
Nachdem sie in Budapest keine Arbeit finden konnte, entschied sich Elizabet, in den Westen zu ziehen, nach Amsterdam—dem verheißungsvollen Land für alle jungen und attraktive Frauen, die bereit sind, ihren Körper an fremde Männer zu vermieten. „Weil ich sonst nirgendwo Arbeit gefunden habe, bin ich letztes Jahr nach Amsterdam gekommen, um hier als Prostituierte zu arbeiten. Ich brauche Geld zum Überleben.“Vor Kurzem interviewten wir einen Typen, der jedes mal, wenn er mit einer Prostituierten in Amsterdam Sex hatte, einen Blogeintrag darüber verfasst. Er stellt das Ganze so dar, als ob die Sexarbeiterinnen dort Hunderte Euro in einem Job verdienen, den sie lieben. So wie es allerdings aussieht—das merke ich, je länger ich mich mit Elizabet unterhalte—, ist seine Wahrnehmung nicht wirklich repräsentativ. Bei ihrer aktuellen Tätigkeit dominiert das Geld wirklich jeden von Elizabets Gedankengängen. Sie bezahlt für ihren kleinen Raum und das amsterdamtypische ‚Schaufenster’ in einer kleinen Seitenstraße im De Wallen-Viertel 100 Euro pro Tag. Für ein 20-minütiges „suck and fuck“ nimmt sie 50 Euro—an Tagen, an denen es nicht so gut läuft, lässt sie sich aber auch auf 40 Euro runterhandeln.Wenn es gut läuft, verdient Elizabet zwischen 300 und 400 Euro pro Schicht, aber gute Tage sind selten; Und die Lebensrealität einer Prostituierten hat nicht viel gemein mit den Storys, die sie über die Highclass-Escorts gehört hat, die für ein par Stunden Arbeit am Tag ein Leben voller Glanz und Glamour führen. „Ich bin immer noch arm, aber es ist nicht so schlimm, wie es in Ungarn war. Ich spare, was ich kann.“
Sie erzählt mir weiter, wie schwer es sein kann, überhaupt die Kosten zu decken: „Manchmal mache ich gerade genug Geld für die Raummiete. Aber manchmal auch nicht und es gibt auch Tage, da habe ich überhaupt keine Kunden.“
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Elizabets Arbeitsplatz besteht aus einer kleinen hellgrünen Matratze, einem grauen Spint und gerade noch genug Platz für ein Waschbecken und einen Stuhl. Beleuchtet wird das Ganze von einer matten, grünen Glühbirne und im Hintergrund laufen billige 90er-Europop-Compilations. Dass es in ihrem Etablissement wirklich gar nichts gibt, was auch nur entfernt romantische Gedanken erwecken könnte, stört sie keineswegs. Sie sagt mir, dass sie auf keinen Fall eine „Freundin für eine Nacht“ sein möchte—das sind Sexarbeiterinnen, die dir neben dem Sex auch die „girlfriend experience“ anbieten—und außerdem sei sowieso keine Zeit für Smalltalk oder Zärtlichkeiten.
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Es war Elizabets eigene Entscheidung, von Ungarn nach Amsterdam zu ziehen, um dort im Rotlichtviertel zu arbeiten, aber sie hat schon Geschichten von anderen Frauen aus ihrem Heimatland—und aus anderen osteuropäischen Ländern—gehört, die von Zuhältern und organisierten Banden zur Prostitution gezwungen wurden. „Die Gangs nehmen ihnen die Pässe ab und bestimmen über ihr Leben“, erzählt sie mir. „Sie haben keine Möglichkeit zu fliehen—diese Frauen tun mir wirklich leid.“Nicht alle sind so mitfühlend, was das Schicksal der Opfer von Menschenhandel angeht. Metje Blaak—eine ehemalige Prostituierte, die inzwischen als Sprecherin für die Sexarbeiter in den Niederlanden arbeitet—beklagt die Tatsache, dass die Beschränkungen, die in Kraft getreten sind, um die Zwangsprostitution einzudämmen, zu einem bürokratischen Mehraufwand für die geführt haben, die sich aus freien Stücken für die Sexarbeit entschieden haben. „Es gibt so viele Frauen, die sich dazu entschieden haben, als Prostituierte zu arbeiten“, schreibt sie in einer E-Mail. „Aber die sogenannte ‚Hilfe’ für Frauen, die zu dieser Arbeit gezwungen werden, macht es mit den blöden Regelungen und den bescheuerten Einschränkungen fast unmöglich für die Frauen, ihrer Arbeit nachzugehen, die diesen Job aus freien Stücken machen.“
Wie auch immer du zu diesen Regeln und Einschränkungen stehst, scheint es so—wie ich aus dem Gespräch mit Elizabet erfahre—, dass diese nicht wirklich gut funktionieren; Frauen aus armen Familien werden mit dem Versprechen auf Arbeit nach Amsterdam geschickt, wo sie dann zu Sexarbeit gezwungen werden und ihnen die Rückkehr verweigert wird.Elizabet ist auch hier gefangen, allerdings wegen ihrer Befürchtung, in ihre Heimat zurückzukehren und dort keine Arbeit zu finden. Sie träumt davon, zurück nach Ungarn zu gehen und dort eine Familie zu gründen, aber sie weiß nicht, wann ihr das einmal möglich sein wird. „Ich will Kinder bekommen und heiraten, aber hier werde ich niemanden finden—ich arbeite ja die ganze Zeit“, seufzt sie. „Ich weiß also nicht, ob das irgendwann mal passieren wird.“Überraschenderweise wollte Elizabet nicht schon immer eine Prostituierte werden. „Als ich ein Kind war, wollte ich eine Schaufensterpuppe werden—in diesen ganzen feinen Kleidern angezogen werden“, erzählt sie lachend. „Meine Mutter sagte mir immer, ‚das kannst du nicht machen—Schaufensterpuppen sind nicht echt.’ Wir fanden das alle immer sehr lustig, aber jetzt arbeite ich als Prostituierte.“
Elizabet scheint die gleichen Erwartungen an das Leben zu haben, wie die meisten anderen in ihrem Alter, aber ihre persönlichen Umstände führten dazu, dass sie eine andere Karriere als die meisten anderen jungen Frauen einschlagen musste—etwas, das sie bislang von ihren Freunden und ihrer Familie in der Heimat geheim halten konnte. Tatsächlich ist die Einzige, die etwas von ihrem Beruf weiß, ihre Mutter. Alle anderen denken, dass sie in einem Hotel arbeitet.„Meine Mutter ist die Einzige, die es weiß. Sie sagt natürlich, dass ich es nicht machen soll, aber ich brauche das Geld, und ich schicke auch Geld nach Hause zu meiner Familie. Ich will aber nicht, dass die Anderen in meiner Familie Bescheid wissen. Ich glaube, ich könnte nicht zurückkehren, wenn sie es rausfinden.“Madella erzählt eine ähnliche Geschichte und berichtet, dass sie ihr ganzes verdientes Geld für ihre Familie ausgibt. „Als ich hierhin gezogen bin, arbeitete ich zu Beginn in einem Supermarkt und räumte Regale ein, aber ich habe relativ schnell den Job gewechselt, weil das Geld [in der Prostitution] einfach besser ist. Ich arbeite wirklich nur, um Geld für meine Familie zu verdienen.“
Trotz Elizabets schlechten Erfahrungen ist nicht alles hier furchtbar. Sie erzählt mir, dass ihr einige Aspekte an ihrem Leben in Amsterdam auch gefallen. „Es ist schön hier, die Menschen sind nett und die Polizei und der Vermieter behandeln mich mit Respekt.“ Am Ende will sie aber unbedingt zurück nach Hause zu ihren Freunden und ihrer Familie. „Ich will hier aufhören, aber ich kann nicht. Ich habe immer wieder das Geld in meinem Kopf.“
Mitarbeit von Elko Born