Mir wurde unlängst klar, dass ich mich nicht wie ein erwachsener Mensch anziehe. Eigentlich kriege ich das schon seit Jahren zu hören—von meiner Mutter, meinem Freund und bei jedem Vorstellungsgespräch, zu dem ich nicht besonders gut vorbereitet gekommen bin (also alle). So richtig bewusst wurde es mir selbst allerdings erst, als ich für mein Autorenfoto versucht habe ein Outfit zusammenzustellen, das entfernt an eine professionell gekleidete 26-Jährige erinnert.
In meinem Kleiderschrank türmen sich stapelweise wild gemusterte Button-down-Hemden, viel zu kurze Cut-offs, eine schockierende Zahl an Taillengürteln (um „meiner Hüfte zu schmeicheln”—das direkte Ergebnis von zu vielen verkaterten Sonntagen in meiner Studienzeit, die ich damit verbracht habe, mir Umstylungs-Fernsehsendungen anzusehen) und eine Schuhkollektion, die aussieht, als wäre mein Shopping-Berater ein vierjähriges Kind. Im Großen und Ganzen sagt mein Kleiderschrank nicht viel über mich aus, außer vielleicht: „Shorts mit Strumpfhosen waren mir irgendwann mal sehr wichtig.” Es ist schlimm. Auf meinem Autorenfoto kann man sehen, wie unwohl ich mich in fühle und mich gequält in meinem hochgeschlossenen Cotton Jersey Crop Top Illusion Dress krümme. Zu allem Überfluss habe ich meine Haare vorher nicht gekämmt. Ich sehe aus, wie sich eine 12-Jährige eine 26-Jährige vorstellen würde.
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Ich mache dafür meine aggressive Vintage-Phase (2006-2012) verantwortlich. Nachdem ich jahrelang Schuluniformen tragen musste, erlag ich—wie viele Frauen, die keine Größe 34 haben—den Verlockungen von Secondhand-Mode aus einer vollbusigeren Epoche. „Dein Körper ist so 50er-Jahre!”, meinten die Ladenbesitzer immer zu mir, die selbst aussahen, als würden sie vom Verkauf handgemachter Keramik leben, die sie auf ihrem Hausboot herstellen und anschließend auf Flohmärkten verkaufen. Wenn man 17 ist und gerade einmal mehr aus einer „hippen” Modekette kommt, in dem man zu hören bekommen hat: „Sorry, aber eine größere Größe haben wir nicht”, dann fühlt sich das an wie ein Geschenk. Also begab ich mich einige Jahre lange in den Kaninchenbau von Zooey Deschanel und Co. Ich band mir Tücher in die Haare und trug so dick Eyeliner, dass ich aussah wie der unfähigste Amy-Winehouse-Gedenk-Cosplayer der Welt. Außerdem hatte ich eine kurze, aber sehr intensive Phase, in der mein Ausgehoutfit aus einem mit Glitzersteinen bestickten Turban bestand.
Als ich zum Studieren nach London zog, wurde es noch schlimmer. Kurz nachdem ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, kaufte ich mir ein Cape, zu dem sich schon bald darauf eine Fellmütze (!) mit Leopardenprint (!!!!) gesellte. Grundsätzlich galt: Wenn es lustig ist, ziehe ich es an. In dieser Zeit hatte ich passenderweise auch einige lustige Jobs: Als Kellnerin in einem Pub im Keller der BBC oder als Autorin für eine Studentenwebseite mit absolut sinnlosem Content und Hits wie: „Kürbis: Der König der Nahrungsmittel?” oder „Der Schal: Es ist Zeit, dir einen überzuwerfen”. Die meiste Zeit über servierte ich allerdings Getränke in den Nachbildungen verschiedener Filmsets für eine Eventfirma, die „immersive Filmvorführungen” an mehreren Standorten in der ganzen Stadt veranstaltete.
Ich sehe aus, wie sich eine 12-Jährige eine 26-Jährige vorstellen würde.
Mittlerweile sind einige Jahre vergangen. Heute lebe ich in einem anderen Land fernab von zu Hause, habe einen Job, einen Mann und gehe täglich ins Büro. Aber in was nur?, frage ich mich. In was? Ernsthaft, was zieht man zum Arbeiten an? Mein Vorstellungsgespräch fand über Skype statt. Ich habe damals einen sehr erwachsen wirkenden Kaschmirpullover ohne Hosen getragen. Ich hatte noch nicht einmal Unterwäsche an, sondern saß einfach mit meinem nackten Hintern auf dem Stuhl in der Küche, während die luxuriöse Wolle meine freihängenden Brüste bedeckte. (Ein Outfit, dass ich für ein Bewerbungsgespräch in einer lockeren, beruflichen Atmosphäre nur empfehlen kann—bisher hat es eine hundertprozentige Erfolgsrate.)
In der Welt der professionellen Büro-Outfits für Frauen scheint jeder andauernd seinen Blazer auszuziehen, damit das partytaugliche Etuikleid zum Vorschein kommen kann—oder besonders dramatischen Lippenstift, der „ihren Business-Look in ein Abendoutfit verwandelt.” Sie verlängern ihre Beine mit hautfarbenen Pumps, motzen alte Teile aus ihrem Schrank mit neuen Accessoires auf und machen „Shopping im eigenen Kleiderschrank.” Einige von ihnen tragen sogar Stiefel zu Röcken. Das Ganze ist ziemlich entmutigend und auffällig ist, dass alles ärmellos ist. Nach all der Aufregung um Michelle Obamas Arme sitzen wir nun selbst schwitzend bei der Arbeit, können unsere Strickjacke aber nicht ausziehen, weil es uns unangenehm ist, wenn Gary vom Nebentisch unsere Achseln sehen kann. (Er steht einfach ein bisschen zu sehr darauf.)
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Natürlich orientiert sich niemand wirklich an den „18 Wegen wie man sein Büro-Outfit in einen Party-Look verwandeln kann.” Arbeitskleidung ist mittlerweile mehr so was wie der lässige Business-Frankenstein-Look—ein entspanntes, aber wohl durchdachtes Outfit, das sagt: „Vielleicht arbeite ich ja auch für ein Startup. Das kann man nie wissen.” Doch auf jede Frau, die in perfekt sitzenden Mom-Jeans und einem winzigen Hut, der aus unerfindlichen Gründen nicht lächerlich aussieht, zur Arbeit schwebt, kommen unzählige andere, die verwirrt und angsterfüllt vor einem vollen Net-a-Porter-Einkaufswagen sitzen.
Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlimm. Wie lange kann die Herrschaft der makellosen reifen Frauen schon noch dauern? Wahrscheinlich nicht mehr allzu lange. Vielleicht muss ich all die Health Goths, Beach Goths und Seapunks einfach nur über mich hinwegziehen lassen, bis irgendwann wieder die bucklige Hexe mit Reiswaffelkrümeln auf dem Pullover in Mode kommt. Bald wird es sie überall geben: Frauen, die mit Kaschmirpullovern und ohne Hosen zur Arbeit kommen oder hochgeschnittene Jogginghosen anprobieren, nur weil sie „mal sehen wollten, wie das aussieht.” Vielleicht erlebt auch der mit Glitzersteinen bestickte Turban endlich die Renaissance, die er verdient hat. Zieh einfach deinen Blazer aus, um verwandle die Reiswaffelkrümel in ein perfektes Business-Outfit.