Die Geschichte von Psycho begann mit Ed Gein, der in den 50er Jahren in Wisconsin lebte. Gein war ein kranker Typ, der sich gern auf Friedhöfen aufhielt und kürzlich bestattete Frauenleichen ausgrub. (Gein muss ganz schön viel gebuddelt haben, vor allem weil er die ganze Arbeit allein erledigte! Ich musste einmal, in einer neueren Adaptation von As I Lay Dying, ein Grab ausheben und das war wirklich keine einfache Angelegenheit.) Gein stellte Möbel aus den Körperteilen der Leichen her: Lampen aus Häuten, Bettpfosten aus Schädeln. Vom Sammeln der Körperteile schien er mindestens ebenso begeistert wie vom eigentlichen Töten. Bei Wikipedia findet man eine Liste von Fleischstücken, die in seinem Haus gefunden wurden. Darunter Vaginas in Schuhkartons und Köpfe in Tüten.
Diese wahre Geschichte von Ed Gein bildet die Grundlage von Robert Blochs Roman Psycho. Dieser Roman wiederum inspirierte Hitchcocks Film, der zu einer Reihe von schäbigen Fortsetzungsfilmen führte. (Einer davon war Psycho III, unter der Regie von Anthony Perkins—jenem Schauspieler, der Norman Bates in Hitchcocks Psycho gespielt hatte. Ich vermute, dass Anthonys Karriere letztlich in das geschichtenumwobene Motel einging.)
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Geins Vorliebe für Masken aus menschlicher Haut dürfte auch zur Inspiration für Leatherface aus The Texas Chainsaw Massacre aus den späten 70ern gedient haben. In den späten 90ern produzierte Gus Van Sant eine Shot-for-Shot-Neuverfilmung des Hitchcock-Originals, das zerrissen wurde. Kürzlich lief die Serie The Bates Motel. Im Stil von Twin Peaks wird hier die Geschichte von Mutter Bates und ihrem Kind aufgegriffen, bevor Ed sie tötet und ihre Leiche ausstopft. Angesichts all dieser Psycho-Inkarnationen drängt sich die Frage auf, was der Stoff in sich birgt, dass wir von Ed Geins Geschichte noch immer nicht ablassen können.
Ein weiteres Werk, das durch Gein inspiriert wurde, ist Cormac McCarthys drittes Buch Child of God. Es handelt von einem Eigenbrötler namens Lester Ballard, der vom Spanner zum Leichenschänder und schließlich zum Mörder wird. Es ist faszinierend, wie Bloch den Gein’schen Stoff in einen Thriller verwandelt, während McCarthy daraus eine düstere Charakterstudie macht. Ich hatte das Glück, den Roman für eine Filmadaptation nutzen zu dürfen—die Ende des Monats bei den Filmfestspielen in Venedig ihre Premiere feiert.
Ich sagte zu McCarthy, dass man mich wahrscheinlich danach fragen würde, warum ich ein solches Thema für meinen Film ausgewählt hätte. Deshalb fragte ich ihn, warum er sich bei seinem Buch für dieses Thema entschieden hatte. Er antwortete: „Keine Ahnung, James, wahrscheinlich aus irgendeinem dummen Grund.” Als ich mit ihm die tiefergehenden Themen der extremen Einsamkeit und der Unfähigkeit des Protagonisten, sich in der zivilisierten Gesellschaft einzufügen, diskutieren wollte, sagte er, im Habitus eines John Ford (Ford war berühmt dafür, dass er nicht über seine Werke sprach; siehe Peter Bogdanovichs Film über ihn): „Ja, solche Leute gibt’s auf der Welt.” In der Tat.
Im Jahr 1993 stellte der große schottische Künstler Douglas Gordon, einer der Young British Artists, sein Werk 24 Hour Psycho aus, in dem er Hitchcocks Film auf etwa zweieinhalb Bilder pro Sekunde verlangsamte, sodass er schließlich 24 Stunden dauerte. Es kann unendlich viel über dieses Werk gesagt werden. Meiner Ansicht nach geht es darum, das Psycho-Motiv auf formaler Ebene anzuwenden. Das Kunstwerk konfrontiert uns zunächst mit Dingen, die Teil unseres kollektiven Bewusstseins sind.
Wer kennt Psycho nicht? Selbst wenn man den Film nicht gesehen hat, kennt man zumindest die Musik, die Duschszene, usw. Doch dann untergräbt Gordons Werk diese Vertrautheit in solch einer ungewöhnlichen Art und Weise, dass sich unsere Aufmerksamkeit plötzlich auf ganzen anderen Aspekte des Films richtet. Dadurch wird der Film zum Objekt. Man betrachtet die einzelnen Einstellungen wie Standfotos. Man vergisst die Handlung und wird sich über die Schauspieler hinter den Charakteren bewusst.
Fast 20 Jahre später integrierte der großartige Don Delillo Gordons Stück in sein Buch Point Omega. Übrigens habe ich die beiden zusammengeführt. Anschließend beschaffte sich Gordon die Rechte dafür, das Buch zu verfilmen. Darüber, dass ich in dem Film mitspielen sollte, spricht er nun schon eine ganze Weile.
1998 veröffentlichte mein Lieblingsregisseur, Gus Van Sant, sein eigenes Psycho-Projekt. Gus beschrieb seine Neuverfilmung als den Versuch, den Schwerpunkt auf die Regie anstelle des Scripts oder der Story zu legen. Die Idee entstammte dem Contemporary Art Playbook, doch im Mainstreamfilm hatte man davon noch so gut wie nichts gehört. Und das wurde Gus zum Verhängnis. An seinen Psycho wurden die Erwartungen eines großen Hollywoodfilms gestellt. Was in der Kunstszene wahrscheinlich gefeiert worden wäre (man denke an Douglas’ Stück), wurde von Filmkritikern und -zuschauern verschmäht.
Gus Van Sants Neuverfilmung des Hitchcock-OriginalsIch mag Gus’ Version. Ich weiß, dass diese Affinität wohl auf meiner Liebe zu seinem Gesamtwerk beruht, aber ich erfreue mich wirklich daran, seinen Stil in Hitchcocks Vorlage ausfindig zu machen: in den Farben, im Design, in der Beleuchtung und den Bildeinstellungen.
Zugegebenermaßen irritiert es zunächst, wenn die Schauspieler in den fast gleichen Positionen dastehen wie im Original. Dadurch ist der Zuschauer immer wieder dazu aufgefordert, sich über die Beziehung zum Originalfilm klar zu werden. Auf diejenigen, die das Original nicht gesehen haben, wirkt die Darbietung vermutlich deshalb seltsam, weil sie bewusst dem alten Stil des Blocking und Shooting folgt, der einem zeitgenössischen Publikum zu langsam vorkommen muss.
Während sich die gut informierten Zuschauer über die expliziten Verbindungen ärgern, werden die unbedarfteren Zuschauer die Sorgfalt, mit der der Meister nachgeahmt wird, kaum wertzuschätzen wissen. Die Großartigkeit der Schauspieler muss gar nicht erst erwähnt werden. Der Film wurde zu einer Zeit gedreht, als Vince Vaughn, Anne Heche und Joaquin Phoenix in einem Filmtrio zusammenspielten. Das einzige Problem war, dass ihre Performances durch die große Nähe zum Original geschwächt wurden. Es war, als sähe man in einer Schauspielklasse eine großartige Darbietung einer Raging Bull-Szene: Sie kann noch so gut sein, niemals wird man den Vergleich mit DeNiro aus dem Kopf bekommen. Es hätte noch etwas mehr geändert werden müssen. Nichtsdestotrotz gefällt mir Gus’ Film. Immer wenn ich ihn sehe, denke ich: Was der für Eier hatte!
Ich habe auch meine eigene Version von Psycho gemacht, eine Installation in der Pace Gallery in London. Und ja, wir haben die Duschsequenz nachgedreht. Allerdings wurde Marion von mir gespielt. Eine lange Geschichte, aber ich glaube, es hat funktioniert.
Bates Motel ist cool. Ich habe die Serie noch nicht ganz gesehen, aber sie ist gut gemacht und spannend.
Die Idee dabei ist, sich Normans Jugend zu widmen und anschaulich zu machen, wie der Mensch aus ihm wurde, der er bei Hitchcock ist—wobei die Geschichte in der Gegenwart spielt. Ich bin mir nicht sicher, wie das geht, aber ich wette, man findet Erklärungen in der Presse. Der Schlüssel liegt darin, sich der Vergangenheit zuzuwenden und die Geschichte so weit wie möglich auszudehnen. Die Macher versuchen nicht, einfach ein paar Leerstellen zu füllen, so wie es, glaube ich, in Psycho IV der Fall war. Vielmehr konzentriert man sich hier darauf, die Jugend des Protagonisten zu erkunden, um so zu neuen Einsichten in einen bereits bekannten Charakter zu gelangen. Das Faszinierende ist meiner Meinung nach, dass wir beim Schauen von Bates Motel zu Sympathisanten eines Mannes werden, der sich, wie wir bereits wissen, zu einem wahnsinnigen Mörder von unschuldigen Frauen entwickeln wird. Verrückt.
Was James Franco noch so für uns geschrieben hat:
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