Was machen Beyoncé, Sia und Annie Lennox auf dem „50 Shades Of Grey“-Soundtrack?

Wir wissen nun bereits seit einiger Zeit, dass unsere Lieblingsfeministin Beyoncé einen heißen Remix ihres 2003er Welthits „Crazy In Love“ für den Soundtrack zur Verfilmung von E. L. James’ Bestseller „50 Shades Of Grey“ zur Verfügung gestellt hat. Auch ein Remix ihres Songs „Haunted“ ist dabei. Ebenfalls zu einer Kontribution hinreißen ließen sich Ellie Goulding und The Weeknd. Ihr wisst über sein Video zu „Earned It“ Bescheid. Eure Eltern auch. Gouldings Song „Love Me Like You Do“ chartete sogar auf Platz 36 in den Billboard Hot 100.

Als würde das nicht schon ausreichen, wurde vor kurzem bekannt, dass auch Sia einen Song beigesteuert hat. Er heißt „Salted Wounds“ und wurde am 27. Januar als Single veröffentlicht. In der kompletten Tracklist, die man mittlerweile auf Wikipedia einsehen kann, kommen auch Namen wie Jessie Ware und Annie Lennox vor. Letztere covert auf dem Sampler Screamin’ Jay Hawkins „I Put A Spell On You“. Das ganze Ding erscheint dann am 10. Februar auf dem renommierten Universal-Tochterlabel Republic und wird sich ziemlich sicher verkaufen wie nix. Wie auch die Kinotickets. Und die Bücher. Es gibt ja drei Teile davon – „Geheimes Verlangen“, „Gefährliche Liebe“ und „Befreite Lust“. Weltweit gingen die cheesy Wälzer mit der kitschigen Orchidee auf dem Cover gute 100 Millionen mal über die analogen und digitalen Ladentische. Irgendwie ist das alles das Letzte und wir sind ein bisschen enttäuscht, dass sich unsere Pop-Vorbilder für einen solchen Mist hergeben.

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Warum? „50 Shades Of Grey“ ist nichts weiter als eine erbärmliche Schundtrilogie. Es sind Bücher für diese mehr oder weniger erdachte Zielgruppe der gelangweilten Hausfrauen und –männer. Teurere Groschenromane halt. Die englischsprachige Literaturkritik erfand für den ersten Roman den Begriff „mommy porn“, die deutschsprachigen Feuilletons beschrieben ihn als „Arztroman ohne Arzt“. Der Grazer Schriftsteller Clemens Setz nennt in einem Interview „50 Shades Of Grey“ als eines jener Bücher, die man nicht hätte schreiben müssen und sollen. Es gäbe noch unzählige weitere, großartig formulierte Gegenstimmen.

Der allgemeine Tenor ist jedenfalls, dass die Schreibe mies und die Story platt und sowieso rein auf kommerziellen Erfolg ausgerichtet ist. Es geht schließlich um harten Sex, um detaillierte Beschreibungen von (stark romantisierten) BDSM-Praktiken, um Unterwerfung und um Abhängigkeit. Einer jungen Studentin von einem reichen Multimilliardär. Natürlich zieht das bei der breiten Masse. Das ist widerlich. Nicht die BDSM-Thematik an sich, man denke an Marquis de Sades „120 Tage von Sodom“ oder Catherine Deneuve in „Belle De Jour“ quasi als Genre-Klassiker. Das ist schon oke. Es ist vielmehr die überholte Konstellation des verliebten Mädchens und des dominanten Sexgottes.

Also Beyoncé, Pop-Feministin der Stunde, was hast du dir dabei gedacht, deinen bedeutungsträchtigen Namen für den Soundtrack dieser verschriftlichten Umkehr deiner Werte herzugeben, nachdem du so lange für die Unabhängigkeit der Frauen und für „female empowerment“ gekämpft hast? Da wir Beyoncé nicht persönlich nach ihren Beweggründen fragen können, können wir nur mutmaßen. Sia, Ellie Goulding, Jessie Ware und Annie Lennox schließen wir hiermit in unsere Theorie ein. Sie vertreten ein ähnliches Ideal wie Beyoncé. Sie artikulieren es vielleicht nicht so explizit wie Queen B. und schreiben sich in rosa Großbuchstaben „Feminist“ auf die Bühnenkulisse, jedoch schwingt es zweifellos und zumindest implizit in ihrem Dasein als (Solo-)Musikerinnen mit. Haben sie die Bücher nicht gelesen? Möglicherweise. Aber auch keine Reviews, Kommentare und Auseinandersetzungen damit? Seltsam. Eigentlich unmöglich.

Die Sängerinnen wissen ganz bestimmt, worum es in E. L. James’ „50 Shades Of Grey“ geht. Sie müssen auch die Reaktionen kennen, die Sexismus-Vorwürfe, die auf den primitiven Rollenzuschreibungen in der Story gründen. Sie sind ja nicht blöd. Oder?

Es bleiben nicht viele Möglichkeiten einer zufriedenstellenden Erklärung übrig. Vielleicht hat Beyoncé die Story einfach total anders interpretiert. So wie es eine Theorie der israelischen Kultursoziologin Eva Illouz suggeriert, die einen Essayband mit dem Titel „Hard-Core Romance“ veröffentlicht hat, in dem sie sich unter anderem mit der Faszination und Rezeption des umstrittenen Buches auseinandersetzt. Illouz sieht „50 Shades Of Grey“ darin als eine Art Spiegelung weiblicher Unsicherheiten, als eine Formel dafür, wie diese Geschlechterinstabilität mittels SM aufgehoben werden kann. Und so weiter. Natürlich sind das bei Illouz wissenschaftliche Erklärungsversuche eines gesellschaftlichen Hypes. Das muss auch sein. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass das auch das ist, was Beyoncé und Co. mit ihren Songs auf dem Soundtrack bezwecken wollen.

Natürlich kann es immer wieder einmal (semi-)legitim sein, einfach zu sagen, hey, das ist halt platte Mainstream-Unterhaltung, unsere Gesellschaft braucht auch so etwas. Wenn man sich allerdings vorstellt, wie das Beyoncé als schillernde Feminismus-Botschafterin von sich gibt, dann glaubt man automatisch an eine Verschwörung oder einen Gag, dem schließlich eine lebenswichtige, rührende, inspirierende Rede folgt. Vielleicht ist ja genau das Beyoncés Plan. Dass da noch etwas nachkommt. Hoffentlich.

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