider kaufen durfte. Der letzte Schritt war ein Fotoshooting, bei dem ich sexy und verführerisch posten sollte. Nachdem die Fotos online gegangen waren, hieß es,auf die erste Buchung zu warten. Zwei Stunden mit mir würden den Kunden 400 Euro kosten, 30 Prozent davon bekam meine Agentur.
Manchmal wird man fürs Nichtstun bezahlt
Mein erster Kunde wollte fast ausschließlich meine Füße massieren. Ich traf ihn im Kempinski. Er war etwas untersetzt, Mitte bis Ende 40 und ziemlich klein. Wir trafen uns in der Zigarrenbar und gingen dann schnell auf sein Zimmer, wo ich mich etwas unbeholfen aufs Bett setze und ihn fragte, was er sich als Nächstes wünschte. Er wollte meine Füße massieren und sich auf den kalten Badezimmerboden legen, wo er begann, sich selbst zu befriedigen, während ich weiterhin etwas verdutzt auf dem Bett saß. Er wies mich an, ihm zu befehlen, wann er kommen dürfe und das tat ich dann nach gefühlten 40 Stunden (und tatsächlichen 15 Minuten) auch. Anschließend durfte ich meine Schuhe wieder anziehen und gehen. Das Ganze dauerte nicht länger als etwa 45 Minuten, bezahlt hatte er allerdings für drei Stunden. Für mich ein ziemlich guter Deal und beileibe nicht der letzte, bei dem ich quasi fürs Nichtstun bezahlt wurde.
Einmal hatte ein Kunde drei Damen aus unserer Agentur gebucht, dann Angst bekommen und abgebrochen, aber uns für die gebuchten vier Stunden voll bezahlt. Am verrücktesten war aber wohl der Typ, der einfach nur mit mir Essen ging, um mir die Bilder seiner Zwillinge zu zeigen.
Männer sind respektvoller, wenn sie für Sex bezahlen
Ich habe mich mit vielen Männern getroffen. Manche mehr, manche weniger sympathisch. Manche wollten tatsächlich nur mit mir essen gehen, andere wollten gar nicht aus dem Hotelzimmer raus. Was alle gemeinsam hatten: Sie haben mich mit Respekt und Würde behandelt und sind mit mir in die feinsten Lokale essen gegangen. Keiner hat mich gegen meinen Willen begrapscht und auch sonst wurden keine Horrorfantasien über Escorts und ihre Kunden wahr. Nie hat jemand mich verprügelt, oder mich in irgendeiner Form degradierend behandelt.
Wenn überhaupt, waren meine Kunden deutlich respektvoller und verständnisvoller als jeder Mann, mit dem ich Sex hatte, ohne dass er dafür bezahlen musste. Das einzige Klischee, das sich bestätigt hat, ist, dass fast ausnahmslos alle Männer verheiratet waren und zumeist sogar Familie hatten. Irgendwie kann ich sie aber auch verstehen. Wann sonst hat man mal ein Date, bei dem man sich nicht verstellen muss und jeder genau weiß, worauf der Abend hinauslaufen wird?
Wahre Freunde erkennt man daran, wie sie mit deiner Berufswahl umgehen
Ich musste leider auch die Erfahrung machen, dass nicht alle so offen mit dem Thema Escort umgehen wie ich. Ich habe damals einige Freunde verloren, die mit so etwas nichts zu tun haben wollten. Das ist aber OK, jeder hat schließlich ein Recht auf seine moralischen Vorstellungen. Andere Freunde wollten plötzlich, dass ich alles bezahle, denn schließlich fuhr ich neuerdings überall mit dem Taxi hin und hatte immer die tollsten neuen Frisuren—wieso sollte ich dann nicht auch Runden in der Bar schmeißen oder den teuren Wodka zur Hausparty mitbringen? Wieder andere wendeten sich zwar nicht von mir ab, kannten aber plötzlich kein anderes Thema mehr und fragten mich regelmäßig nach meinen Eskapaden aus. Am liebsten waren mir die, die keine große Sache aus meinem neuen Nebenjob gemacht haben. Ich machte das schließlich, um meine Miete zu bezahlen.
Schnelles Geld ja, Reichtum nein
Mein Job als High-Class-Escort hat mir immer Spaß gemacht, das schnellverdiente Geld wieder auszugeben allerdings auch. Man gewöhnt sich daran, für relativ wenig Arbeit vergleichsweise gut bezahlt zu werden und gibt sein Gehalt dementsprechend unbedarft aus. Taxi hier, Drogen da, neue Schuhe und Extensions hinterher, teure Wohnung, nur noch im Bioladen einkaufen—all das macht Spaß, ist aber nicht von Dauer und führt auch nicht unbedingt zu einem gesunden, nachhaltigen Lebensstil ohne finanzielle Sorgen. Wirklich reich wird man in diesem Metier dann nämlich auch wieder nicht. Jedes Escort-Mädchen kennt „trockene Phasen”, in denen man nicht gebucht wird. Klar haben die meisten parallel noch einen anderen Job, mit dem sie sich über Wasser halten, aber dort verdient man so lächerlich wenig—im Vergleich zu dem, was man bei einem Date absahnt—, dass man auch dieses hart verdiente Geld viel zu schnell ausgibt.
Würde ich mich heute also noch mal dazu entscheiden, mich mehr oder weniger Vollzeit über eine Escort-Agentur anzubieten? Jein.
Hätte ich damals alles etwas schlauer gehandhabt, wäre ich nicht nur um einiges an Erfahrung reicher, sondern hätte mir auch eine ordentliche Stange Geld angespart. Ich arbeite inzwischen nur noch nebenbei als Escort und auch nicht mehr für eine Agentur. Zum Einen, weil bezahlte Dates mit einsamen Männern nie mein Traumjob, sondern lediglich eine lukrative Zwischenlösung waren. Außerdem habe ich höhere berufliche Ziele—und die erreicht man meistens nur angezogen.