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Sex

Meine Woche mit dem Duft von Sperma auf der Haut

Secretions Magnifiques ist eine synthetische Mischung, die nach Blut, Muttermilch und Sperma duften soll. Wie Sperma sollte man dieses Parfüm nur nicht ins Auge bekommen.

Im Szeneviertel SoHo in Manhattan steht die Boutique MiN. Der Laden bezeichnet sich selbst als „haute parfumerie and artelier". Das ist „Französisch" und bedeutet: „Ein Laden, der scheißteure Sachen verkauft". Dort gehen Leute hin, die für 12 Milliliter Parfüm gerne 300 Euro auf den Tisch legen, also Promis wie Scarlett Johansson. Sie kauft dort immer einen bestimmten Duft, der aus Jasmin, Leder und Tabak besteht. Klingt nach der letzten Zigarette, die ich in meiner Handtasche gefunden habe, aber ich hab ja auch keine Ahnung von Parfüm.

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Ich blick da nicht durch, aber die Leute, die dort arbeiten, schon. Die sind wirklich gut in ihrem Job, und Olya ist so jemand. Sie arbeitet bei MiN und hat schon früh gemerkt, dass sie einen guten Riecher hat. Sie weiß z.B. noch, wie sie als Kind an einem Jasminstrauch geschnuppert hat und davon „fast betrunken" wurde.

Promis können sich ihren eigenen, „einzigartigen Duft" leisten und ich wollte wissen, wie das ist, wenn du wie ein Promi riechst. Olya half mir also, ein paar Düfte auszusuchen, damit ich sie zu Hause ausprobieren konnte. Ich wollte herausfinden, welcher davon am besten mit meiner Körperchemie zusammenpasst. Gutes Parfüm reagiert nämlich mit dem Körper und verändert sich je nach Körperwärme und was du gerade gegessen hast. Nach einer kurzen Befragung holte Olya ein paar Fläschchen hervor, die zu meinem Lebensstil passen könnten. Die Düfte hatten etwas mit den Eigenschaften „besoffen" und „männlich" zu tun. Vielen Dank auch, Olya.

Jedenfalls kann sie viel besser riechen als ich. Ich schnupperte an einigen Proben und konnte keinen Unterschied erkennen. Bei meinem zweiten Besuch gab mir Olya ein Parfüm, das nach Leder riecht und aus dem Analsekret von Biebern gemacht wird (Castoreum oder auch Bibergeil genannt, ein noch viel passenderer Name). Die Tiere markieren damit ihr Territorium, es wird aber auch als Erdbeeraroma verwendet, und in Parfüms von Chanel, Lancôme und Givenchy. Ich hatte ein Auge auf ein anderes Parfüm geworfen: Secretions Magnifiques, eine synthetische Mischung, die—angeblich—nach Sperma, Blut und Muttermilch duften soll.

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Es kostete rund 70 Euro und Olya konnte mir auch nicht sagen, wer freiwillig so riechen will. „Das passt nicht zu jedem", sagte sie. „Es ist sehr animalisch." Immer wenn ein Kunde diesen Duft ausprobieren will, muss sie mit ihm vor den Laden gehen. „Irgendwie mögen die Leute Sachen, die sie nicht kennen oder sogar abstoßend finden."

Um es kurz zu machen: Ich habe das Parfüm fünf Tage lang getragen.

Sonntag:

Erstmal riecht Secretions Magnifiques in der Flasche ganz anders als auf deinem Körper. In der Flasche riecht es fast wie ein Axe-Deo, aber wenn es sich erst in der Luft verteilt hat, riecht es irgendwie sauer und nach Metall. „Da ist diese Blutaroma drin. Und dann erst dieses synthetisches Aroma—wie Eisen", erklärte mir Olya. Auf deinem Oberkörper riecht dieses Blutaroma wie ein ganzer Sack voller Kleingeld. Während ich zu meiner Bahn laufe, weht mir immer wieder mein eigener Duft entgegen. Dann bekomme ich einen Würgereflex und muss auf meinem Weg zur Uni eine Pause einlegen. Echt eklig. Ich rieche wie ihr Ex-Freund, sagt eine Kommilitonin zu mir.

Montag:

Ich habe mich an den Duft gewöhnt und muss in der Bahn nicht mehr rumwürgen. Ein paar Menschen, die ich nicht kenne, schauen mich komisch an. Aber das kann auch daran liegen, dass ich sie anstarre. Ob sie den Geruch erkennen? „Du fragst dich bestimmt, ob du das bist, der so riecht", denke ich.

So gegen Mittag stehe ich im Aufzug vom Condé Nast-Verlag (frag bitte nicht) und ein paar Supermodels sind auch drin. Eine rümpft die Nase, aber vielleicht hat sie nur einen Schnupfen. Diese Models sind alle ziemlich groß. Kann sein, dass sie mich gar nicht bemerkt haben. Eine Stunde später fällt mir ein, dass ich die Models einfach hätte fragen sollen, ob sie mal an mir riechen wollen. Ich ärgere mich über die verpasste Gelegenheit und fange an zu schwitzen. Dadurch wird der Geruch noch schlimmer.

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Dienstag:

Mittlerweile hab ich das Parfüm total vergessen. Es macht mir auch gar nichts mehr aus und so langsam gefällt es mir sogar. Von morgens bis abends trage ich dieses Geheimnis auf meiner Haut mit mir herum. Das ist irgendwie cool. Dank mir haben meine Mitmenschen den ganzen Tag den Geruch von Sperma in der Nase—und sie wissen es nicht mal.

Olya hatte zu mir gesagt: „Wenn du das durchziehen kannst, dann tu's doch einfach!" Wir wollen doch alle, dass man uns nicht vergisst, wenn wir tot sind. Wenn ich dafür nach Sperma riechen muss, ist mir das auch egal.

Mittwoch:

Den ganzen Tag denke ich nicht mehr an Secretions Magnifiques. Da sagt ein Mädchen zu mir, dass ich wie ihr Papa rieche. Die nächsten Stunden tut sie mir richtig leid. Abends gehe ich in eine Bar und keiner fragt mich nach meinem Ausweis—obwohl ich wie 12 aussehe. Ich rieche wohl nach Sachen, die nur Erwachsene machen.

Donnerstag:

Mir gefällt das Parfüm inzwischen richtig gut. Am Abend will ich's nochmal wissen. Eine Freundin und ich sprühen uns mit dem Zeug ein (wie romantisch). Dann gehen wir aus. Das ist der ultimative Test für Secretions Magnifiques—der Duft soll die Leute angeblich total geil machen. „In der richtigen Dosis wirkt das Parfüm auf andere anziehend", hatte Olya gesagt. Und es funktioniert. Nach einer Stunde bei der Ausstellung kommt ein 35-jähriger Typ zu uns und sagt zu meiner Freundin, dass sie „sehr, sehr gut riecht". Er lässt die ganze Zeit nicht locker—nicht mal, als sie ihm vom Parfüm erzählt. „Ich lecke dir später das Blut und Sperma von der Haut", sagt er zu ihr. Ist das romantisch!

Irgendwann gehen wir zu meiner Freundin nach Hause und ich warte im Wohnzimmer, während die beiden nebenan ficken. Fünf Sekunden, nachdem er fertig ist, gesteht der Typ, dass er verheiratet ist. Er hat einen großen Fehler gemacht. Und nur ein paar Minuten später muss ich meine Freundin trösten. Sie ist nackt und riecht nach Sperma—synthetisches und echtes. Aber das ist uns egal.