Wir haben alle Bundesliga-Vereine gefragt, was sie für Flüchtlinge tun

„Lamentiert nicht über Transfers, redet über Flüchtlinge”. Ausgerechnet der von so vielen belächelte Hans Sarpei äußerte sich zur derzeitigen Flüchtlingssituation und übte in seiner Stern-Kolumne Kritik an dem Engagement anderer Spitzenfußballer der Bundesliga. Es war ein wichtiger erster Schritt, in dem er als einer der Meinungsmacher im deutschen Fußball seinem Frust Luft machte. In einem Deutschland, in dem PEGIDA, Freital, Heidenau oder die 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte allein im ersten Halbjahr 2015 das Nachrichtenbild bestimmten, wird ein solches Engagement immer wichtiger.

Hans Sarpei fordert mehr Engagement von deutschen Spitzenfußballern

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Doch es ist nicht nur der Einzelne, der etwas bewegt. Großes Potenzial haben auch die Fußballvereine, die jedes Wochenende Hunderttausende ins Stadion locken. Beispiele für dieses Engagement sieht man an den Flüchtlingsprogrammen einiger unterklassiger Mannschaften. Vorzeigeprojekte sind Babelsbergs „Welcome United” oder der FC Lampedusa in Hamburg. Doch wie sieht es mit den Vereinen der Bundesliga aus? Inwieweit engagieren sich die Vereine des Fußballoberhauses? VICE Sports hat bei jedem Bundesligaverein nachgefragt, welche konkreten Projekte sie durchführen.

Hertha BSC Berlin

Wie die meisten Vereine laden die Berliner Flüchtlinge ins Stadion ein. „Wir haben in der zurückliegenden Saison bereits zahlreiche Freikarten an Flüchtlingseinrichtungen gegeben.” Bei einem dieser Heimspiele äußerte sich Hertha-Mitglied Böhringer, der auch gleichzeitig Ansprechpartner für die Geflüchteten war: „Das ist jetzt eure Stadt und Hertha BSC ist jetzt euer Verein!” In Planung sei auch ein großes Projekt, über das sie derzeitig jedoch noch keine Informationen veröffentlichen könnten, so ein Sprecher von Hertha.


Foto: Hertha BSC


Werder Bremen

Werder Bremen sei seit über zwei Jahren im aktiven Austausch mit sozialen Organisationen in Bremen, mit denen sie sich um Flüchtlinge kümmern und gemeinsame Projekte organisieren, heißt es von Seiten des Vereins. Aktuell gäbe es vier Fußballgruppen für junge Geflüchtete.In ihrem Projekt „Bleib am Ball” engagieren sich ein hauptamtlicher Mitarbeiter und vier Honorartrainer, die teilweise selbst einen Flüchtlingshintergrund hätten für Geflüchtete in der Region. Neben Filmprojekten würden auch Ferienprogramme angeboten, in denen junge Geflüchtete mit eingebunden werden.

Zudem besäße der Verein einen hauptamtlichen Mitarbeiter und einen Praktikanten, die sich ausschließlich mit dem Thema Integration und Inklusion einsetzen würden, erklärt eine Sprecherin des Vereins auf die Anfrage von VICE Sports. Auch in Bremen werden Freikarten an Heimspieltagen an Flüchtlinge verteilt.

SV Darmstadt 98

Regelmäßig werden bei Heimspielen Spendenaufrufe an die Fans gestartet, um Gelder für Menschen in Not zu sammeln. In Zukunft seien ein Gesundheitstag und eine Stellenbörse für Geflüchtete geplant, teilte uns der Aufsteiger mit. Auch der SV Darmstadt lädt Flüchtlinge ins Stadion ein. Außerdem finde einmal die Woche ein Integrationskick statt.

Borussia Dortmund

Die Schwarzgelben bieten kostenlose Stadiontouren für Flüchtlinge und engagieren sich auch mit Sachspenden an Flüchtlingsheime. Zum 7:2-Sieg gegen Odds BK leuchtet auf

Hannover 96

Hannover 96 stellte am vergangenen Freitag einen kompletten Satz Trikots und Fußbälle an eine Flüchtlingsinitiative und unterstützt damit Flüchtlinge u.a. aus Syrien. „Wir wollen damit unseren Beitrag leisten und diese Flüchtlinge unterstützen, damit sie selbst aktiv Fußball spielen können”, erklärt Vereinspräsident Martin Kind in einer Pressemitteilung, die wir auf unsere Anfrage geschickt bekamen.

Hamburger SV

Erst im Juli sah sich der Verein starker Kritik ausgesetzt, als er die Erweiterung der Flüchtlingsunterkunft auf einem Parkplatz in der Nähe des Volksparkstadions verhinderte. Hierbei handelte es sich um eine Fläche, auf der während der Spiele bis zu 400 Fahrzeuge Platz finden. Der Verein hatte zuvor schon einen seiner Parkplätze neben einer Erstaufnahmeeinrichtung, in der 1300 Flüchtlinge leben, zur Verfügung gestellt.
In einer Unterlassungserklärung wehrten sie sich gegen die „Enteignung”, wie der Übernahmeversuch des Parkplatzes beschrieben wurde.

In einer Presseerklärung kurz nach dem Eklat heißt es: „Wir sind uns der Flüchtlingsproblematik in vollem Umfang bewusst und kooperieren jetzt, in der Vergangenheit und auch in Zukunft in vollem Umfang mit der Stadt Hamburg”. Es gehe nicht darum, „ob weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden, sondern wo”. Neben der Parkplatzsituation setzen sie sich jedoch auch in „Projekten zugunsten der nach Hamburg Geflüchteten” ein, wie sich ein Verantwortlicher des Vereins gegenüber VICE Sports äußerte. Welche das genau seien, wurde nicht beantwortet.

TSG Hoffenheim 1899

In Hoffenheim werde mit Sachspenden wie Bekleidung, Schuhen und Spielzeug sowie finanzieller Unterstützung und Bereitstellung von Infrastruktur ausgeholfen. Hierbei stünde der Verein in enger Absprache mit den Behörden, Hilfsorganisationen und Kommunen, erklärte der Verein.


FC Ingolstadt

Beim Bundesliga-Neuling Ingolstadt ist ab kommendem Herbst ein Patenschaftsprogramm mit einer Schule in der Region in Planung. Dieses Programm wird dem bundesweiten Bündnis „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage” beitreten. Auch hierbei sollen „verschiedene Flüchtlingshilfen durchgeführt” werden. Es seien aber noch weitere Projekte in Planung, die ab Herbst an den Start gehen sollen, so die Presseabteilung der Ingolstädter.


1. FC Köln

Der 1. FC Köln unterstützte mit seiner Stiftung schon seit langer Zeit sehr umfangreiche Projekte und ist auch beim Thema Flüchtlingshilfe sehr engagiert, wie ein Mitarbeiter berichtet. Mit einer Spende von 5.000 Euro an den Kölner Flüchtlingsrat unterstützen sie schon seit 2013 das Projekt „Mentoren für Flüchtlingsfamilien“.

„Wir unterstützen Flüchtlinge, weil wir als Verein, dessen Spieler aus aller Herren Länder kommen, eine Atmosphäre in dieser Stadt mitgestalten wollen, in der Fremde sich willkommen fühlen”, sagt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle. „Fußball ist völkerverbindend. Über Fußball kommt man unverfänglich und schnell auch mit fremden Menschen ins Gespräch und in Kontakt. Wir finden es wichtig und interessant, den Austausch und das gegenseitige Kennenlernen von Flüchtlingen und etablierten Einheimischen zu fördern.” Auch mit Sachspenden sei der FC aktiv. So stellten sie kürzlich Ausrüstung und Fußbälle für verschiedene Notunterkünfte im Stadtgebiet. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Aktionen bezüglich Flüchtlingshilfe durchgeführt. Diese Patenschaft werde allerdings erst ab Herbst offiziell sein.


Bayer 04 Leverkusen

Bayer Leverkusen teilte mit, dass sie in Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden der Stadt Leverkusen und von Sozialarbeitern begleitet in die BayArena einladen.

Mit ihrem Projekt „Bayer 04 macht Schule” werde auf Flüchtlingskinder zugegangen, denen man in Schulklassen spezielle Module bieten würde, wie es von Vereinsseite heißt. Auch das Einbinden von Flüchtlingskindern als Einlaufkinder werde bei Bayer 04 gefördert. Der Verein sei auf die Stadt Leverkusen zugegangen, um Trainingseinheiten für Flüchtlinge mit begleitenden Deutschkursen anzubieten. Diese Initiative starte kommenden Monat und soll zum Ziel haben, „jungen Menschen damit den Schritt in einen Verein zu ermöglichen”. Auch ihre Fußballschule integriere Flüchtlingskinder in den Schulferien.

FSV Mainz 05

Bei der letztjährigen Charity-Aktion „Spiel der Herzen” gelang es den Mainzern, insgesamt 42.000 Euro zu sammeln. 14.000 Euro davon gingen allein an den Flüchtlingsrat der Stadt.

Auch die Mainzer luden, wie am vergangenen Wochenende, Flüchtlinge ins Stadion ein. Neben diesen Aktionen gebe es auch andere Formen ihres Engagements, erzählt die Medienbeauftragte Silke Bannick. Sie würden nur nicht alle in den Medien per Pressemitteilung kundgetan werden.

Mit einem Willkommensbündnis zwischen dem 1. FSV Mainz 05, der FC Ente Bagdad und der Stiftung Juvente Mainz mit dem Namen „Willkommen im Fußball” gibt es seit Juli eine weitere Aktion der Nullfünfer. Es sei ein bundesweites Programm, das jungen Geflüchteten den Zugang zum Sport ermögliche und den Einstieg in den organisierten Vereinsfußball bieten soll.

FC Bayern München

Beim FC Bayern sei das Helfen von in Not geratenen Menschen gelebte Nächstenliebe, heißt es in ihrem Antwortschreiben. In der Bayernkaserne stellten die Münchner Flüchtlingen Hilfsmittel zur Verfügung. Welche das konkret sind und in welchem Umfang sie verteilt wurden, wurde nicht erklärt.

Borussia Mönchengladbach

Borussia Mönchengladbach hat in Zusammenarbeit mit ihren Fans Flüchtlingen in der vergangenen Saison bei zwei Spielen den Stadionbesuch ermöglicht. Im Dezember 2014 besuchten 20 Flüchtlinge aus Mönchengladbach-Rheindahlen das Heimspiel gegen Hertha BSC, bei dem der Fanclub AGQF (Arbeitergemeinschaft Qualitätsfußball) die Gruppe in ihrer Unterkunft abgeholt und gemeinsam mit ihnen ins Stadion gefahren ist.

FC Schalke 04

Schalke gründete die Initiative Kumpelkiste, um Menschen in Not zu helfen. Darin können Spender Kleidung oder Spielsachen packen, die dann an Kinder, alte Menschen und Flüchtlinge weitergegeben werden.

Foto: FC Schalke 04/Kumpelkiste

Zur Saisoneröffnung luden die Schalker rund 100 Flüchtlinge zu ihrem ersten Spiel und unterstützen Geflüchtete mit Sachspenden.

VfB Stuttgart

Der VfB Stuttgart engagiert sich im Rahmen der Initiative VfBfairplay für Geflüchtete. In Verbindung mit dem Theaterhaus Stuttgart, der Stadt und der Mercedes-Benz Bank ist der Verein seit April dieses Jahres Initiator des Projekts „Fußball verbindet—eine Initiative für Flüchtlinge“.

Ein Teil des Angebots des VfB ist die Fußballschule, in der unter Anleitung eines Trainers des Vereins trainiert wird. Hinzu kommen Trainingsausstattung des Ausrüsters.


FC Augsburg

Bereits in der vergangenen Saison habe der FC Augsburg alle Flüchtlinge in Augsburg und der Region zu Heimspielen eingeladen. Dies wurde über die Regierung von Schwaben zentral organisiert, lässt uns die Presseabteilung des Vereins wissen. Eine Aktion, die sie sich auch dieser Saison gut vorstellen könnten, jedoch seien noch keine konkreten Planungen dazu vorgenommen worden.

Ein Teil des Engagements des Vereins bestehe auch darin, Personen öffentlich zu ehren, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge einsetzen. So interviewten sie während eines Spiels einen Flüchtlingsjungen mit seinem „Ziehvater”, um auf das Thema aufmerksam zu machen.


Leider haben wir trotz wiederholter Nachfrage keine Antwort von den folgenden Vereinen bekommen:

VfL Wolfsburg, Eintracht Frankfurt

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