Was wurde eigentlich aus Heinz-Christian Strache?

Viel hat man in den letzten Wochen von der FPÖ ja nicht mitbekommen: Da war zum Beispiel Johannes Hübner und die Diskussion um seine antisemitisch konnotierten Aussagen – beziehungsweise auch der darauf folgende Verzicht auf seine Kandidatur. Da war die Sache mit Barbara Rosenkranz, die die Rechtspartei für die Liste Schnell verlässt und die Politik ihrer ideologischen Ex-Heimat inzwischen als “Schmähpolitik” bezeichnet. Und dann war da noch irgendwas mit Doppelstaatsbürgerschaften und … das war’s dann eigentlich. In der Kanzlerfrage liegt Strache mittlerweile weit hinter Kurz und Kern und generell ist es sehr still geworden um die Partei, die sich um Aufsehen nie sorgen musste.

Die derzeitigen Möglichkeiten für die Berichterstattung über Heinz-Christian Strache lassen sich am Besten mit einem Zitat von oe24 beschreiben: “Strache begeistert Fans mit Wochenend-Grüßen – Der FPÖ-Politiker postete ein Foto mit Frau Philippa auf Facebook.”

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Dort gibt sich der Chef der einst umfragenstärksten Partei Österreichs wie immer – nur vielleicht noch ein bisschen stärker auf das Ausländer-Thema fixiert als sonst. Neben Fitness-Postings (“Herrlich, bei dem heißen Wetter mit Klimaanlage zu laufen”) und Dog-Content (“Die Hitze setzte Odi ziemlich zu”) verbreitet Straches Social-Media-Team nichts anderes, als die für sie typischen Inhalte:

Doppelstaatsbürgerschaften, Islam, politischer Islam, Islamisten, Dschihadisten, Muslime, Ausländer, Flüchtlinge, Migranten, Asylwerber, Schlepper, Grenzen. Und seit Anfang der Woche natürlich auch die Verhaftung von SPÖ-Berater Tal Silberstein.

Die selben Themen finden im aktuellen Wahlkampf der SPÖ selbst nur wenig Beachtung: Die Sozialdemokraten setzen stattdessen stark auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Bundeskanzler Kern sprach in seiner Rede beim Bundesparteirat kein einziges Mal über das Migrationsthema und überlässt das Feld jetzt, wo Strache so gut wie abgetaucht ist, komplett Sebastian Kurz, Hans-Peter Doskozil und Wolfgang Sobotka, wie die Journalistin Tanja Malle auf Twitter in weniger als 140 Zeichen wunderbar zusammenfasst.

Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier erklärt Straches derzeitige Unsichtbarkeit durch den, wie er es nennt, “Verfall seiner Leiblichkeit”.

Dass Strache viele Forderungen schon 10 Jahre länger stellt als SPÖ oder ÖVP – und man den Freiheitlichen damit so etwas wie rechtes “Trendgespür” zusprechen könnte –, scheint immer weniger von Bedeutung zu sein. Anstelle von Strache-Lob à la “Er hat’s euch ja gesagt!”, hat man den FPÖ-Obmann mit den ewiggleichen Botschaften und Auftritten langsam satt und freut sich über Abwechslung. Egal, ob sie in der Form der “rechtslinken” (oder “linksrechten”) Liste Pilz, den Neuzugängen beim Team Kurz oder auch als Kerns House of Cards-Video daherkommt – wobei letzteres wieder einmal eindrucksvoll zeigt, dass es per Gesetz verboten sein sollte, internationale TV-Formate in Österreich zu adaptieren (nur falls euch Was gibt es Neues? und Die Barbara Karlich Show als Beweis noch nicht gereicht haben).

Das ist zumindest eine mögliche Erklärung dafür, warum sich das Strache-Bild bei den Wählerinnen und Wählern zunehmend abstumpft. Aber erklärt es auch, warum es derzeit so still um Heinz-Christian Strache ist?

Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier begründet die derzeitige Unsichtbarkeit von Heinz-Christian Strache mit dem, wie er es nennt, “Verfall von Straches Leiblichkeit”: Der FPÖ-Chef habe immer stark auf körperliche Attraktivität gesetzt, so Heinzlmaier – und die habe nun stark abgebaut. Das zeige eine von ihm durchgeführte Studie unter 400 befragten Österreicherinnen und Österreichern zwischen 16 und 24, bei der Kurz und Kern am besten abschneiden. Strache lag hinter den SPÖ- und ÖVP-Chefs. Und das, obwohl er in der Vergangenheit bei jungen Österreichern stets hohe Sympathiewerte hatte.

Dass die FPÖ derzeit in der Versenkung verschwunden ist, hilft natürlich hauptsächlich Sebastian Kurz und seiner Liste.

Klar ist, dass Strache nicht weiter weg aus der österreichischen Politik ist, als während eines Ibiza-Aufenthalts. Mit dem Wahlkampfauftakt, der inoffiziell mit seinem Sommergespräch am 21. August und offiziell am 16. September starten soll, werden auch die Wähler wieder kommen. Kurz wird einige Stimmen verlieren. Die SPÖ wird sich freuen, weil der Zweikampf, bei dem sie gerade eindeutig verliert, dann endlich zu einem Dreikampf wird, bei dem die Kräfte ein wenig ausgeglichener sind.

Dass die FPÖ derzeit in der Versenkung verschwunden ist, hilft natürlich hauptsächlich Sebastian Kurz und der dazugehörigen Liste – alleine aufgrund des Mangel an reaktionären Alternativen (abgesehen von der weit rechts stehenden FLÖ und anderen halbernsten Kleinparteien).

Dass am Ende nach aktuellem Stand wohl trotzdem sowohl Kurz als auch Strache in der Regierung sitzen werden – zumindest, wenn die Umfragen stimmen und wenn die SPÖ wirklich keine Koalition mit den Freiheitlichen eingehen will – und es damit ein bisschen egal ist, wer das rechte Duell gewinnt, ist nur eines von vielen ironischen Details an der Sache.

Strache ist wie ein Schwarzes Loch: Man kann ihn nicht direkt sehen – aber man kann ihn verstehen, indem man alles rund um ihn unter die Lupe nimmt.

Was aus Strache wurde, lässt sich also schwer sagen. Vielleicht lässt der FPÖ-Chef der Kurz-Crew bewusst den Vortritt und lauert einfach auf den erstbesten (oder fünfsbesten) Fehler von SPÖ oder ÖVP. Vielleicht hat er die Gelegenheiten auch längst verpasst (habe ich schon das House of Cards-Video erwähnt?). Vielleicht wartet die FPÖ einfach wie die Grünen und die Liste Kurz und Liste Pilz noch ein wenig, weil sich im Sommer eh niemand für Wahlkampf interessiert, wenn nicht gerade die “Aktion 20.000” der SPÖ gestartet ist – ah, das hat auch niemand mitbekommen. Über Straches Motive können auch wir nur mutmaßen. Viel aussichtsreicher ist da schon, Heinz-Christian Strache über Umwege zu verstehen.

Der Heinz-Christian Strache, den wir im bisherigen Wahlkampf 2017 erleben, ist wie ein Schwarzes Loch: Man kann ihn nicht direkt sehen, weil er nur die Abwesenheit von Materie ist – aber man kann ihn verstehen, indem man einfach alles andere in seinem Umfeld umso genauer unter die Lupe nimmt. Was er in der Zwischenzeit hinterlässt, ist ein Kampf zwischen David und Goliath (wobei David von einer Katastrophe in die nächste schlittert) und die Aussicht auf eine rechte Regierung, ob mit oder ohne Strache.

Über Strache als Person und seine aktuellen politischen Inhalte lässt sich unterdessen eines sagen: Nichts. Oder, um noch einmal oe24 zu zitieren: “Am Freitagabend postete FPÖ-Chef Strache ein Foto von sich und Frau Philippa auf Facebook. ‘Wir wünschen euch einen schönen Abend und ein noch schöneres Wochenende!!!’, schrieb er dazu.” Sehr viel langweiliger, grauer und profilloser geht eigentlich kaum. Andererseits: bunt wollte die FPÖ sowieso nie sein.

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