Foto: ATV
Die ATV-Sendung Wien Tag & Nacht flimmerte Anfang 2014 für kurze Zeit über die heimischen Bildschirme. Das Konzept ist schnell erklärt: Ein paar junge Laiendarsteller, ein bisschen Drehbuch und ein paar Kameras; ansonsten aber von allem ein bisschen zu viel—Gestiken wie in einem Stummfilm aus den 20ern, schrille Stimmen und überspielte Dialoge. Die Geschichte selbst schrieb nicht das Leben, sondern die Produktionsfirma filmpool, die sich auch für die Vorlage Berlin Tag & Nacht verantwortlich zeigt.
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Der Cast selbst schien geschlossen nicht nur denselben Selbstbräuner wie Donald Trump zu benutzen und regelmäßig im Solarium zu schlafen, sondern orientierte sich auch sonst am Motto “viel hilft viel”. Die Grundvoraussetzung, um WTN-Darsteller zu werden, war allem Anschein nach nämlich vor allem die Liebe zu einer absurden Menge an Piercings, Tattoos und dem täglichen Gang in die Kraftkammer.
Versteht mich nicht falsch, das alles ist per se ja nicht schlecht. Sport ist wichtig, Tätowierungen sind oft schön und von mir aus soll sich jeder so viele Ringerl und Stecker durch die Haut bohren, wie er für angemessen hält. Die Akkumulation selbiger war aber dann doch etwas viel für den gängigen Geschmack fern von Praterdome und New Yorker.
Und überhaupt: Ich wollte die Serie lieben. Ich wollte es wirklich. Ich liebe Trash-TV, ich stehe dazu. Normalerweise genieße ich jede Sekunde inhaltloser Dialoge, zelebriere jede kleinste Überschreitung der Fremdscham-Grenze und jauchze beim Gedanken an die neue Staffel von Dschungelcamp oder die “Schwiegertochter Gesucht-Beate” nach wie vor verzückt auf.
Ich war also eigentlich das prädestinierte Fangirl. Nicht mal der Slogan “die geilste WG Österreichs” konnte mich abschrecken. Auf die anfängliche Begeisterung folgte dann aber schnell Ernüchterung. Es war oft körperlich unangenehm, den schlecht gespielten Dialogen zu folgen.
Das machte sich auch schnell bei der Zuschauerquote bemerkbar und nach nur 38 Folgen stand fest, dass die Sendung nicht verlängert werden würde. “Die Sendung musste damals am Vorabend gegen unsere Originalformate aus Deutschland antreten, die bereits ihre Fans in Österreich hatten, und die letztlich dann zum Großteil nicht zu WTN gewechselt sind. Und damit war die Quote eben zu niedrig”, gibt Felix Wesseler von filmpool als Hauptgrund für das frühe Scheitern der Daily Soap an.
Online ist die Sendung seinerzeit laut filmpool dann allerdings zum stärksten Programm des Senders avanciert und bis heute gibt es auf Facebook eine Gruppe mit 27 Mitgliedern, die gegen die Absetzung der eher mäßig erfolgreichen ATV-Show plädiert. Und auch ich frage mich, was seither passiert ist. Ich habe mich also in die Untiefen des Internets begeben, Mails geschrieben und Anrufe getätigt und mich auf die Suche nach ein paar ehemaligen Darstellern gemacht.
VICKY | Nadine Trinker
Erinnert ihr euch noch an Vicky? Die WG-Zicke, die gleich ihren ersten Auftritt hosenlos und hysterisch brüllend absolvieren durfte? Nadine Trinker war 2012 schon Fünftplatzierte bei Austria’s Next Topmodel und wurde auch in der Serie als aufstrebendes Model verkauft.
Nachdem Wien Tag & Nacht abgesetzt wurde, kam es zum vermeintlichen Karrieresprung: Sie wurde für Berlin Models—ebenfalls eine Serie von filmpool—gecastet. Dort spielte sie weitgehend sich selbst. In Berlin lief es für sie aber leider nicht viel besser—auch dieses Format wurde nach nur zwei Monaten Laufzeit gekippt. In Berlin blieb Nadine allerdings fürs Erste trotzdem, machte eine Ausbildung zur Yogalehrerin und suchte sich auch im echten Leben eine Model-Agentur. Mittlerweile ist sie wieder nach Wien gezogen—im Gepäck: Mann und Baby.
KONSTANTIN | Maximilian Ratzenböck
Ach Konsti. Der oberösterreichische Oberbonze, der im Gasometer in einem Loft residierte und von dem keiner so wirklich wusste, was er mit den ganzen anderen Proleten eigentlich wollte und woher die ganze Kohle kam. Klingt unsympathisch? Maximilian Ratzenböck hatte—und da ist sich zumindest mein Freundeskreis einig—mit Abstand die sympathischste Rolle inne. Was eigentlich auch schon alles über die Serie aussagt.
Jedenfalls—wäre WTN ein Spiel, Maximilian Ratzenböck hätte es gewonnen. Mit großem Abstand. Nach Ende der Serie engagierte ihn die Mutterfirma für Köln 50667 und Maximilian avancierte auch dort schnell zu einem der beliebtesten Darsteller. Nach seinem Ausstieg widmete er sich dem Kabarett. Und das—man mag es schon vermuten—auch nicht gerade unerfolgreich.
Auf der FB-Seite Nachspielzeit begeistert er mittlerweile hunderttausende Menschen mit seinen Video-Parodien, bei denen er in bester maschek-Manier Fußballer synchronisiert. So hat es der Innviertler mittlerweile doppelseitig bis in den Falter geschafft, geht mit seinem Programm auf Tour, modelt zusätzlich, macht Werbung und schauspielert nach wie vor. Das alles macht er auch noch ziemlich sympathisch.
CHRIS | Philippe Gazar
“Chris ist Student und der Freund von Vicky. Der Hobby-DJ ist ein absoluter Mädchenschwarm, clever, einfühlsam und trendy. Er ist sehr sportlich und liebt es zu shoppen. Welches Mädel sagt da schon Nein?”, hieß es in der ATV-Originalbeschreibung.
Wo soll ich anfangen? Philipp Mirth, der sich mittlerweile Philippe Gazar nennt, hat seine Rollenbeschreibung wohl ein bisschen zu ernst genommen und scheint mit seinem Social-Media-Auftritt mit aller Kraft Erfolg suggerieren zu wollen. Überhaupt wundert man sich, womit der Gute sein Geld verdient. Der Pelzkragen auf seinem Parka lässt zumindest vermuten, dass er schon halbwegs über die Runden kommt. Böse Zungen behaupten allerdings, die Likes auf Instagram seien großteils gekauft und die meisten Klamotten Geschenke von Sponsoren.
Das Shoppen hat er laut seiner Website aber mittlerweile zum Beruf gemacht. Er nennt sich selbst “Streetstyle Fashion Blogger“, posiert mehr oder weniger professionell nebst Louis Vuitton Weekender-Bag in Jogginghosen, die jeden Profifußballer neidisch machen würden und bietet Shoppingbegleitung und einen “Kastencheck” an.
Fun Fact: Er ist mit Sabrina Kozlica, die in der Serie Vanessa spielte, zusammen.
VANESSA | Sabrina Kozlica
“Ein Energiebündel und eine Sexbombe in Personalunion—das ist Vanessa. Die Prinzessin der Truppe liebt Schönheits-OPs, aber auch Backen und Putzen. Vanessa ist stets für Überraschungen gut.” Was noch nicht mal nach einem schlechten Scherz klingt, war wirklich so in der ATV-Originalbeschreibung zu lesen. Die backende Barbiepuppe Vanessa, die eigentlich Sabrina Kozlica heißt, verhielt sich vor der Kamera am Ende trotz Silikonbusen und Schlauchbootlippen überraschenderweise aber immer natürlicher und unaufgeregter als alle anderen.
Gemeinsam mit ihrem Freund Philippe Gazar und viel Schminke versucht sie heute, die österreichische Social Media-Welt aufzumischen. Am besten sind sie als eine traurige und sehr sehr weiße Version von Kimye zu beschreiben, die irgendwie nach ungerechtfertigten Star-Allüren und Prosecco aus der Dose schreit. Auf Facebook hat Sabrina aber immerhin über 53.000 Abonnenten, wirbt für Extensions und ist als DJane buchbar.
Abspann
Wien Tag & Nacht mag vielleicht kein Kassenschlager gewesen sein (Gut. Nicht “vielleicht”), doch die ehemaligen Bewohner der Fake-WG haben im Endeffekt alle durchaus von der Sendung profitiert. Zumindest geschadet hat sie ihnen nicht. “Die Schauspielbranche ist eine harte, wie ich schnell merken musste, aber meine Rolle bei WTN bereue ich keinesfalls. Ich hatte damals aber auch im Gegensatz zu anderen Darstellern wenig zu verlieren”, erzählt mir Katharina, die in der Serie das Landmädchen Theresa mimte. “Ich konzentriere mich heute auf mein Studium, arbeite bei Red Bull und bin superzufrieden. Wenn ich beim Weggehen—übrigens auch bei den alternativsten Electro-Partys—auf meine Rolle angesprochen werde, kann ich da gut drüberstehen. Außerdem ist es beruhigend zu wissen, dass nicht nur die ärgsten Proleten Fans unserer Sendung waren.”
Wien Tag & Nacht hat am Ende alles hervorgebracht, was wir auch von den Real-Life-WG’s kennen: Freundschaften, Beziehungen, echte Karrieren, Sportstudenten und erfolglose DJs.