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Wenn ich unbegründet wütend bin, habe ich meine Tage

Wenn ich wegen meiner Tage schlecht drauf bin, erwarte ich Verständnis. Vor allem von Frauen.

Foto: Henrik Ström | flickr | CC BY-SA 2.0

Letzte Woche hat Verena Bogner geschrieben, dass sie, nur weil sie schlecht drauf ist, nicht automatisch ihre Tage hat. Ich habe den Artikel gelesen, nachdem ich gerade einen lautstarken Wutausbruch hinter mir hatte. Und ja, der stand im direkten Zusammenhang mit meinen Tagen.

Auf einmal rastete ich komplett aus und warf mit Beleidigungen um mich. Dann fing ich an zu weinen, weil ich mich so unverstanden fühlte. Während mir die Tränen noch an den Wangen runterliefen, versuchte ich, den Auslöser auszumachen. So kannte ich mich gar nicht, außer—„Verdammt! Ich krieg meine Tage!" Bin ich wirklich so hormongesteuert und ausgeliefert?

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Natürlich bin ich auch wütend, wenn ich nicht meine Regel kriege, aber der Wutausbruch davor kommt mittlerweile so sicher wie kurz darauf die Bauchschmerzen und der Wunsch, mich unter der Bettdecke vor der bösen Welt da draußen zu verkriechen. Das war nicht immer so. Jahrelang nahm ich die Pille und war stolz darauf, nicht zu den Frauen zu gehören, denen man ihre Regel anmerkt.

Keine Heißhungerattacken, selten Schmerzen, keine merkbaren Stimmungsveränderungen. Dann setzte ich die Pille ab, nicht aus Angst, sondern weil ich wissen wollte, wie sich mein Körper ohne künstlich zugeführte Hormone anfühlt. Ich fand unreine Haut, Bauchkrämpfe als würde ein Messer in meinen Unterleib gerammt werden und das prämenstruelle Syndrom. „So fühlt sich das normalerweise an?", dachte ich und war ernsthaft überrascht.

„Was will mein Körper mir mit diesen Symptomen sagen und was sage ich meinem Umfeld?" Die Menstruation wird nach wie vor stigmatisiert. Gesprächspartnerinnen verfallen automatisch ins Flüstern. Möglichst diskret und seidig glatt soll die blutige Prozedur vonstatten gehen, sagt die Werbung. Mit Bezeichnungen wie „Erdbeerwoche" und „rote Welle" wird ein wesentlicher Aspekt des weiblichen Zyklus verniedlicht und beiseite geschoben.

Offen darüber zu reden, ist noch immer ein Tabu. Man stelle sich nur vor, man entschuldige sich bei einem Kollegen mit den Worten „Tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin, ich krieg meine Tage."

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Wenn frau das tun würde, würde es sofort als Ausrede abgetan werden (wer die Periode im Schulsport nie unberechtigterweise als Ausrede verwendet hat, werfe den ersten Stein) und sie hätte ihre Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit für immer verspielt. Also verziehen wir das Gesicht und tun als wäre es kein Problem, dass der Unterleib sich so stark verkrampft, dass uns schlecht wird. Klar, es ist ja auch normal, passiert schließlich jeden Monat. Und wir können wohl kaum einmal im Monat Verständnis erwarten, oder?

Warum eigentlich nicht? Wenn man sich informiert, was vor und während der Menstruation im weiblichen Körper passiert und welche großen hormonellen Veränderungen da vor sich gehen, wird klar, welchen Einfluss die Biologie ausübt und wie machtlos wir ihr gegenüber sind. Das heißt nicht, dass wir Frauen automatisch irrational sind und nicht die Verantwortung für unser Handeln tragen. Aber das heißt, dass wir aufhören müssen, die Tage als etwas Schamhaftes zu betrachten, was uns jeden Monat „passiert".

Die Menstruation ist kein Grund, uns Zurechnungsfähigkeit abzusprechen oder an unseren Entscheidungen zu zweifeln, denn genau darauf zielt die Frage, ob wir gerade unsere Tage haben, ab. Ich stimme Verena also vollkommen darin zu, dass sie aus dem Sprachgebrauch verschwinden soll. Wenn ich behaupte, dass ich unbegründet wütend werde, bin dennoch ich selbst die einzige Instanz, die im Nachhinein entscheidet, ob der Wutanfall begründet war oder nicht.

Aber wenn ich mich dafür entschuldige und entschließe, die Tage mit als Begründung zu erwähnen (Freund/innen gegenüber), erwarte ich Verständnis, auch—und gerade—von Frauen. Denn wenn man selbst zu denjenigen gehört, denen diese Stimmungsschwankungen und Schmerzen erspart bleiben, ist das kein Grund, sich erhabener zu fühlen (wie ich mittlerweile weiß). Für mich wäre die Pille eine theoretische Möglichkeit, die Tage angenehmer zu verleben. Praktisch nehme ich aber trotzdem lieber jeden Monat das Theater in Kauf als täglich ein Medikament für meinen gesunden Körper.

Edie Calie ist Autorin. Ihr Buch 3 a.m. ist bei Edition Roter Drache erschienen. Edie auf Twitter: @EdieCalie