Popkultur

In Russland ist Ohrfeigen ein Kampfsport

Knedla

Das Publikum schaut gebannt auf zwei Männer: Ein bärtiger Hüne und ein wesentlich zierlicherer Typ stehen sich an einem Tisch gegenüber. Als der Schiedsrichter das Zeichen gibt, streckt das Schwergewicht seinen Arm aus, legt die flache Hand auf die Wange seines Kontrahenten, holt aus und: Bam!

Die brutale Backpfeife schickt den kleineren Mann rückwärts zu Boden, das kollektive “Oohhh!!” der Zuschauer klingt wie Torjubel im Stadion. Drei Männer hieven den Geohrfeigten wieder auf die Beine. Während er noch zu begreifen versucht, was oder wer ihm da gerade geschehen ist, gibt der Schiedsrichter das Zeichen. Der Kampf ist entschieden.

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Willkommen bei der Männer-Backpfeifen-Championship, die russischen Medien zufolge am Wochenende des 16. und 17. März in der sibirischen Stadt Krasnojarsk stattfand. Der Wettkampf war Teil der “Siberian Power Show”, wo es neben Ohrfeigen auch Bodybuilding, Kampfsport, Powerlifting, Armdrücken, Tanzwettkämpfe und Pelmeni-Wettessen gab. Die Ohrfeigen-Disziplin scheint sich in Russland einiger Beliebtheit zu erfreuen: Vergangenes Jahr gab es beim Bodybuilding- und Ring-Event “Sarychev Power Expo” in Moskau auch schon einen Satz heiße Ohren.

Die Regeln sind simpel. Zwei Männer stellen sich gegenüber an einen Tisch, der Schiedsrichter wirft eine Münze, der Gewinner darf anfangen. Daraufhin ohrfeigen die Teilnehmer einander abwechselnd, bis einer freiwillig oder unfreiwillig abklappt. Vorher bestäuben die Gegner ihre Hände mit Kreide. Warum ist nicht ganz klar – vielleicht weil es bei der Maulschelle so eindrucksvoll staubt? Dieser Touch lässt das Spektakel jedenfalls fast wie einen richtigen Sport aussehen.

Der diesjährige Sieger, Wassily Kamotski, bekam ein Preisgeld von 30.000 Rubel, umgerechnet etwa 410 Euro. Nicht nur hat der massige Watschen-Warrior ein Kampfgewicht von rund 170 Kilo, Kamotskis Spitzname lautet “Pelmen”, also Teigtasche – wohl weil er so gut im Pelmeni-Verdrücken ist.

Laut der Website Russia Beyond wollte Kamotski ursprünglich nicht mal an dem Wettkampf teilnehmen. Er sei einfach nur ein Fan des russischen Powerlifters Kirill Sarychev und habe seinen Helden bei dem Event um ein Autogramm bitten wollen. Dann habe er Schilder gesehen, die Besucher dazu aufriefen, bei dem Ohrfeigen-Wettkampf sowie beim Pelmeni-Wettessen mitzumachen. Wassily “Pelmen” Kamotski gewann bei beiden Veranstaltungen.

Bevor wir uns das Video in seiner vollen Pracht ansehen, ein Disclaimer: Ohrfeigen haben laut einem (leider) verbreiteten Spruch “noch niemandem geschadet”? Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Was im Vergleich zu so manchem MMA-Fight eher ulkig wirkt, ist letztendlich lebensgefährlich. Eine ungebremste Ohrfeige kann Menschen das Gehör kosten, Hirnschäden verursachen und sogar zum Tod führen. Bei einem traditionellen Kampfsport dürfen die Kontrahenten wenigstens ausweichen und sich schützen. Bei dem sibirischen Wettkampf heißt die Devise “Einstecken, bis es nicht mehr geht”. Ein Rezept für ernste Schäden.

Ach, und noch ein Disclaimer: Das ist ein Sport für Männer, nur für Männer, und ja, die Teilnehmer lieben es genau deshalb. Andere würden sagen: Das sind die Festspiele toxischer Männlichkeit, und die Teigtasche ist der giftigste Schläger von allen.

Aus beiden Gründen raten wir: Don’t try this at home.

Aber wenn sich russische Haudrauf-Typen schon gegenseitig einschenken, können wir auch zusehen und staunen.

Wie die Aufnahmen zeigen, hat sich unser Backpfeifen-Gladiator Mr. Teigtasche mit Leichtigkeit durch den Wettkampf geslappt – er wirkt fast wie ein sibirischer Hafþór Júlíus Björnsson. Irgendwann zieht Pelmen auch sein (sehr umfangreiches) Shirt aus und ergänzt das majestätische Schauspiel um reichlich nackte Haut.

Pelmen schickt seinen Gegner mit mehreren Schellen aus dem Rennen. Als klar ist, dass er gewonnen hat, verpasst er dem anderen Kämpfer nur noch einen Pro-Forma-Schlag – er ist eben ein wahrer Krieger und weiß, dass Gnade eine Tugend ist.

In dem Video gibt es auch einige Kämpfe ohne Pelmen, aber wer will schon weniger wuchtige Schellen sehen? Man nehme etwa das folgende GIF. Schon eine gute Backpfeife, aber sie hat nicht das gewisse Etwas, das Pelmen mitbringt. Man kann schon fast sagen, Wassily Kamotski ist der Muhammad Ali der Ohrfeigen.

Nachdem er den hemdlosen Gegner ausgeschaltet hat, geht es für Pelmen in die Finalrunde, wo er gegen einen älteren Mann in einem weißen Polohemd antritt. Die Crowd sieht mit stockendem Atem zu, denn hier wird Geschichte geschrieben. Die beiden Athleten starren einander über den Tisch hinweg an. Das hier ist der Augenblick, auf den sie ihre gesamte Ohrfeigen-Karriere über hingearbeitet haben. Es ist Zeit für den großen Slapdown, und die Teigtasche hat eine besonders große Packung Schellen dabei.

Der ältere Mann weiß, wie man austeilt, aber mit Pelmen kann er nicht mithalten.

Der Gegner überlebt das Ganze irgendwie, die Crew stellt ihn zurück an den Tisch. Aber Pelmen zeigt kein Erbarmen. Er teilt noch einmal derbe aus, der Mann im Polohemd torkelt ein letztes Mal zurück. Der Schiedsrichter signalisiert das Ende des Kampfes, Sanitäter eilen dem Verlierer zur Hilfe. Zum Glück. Noch so ein Schlag und er wäre vielleicht nicht mehr unter uns.

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